Tarifeinheit ist unverzichtbar

Das im Juli 2015 in Kraft getretene Tarifeinheitsgesetz leistet einen entscheidenden Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie sind wichtige Stützen des deutschen Arbeitsmarktes und der deutschen Wirtschaftsordnung. Ein funktionierender, moderner Flächentarifvertrag ist Ausdruck von Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit.

Der Grundsatz der Tarifeinheit ist ein zentrales stabilisierendes Element der Arbeitsbeziehungen und für eine funktionierende Tarifautonomie unerlässlich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen wissen, woran sie sind und welcher Tarifvertrag für sie gilt. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften gestalten Flächentarifverträge – bei unterschiedlichen Interessen – als Partner, wie es das Grundgesetz vorsieht. Soweit Arbeitsbedingungen nicht in Arbeitsverträgen geregelt sind, ist es Aufgabe des Tarifvertrags die Arbeitsbedingungen zu beschreiben. Er ordnet und befriedet die Arbeitsbeziehungen. Vielfältige Öffnungsklauseln, die den Betriebsparteien Gestaltungsspielräume geben, und produktivitätsorientierte Entgeltsteigerungen dokumentieren die Bereitschaft der Tarifvertragsparteien, das System Flächentarifvertrag verantwortungsvoll zu modernisieren. Auch innerhalb der europäischen Schuldenkrise hat sich das System bewährt.
 
Tarifverträge ordnen und befrieden das Arbeitsleben
Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder unterstrichen, dass die Ordnung und die Befriedung der Arbeitsbeziehungen eine Kernaufgabe der Tarifverträge sind. Diese Ordnungsfunktion und die Friedenswirkung sind entscheidend für die Akzeptanz von Tarifverträgen. Daher müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen, woran sie sind und was für sie gilt. Im Überschneidungsbereich von Tarifverträgen können unterschiedliche sich widersprechende Regelungen nicht sinnvoll angewendet werden. Hierfür war als Ordnungssystem die Tarifeinheit nötig. Über 50 Jahre hat das Bundesarbeitsgericht als höchstes deutsches Arbeitsgericht diesen Grundsatz angewendet; im Jahr 2010 hat es ihn aufgegeben. Damit bestand die Gefahr, dass Tarifverträge nicht mehr Orientierung bieten, ihre Akzeptanz verlieren und die Tarifautonomie zerfasert und zerläuft.
 
Tarifeinheit ist verfassungsgemäß
Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner am 11. Juli 2017 verkündeten Entscheidung die gesetzliche Wiederherstellung der Tarifeinheit für verfassungsgemäß erklärt. Zur Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gehört nicht nur die strukturelle Parität zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wo Gewerkschaften untereinander konkurrieren, gehört zur Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie ebenfalls die Schaffung von Voraussetzungen durch den Gesetzgeber für einen fairen Ausgleich der berührten Interessen. Dies hat der Gesetzgeber durch das Tarifeinheitsgesetz sichergestellt. Die Tarifeinheit stabilisiert das gesamte Tarifvertragssystem und erfüllt die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Ordnungs- und Befriedungsfunktion.
 
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einen Konkretisierungsauftrag aufgegeben, den der Gesetzgeber mit einer Ergänzung von § 4a Abs. 2 S. 2 TVG um einen zweiten Halbsatz umgesetzt hat, ohne den Charakter der Tarifeinheit als stabilisierendes Element der Arbeitsbeziehungen zu verändern. Mit dieser Ergänzung wird klargestellt, dass beim Zustandekommen des Mehrheitstarifvertrags, der nunmehr legaldefiniert wird, die Interessen der „Minderheitengewerkschaft“ ernsthaft berücksichtigt werden sollen. Die Änderung wählt einen verfahrensrechtlichen Ansatz und führt damit nicht zu einer Inhaltskontrolle von Tarifverträgen. Der vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß erklärte Grundsatz der Tarifeinheit wird nicht in Frage gestellt. Für eine funktionierende Tarifautonomie ist der Grundsatz der Tarifeinheit unerlässlich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen wissen, was für sie gilt.