Prof. Dr. Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen,
Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Strukturwandel: ja – Deindustrialisierung: nein

BDA AGENDA 24/22 | Kommentar der Woche | 8. Dezember 2022

Die absehbare Energiepreisentwicklung führt nicht zur Deindustrialisierung, wenn der Umbau der Energieinfrastruktur gelingt und die EU mit den USA vereinbart, eine faire Handelspolitik beizubehalten.

Beobachter warnen dieser Tage vor einer drohenden Deindustrialisierung Deutschlands. Die Energiepreise zeigten hierzulande im Spätsommer extreme Ausschläge, deren Wiederkehr im nächsten Jahr derzeit nicht ausgeschlossen werden kann. Vor allem aber werden diese Preise dauerhaft höher bleiben als in der Vergangenheit und auch höher als in anderen Weltregionen, die damit für geraume Zeit einen Standortvorteil aufweisen. Droht Europa und vor allem Deutschland daher wirklich eine Schrumpfung der industriellen Basis seiner wirtschaftlichen Erfolge?

Manches, was derzeit über die deutsche Industrie gesagt wird, ist falsch. Es ist Unsinn, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit vor der aktuellen Krise stark vom Zugang zu billigem russischen Gas abhing. Niedrige Importpreise für Energie werden bei uns traditionell mit zahlreichen Aufschlägen durch Abgaben versehen. Am Ende waren die Energiepreise für die Industrie in Deutschland bisher schon höher, in energieintensiven Branchen etwa so hoch wie für die wichtigsten internationalen Wettbewerber.

Im aktuellen Jahresgutachten hat sich der Sachverständigenrat sehr genau angesehen, was die Energiekrise für die deutsche Industrie bedeutet. Differenziert man nach Branchen und einzelnen Gütergruppen, weisen nur kleine Anteile der Produktion sehr hohe Energieintensitäten auf. Wenn betroffene Firmen auch noch stark im internationalen Wettbewerb stehen, werden sie es in der Tat schwer haben, diese Anteile und die dort angesiedelten Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten. Das führt zu Strukturwandel, aber noch lange nicht zur Deindustrialisierung. Bereits in den letzten 25 Jahren hat die deutsche Industrie ihre Energieintensität spürbar reduziert. Das lag nicht so sehr an einer Schrumpfung energieintensiver Zweige, sondern weit mehr an steigender Energieeffizienz, auch und gerade bei energieintensiver Produktion. Dies stimmt optimistisch, dass die Unternehmen die aktuellen Probleme durch weiteren technischen Fortschritt selbst lösen können.

Aus zwei Gründen ist derzeit jedoch auch die Politik gefordert. Erstens muss die Infrastruktur auf neue Wege der Energieerzeugung und vor allem der Versorgung der Industrie mit grüner Energie, etwa durch Wasserstoff, umgestellt werden. Der Staat muss dies gar nicht alles bezahlen, aber gewährleisten, dass der Umbau voran geht, viel schneller als bisher.

Zweitens muss die EU Wege finden, noch eine andere Gefahr abzuwehren. Mit dem Inflation Reduction Act macht die derzeitige US-Regierung den Aufbau nachhaltigerer Produktionskapazitäten in den USA durch hohe Subventionen attraktiver und will zugleich Produkte aus Europa aus dem US-Binnenmarkt fernhalten. Das verstößt massiv gegen Grundprinzipien der Welthandelsordnung, die zwischen Europa und Nordamerika mit aller Kraft aufrechterhalten werden sollten – nötigenfalls in gemeinsamer Auseinandersetzung mit China.

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