Tariflohnentwicklung in Deutschland

Eine branchendifferenzierte, produktivitätsorientierte und flexible Tariflohnpolitik ist prägend für die Lohnentwicklung in Deutschland

Dieses tarifpartnerschaftliche Erfolgsmodell muss auch in Zukunft fortgesetzt werden. In wirtschaftlichen Aufschwungphasen profitieren die Beschäftigten vom Erfolg der Unternehmen. In konjunkturell schwachen und arbeitsmarktpolitisch angespannten Zeiten bleibt die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe erhalten.
Differenzierte und produktivitätsorientierte Tariflohnentwicklung beteiligt Beschäftigte am Erfolg der Unternehmen und sichert Arbeitsplätze
Der Produktivitätsanstieg ist der Maßstab für eine Lohnentwicklung, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen unterstützt und damit zur Sicherung von Beschäftigung am Standort Deutschland beiträgt. Neben der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sind hierbei vor allem die Konjunkturerwartungen in den einzelnen Branchen sowie die betrieblichen Handlungsspielräume Richtschnur für die Tariflohnabschlüsse. Die häufig unterschiedlichen Ausgangssituationen der einzelnen Wirtschaftszweige führen daher teils zu überaus differenzierten Tariflohnanstiegen zwischen den Branchen.
Lange Laufzeiten bieten wichtige Planungssicherheit

Um den Betrieben mehr Planungssicherheit zu bieten, werden häufig Tarifverträge mit langen Laufzeiten von über 20 Monaten vereinbart. Kombiniert werden diese Tarifabschlüsse teils mit anfänglichen Einmal- bzw. Pauschalzahlungen oder Nullmonaten, d. h. Zahlungen, die für einen bestimmten Zeitraum anstelle von tabellarischen Entgeltanhebungen gezahlt werden bzw. Monate ohne anfänglicher Tariflohnerhöhungen.

Flexible Entgeltgestaltung bietet Betrieben Handlungsspielraum

Ein wesentliches Element von Tariflohnabschlüssen ist die Flexibilisierung von Entgeltbestandteilen. Dadurch können während der Laufzeit eines Tarifvertrags sowohl möglichen Konjunkturschwankungen als auch der individuellen wirtschaftlichen Lage der einzelnen Betriebe besser Rechnung getragen werden. Die Vereinbarung tariflicher Öffnungsklauseln ermöglicht den Betrieben je nach wirtschaftlicher Situation, z. B. vereinbarte Tariflohnanhebungen zeitlich zu verschieben und/oder Einmal- bzw. Sonderzahlungen abzusenken oder auch vollkommen entfallen zu lassen. Diese Flexibilität ist jedoch keine Einbahnstraße: In konjunkturellen Aufschwungphasen werden diese Gestaltungsspielräume dazu genutzt, u. a. Tariflohnanhebungen vorzuziehen bzw. auf eine Verschiebung ganz zu verzichten oder Einmalzahlungen zu erhöhen.

Neben den flexiblen Gestaltungsspielräumen im Rahmen der Entgelttarifverträge enthalten auch zahlreiche Manteltarifverträge verschiedene Flexibilisierungselemente im Entgeltbereich wie z. B. Formen der ertrags- und leistungsorientierten Entlohnung. Bei der ertragsabhängigen Entgeltgestaltung handelt es sich in der Regel um die Flexibilisierung von Jahressonderzahlungen, die zumeist in einer bestimmten Bandbreite durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung in Abhängigkeit des Geschäftsverlaufs variiert werden können. Die leistungsorientierte Vergütung bezieht sich im Wesentlichen auf Teile des Tarifentgelts oder auf eine zusätzliche Prämie, die nach individueller und/oder teambezogener Leistung variabel ausgestaltet wird.

Die differenzierte und flexible Tariflohnpolitik hat sich bereits mehrfach als wichtiges Instrument für Betriebe in Krisenzeiten erwiesen. So war es nach Ansicht des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auch der flexiblen Tariflohnpolitik zu verdanken, dass Deutschland die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 besser als seine europäischen Nachbarn meistern konnte. Die Tariflohnabschlüsse in den Jahren der Corona-Pandemie, aber auch in den Jahren des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine mit den Folgen für Wirtschaft und Inflation waren und sind zum Teil geprägt durch diese tarifpolitischen Instrumente, die den Betrieben mehr Luft in konjunkturell äußerst angespannten und betriebsbedingt besonders herausfordernden Zeiten geben.

Binnenkonjunktur profitiert mehr vom Beschäftigungs- als vom Lohnzuwachs

Forderungen nach überdurchschnittlichen Lohnsteigerungen werden i.d.R. mit der Stärkung der Kaufkraft und der Belebung der Binnenkonjunktur begründet. Nach Abzug von Steuern, Sozialausgaben und Ersparnissen sowie dem Kauf ausländischer Waren kommt jedoch nur ein kleiner Teil der Lohnerhöhung bei den inländischen Unternehmen an. So zeigen Modellrechnungen, dass bei einer Lohnerhöhung von 100 Euro bei einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn je nach Steuerbelastung lediglich ca. ein Drittel in den inländischen Konsum fließt.

Außerdem können die durch Lohnerhöhungen gestiegenen Arbeitskosten zu ausbleibenden Investitionen und Arbeitsplatzabbau führen oder neuen Beschäftigungsaufbau verhindern – dies hemmt die Binnenkonjunktur zusätzlich. Empirische Analysen verdeutlichen, dass sich vor allem die Beschäftigungsentwicklung positiv auf den Konsum auswirkt und nicht die Lohnentwicklung: Eine einprozentige Tariflohnerhöhung schiebt den Konsum nur um 0,2 % an, ein einprozentiger Beschäftigungsanstieg dagegen um rd. 0,4 bis 0,5 % (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, 2012).

Hohe Lohnstückkosten belasten Betriebe

Insgesamt stellen hohe Bruttostundenlöhne und Personalzusatzkosten für die Unternehmen in Deutschland eine erhebliche Belastung dar. Das in diesem Zusammenhang oftmals angeführte Argument, die Arbeitskostenbelastung würde durch die hohe Produktivität kompensiert, ist hierbei zu kurz gedacht: Deutschland gehört zwar weltweit zu den Ländern mit der höchsten Produktivität. Die Lohnstückkosten – also das Verhältnis von Arbeitskosten zu Produktivität – zeigen aber, dass dies nicht ausreicht, um nachhaltig den Arbeitskostennachteil unseres Landes auszugleichen.



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