Selbstständigkeit

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts sind Globalisierung und Digitalisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeit entscheidende Treiber bei der Anpassung von Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen. Die sogenannte vierte industrielle Revolution verstärkt den zunehmend globalisierten Wettbewerb. Diese Entwicklung fördert und fordert neue innovative Formen der Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Unternehmen. Das setzt anpassungsfähige Rechtsbeziehungen zwischen den Akteuren des Wirtschafts- und Arbeitslebens voraus. Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit sind zentrale Bausteine dafür, im globalen und digitalen Wettbewerb auch künftig zu bestehen.

Neue Formen der Selbständigkeit
Die Gestaltungsanforderungen beschränken sich nicht auf das Arbeitsrecht. Die arbeitsteilige Zusammenarbeit in Unternehmen und Betrieben wird auch neue Formen von Selbständigkeit hervorbringen und bestehende Formen weiterentwickeln. Geschäftsbesorgungs-, Dienst- und Werkverträge werden sich (so wie sie dies in den vergangenen Jahren bereits getan haben) diesem Trend anschließen. Daher war es ein nachvollziehbarer Schritt, dass in der 18. Legislaturperiode erstmalig eine gesetzliche Definition des Arbeitsvertrags geschaffen worden ist, die mit dem zentralen Element der persönlichen Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers und daraus folgend seiner Eingliederung in die betrieblichen Strukturen seines Arbeitgebers, eine belastbare Grundlage für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung geschaffen wurde.
 
Spezialisierung und Aufgabenteilung stärken
Durch die zunehmende Digitalisierung der Wirtschafts- und Lebensbeziehungen werden Spezialisierung und Aufgabenteilung in den kommenden Jahren zunehmen. Sie ermöglichen es Unternehmen, Aufträge bedarfsgerecht, schnell und flexibel abzuarbeiten und so den Wünschen der Kunden zu entsprechen.
 
Die Entscheidung, bestimmte Dienstleistungen oder industrielle Teilkomponenten selbst zu erstellen oder aber durch Dritte erbringen zu lassen, ist Kernelement einer erfolgreichen Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure im Wirtschaftsgeschehen. Sie stärkt den Industriestandort Deutschland. Hochwertige, häufig auf kurzfristige Anforderungen zu erbringende Dienst- und Wirtschaftsleistungen sind heute und erst recht künftig nicht denkbar ohne die Möglichkeit, externe Berater und Fachleute hinzuzuziehen und in die eigenen Strukturen einzubetten.
 
Die Beauftragung Dritter schafft nicht nur für diese eine belastbare Grundlage des Erwerbseinkommens, sie sichert damit auch industrielle und in der Dienstleistung entstehende und bestehende Arbeitsplätze beim Auftraggeber. Spezialisierung und Aufgabenteilung bedeuten also kein „Nullsummenspiel“, sie fördern Arbeit und Beschäftigung beim Auftragnehmer und sichern Arbeit und Beschäftigung beim Auftraggeber. Alte und neue Formen selbständiger Dienstleistungserbringungen bleiben daher auch in Zukunft unerlässlich für den Erfolg Deutschlands als führende Industrienation in der Welt.
 
Gesetzlicher Kriterienkatalog schon mehrfach gescheitert
So ist die Zusammenarbeit von Arbeitnehmern unterschiedlicher Arbeitgeber kein Indiz für abhängige Beschäftigung. Selbstverständlich müssen – besonders bei größeren Projekten – Arbeiten aufeinander abgestimmt und auch miteinander kombiniert werden. Das gilt bereits in der klassischen Arbeitswelt, in der selbstverständlich der Fensterbauer beim Hausbau Türen und Fenster nur und erst dann einsetzen kann, wenn der Maurer den entsprechenden Abschnitt fertiggestellt hat. Derjenige, der die Fenster und Türen einrichten soll, muss sich also eng mit demjenigen abstimmen, der zuvor das Mauerwerk erstellen wird.
 
Das gilt überwiegend auch in der digitalen Arbeitswelt. Wer eine neue Software einspeisen will, muss einen Zeitpunkt abwarten, wo die Fließbänder für einen überschaubaren Zeitraum zum Stillstand kommen. Er ist darauf angewiesen, mit der Werksleitung zu kommunizieren, auf Wunsch der Werksleitung die Aktualisierung der Software vorzunehmen und Anpassungen der Programme auf einzelne Arbeitsabläufe sicher zu stellen.
 
Daher ist der Gesetzgeber klug beraten, die Gestaltung der entsprechenden Vertragsbeziehungen nicht bis ins Kleinste vorzugeben, sondern dies den Vertragsparteien zu überlassen. Gesetzgeberischer Aktionismus wäre nicht nur überflüssig, er würde Aufgabenteilung und Spezialisierung sogar behindern und damit neue Formen von Selbständigkeit in Frage stellen, ohne dass dafür ein Bedarf besteht.
 
Soziale Absicherung möglich und gestaltbar
Schon heute ist eine Absicherung in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung möglich. Um zu prüfen, ob Sozialversicherungspflicht besteht, kann ein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden.
 
Im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung besteht bereits heute eine Pflicht, sich zu versichern. Je nach Voraussetzungen sind Selbständige gesetzlich pflichtversichert oder können sich freiwillig gesetzlich versichern.
 
Im Bereich der Rentenversicherung erarbeitet die Rentenkommission derzeit Lösungswege, die eine Absicherung auch für Selbständige langfristig sicherstellen kann. Diese Entwicklungen im Sozialversicherungsrecht können die soziale Absicherung der Vertragsnehmer weiter stärken. Wenn die Rentenkommission entsprechende Vorschläge gemacht hat, ist zu prüfen, wie die Soziale Sicherung von Selbständigen weiter verbessert werden kann.