Künstliche Intelligenz und Mitbestimmung - Die Zukunft hat begonnen


BDA AGENDA 10/23 | KOMMENTAR DER WOCHE | 17. Mail 2023

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall

KI – Künstliche Intelligenz, zwei Buchstaben sind in aller Munde. Das öffentliche Hallo-Wach-Erlebnis haben die bemerkenswerten Texte ausgelöst, die das Programm ChatGPT-4 seit einigen Monaten auf der Basis von wenigen Stichworten generiert. Ein sichtbarer Durchbruch, der gleich von dystopischen Horrorvisionen begleitet wird. Übernimmt KI in wenigen Jahren die Herrschaft des Universums und degradiert uns Menschen zu bloßen Befehlsempfängern?

Ich steige als Gewerkschafterin aus der Praxis erstmal einige Etagen tiefer ein. Im betrieblichen Alltag gibt es schon jetzt genügend Fragen rund um KI zu beantworten – und zu regeln. KI, schwach oder stark, findet bereits heute in allen Bereichen des Unternehmens, von der Forschung und Entwicklung über Logistik und Produktion bis hin zu Marketing, Vertrieb und After Sales Anwendung. Im Produktionsbereich werden so genannte kollaborative Roboter, Cobots, eingesetzt. Warenlager werden algorithmisch optimiert, Transportsysteme sind fahrerlos. Bei der Personalauswahl halten algorithmische Systeme zur Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern Einzug. Aus- und Weiterbildung ist in einigen Unternehmen ins dreidimensionale Metaverse gezogen, befeuert durch Kontaktverbote in der Corona-Pandemie.

Die Technik schreitet in Siebenmeilenstiefeln voran. Das Betriebsverfassungsgesetz als wesentliche Basis für die betriebliche Mitbestimmung, bleibt dagegen stehen. Es stammt im Kern aus dem Jahr 1972, einer Zeit, als Computer so groß waren wie ein Einfamilienhaus. Eindrucksvoll symbolisiert durch Hal 9000 aus Stanley Kubricks Meisterwerk „2001 –Odyssee im Weltraum“. Der Bordcomputer erklärt seine Allmacht am Ende des Films gegenüber dem letzten überlebenden Raumschiffpiloten eindeutig: „Dave, das Gespräch hat keinen Zweck mehr es führt zu nichts. Leb wohl!“ Um das gleich klarzustellen: Mit gestandenen Betriebsrät*innen der IG Metall könnte er nicht so umspringen!

Wir wollen es gar nicht so weit kommen lassen. Deshalb fordert die IG Metall eine Modernisierung und Runderneuerung des Betriebsverfassungsgesetzes. Es muss dringend zeitgemäß erneuert werden – auch und gerade für den Umgang mit KI! Fragen wie Beschäftigungssicherung, Arbeits- und Gesundheitsschutz, aber auch die berufliche Fortbildung oder die Personalauswahl werden sich auf eine ganz andere Weise stellen als bisher. Betriebsrät*innen müssen transparent informiert werden. Gerade bei Systemen mit selbstlernenden Algorithmen müssen sie für ihre Arbeit auch Fachleute hinzuziehen können, die komplexen Entwicklungen beurteilen können. Das ist auch im Arbeitgeberinteresse.

Weil die Konsequenzen aus dem KI-Einsatz so weitreichend sind, müssen Betriebsrät*innen künftig auch bei der strategischen Entwicklung in Betrieben und bei der – vorausschauend angelegten – Qualifizierung für neue Einsatzfelder ein echtes Mitbestimmungsrecht erhalten. Persönlichkeitsrechte, Datenschutz bzw. Anonymisierung von Daten – die Liste ließe sich nach lange fortführen, der Platz hier ist begrenzt. ChatGPT-4 – übernehmen Sie!