Mindestlohnkommission - wieder nach festgelegten gesetzlichen Kriterien und nicht nach politischen Werturteilen


BDA AGENDA 14/23 | THEMA DER WOCHE | 29. Juni 2023

Die Mindestlohnkommission war gehalten, weniger als ein Jahr seit der außerordentlichen Anhebung am 26. Juni 2023 erneut über die Höhe des Mindestlohns zu entscheiden. Der Mindestlohn wird zum 1. Januar 2024 zunächst auf 12,41 Euro steigen und zum 1. Januar 2025 auf 12,82 Euro brutto die Stunde. Die Vertreter der Arbeitgeberseite haben sich dafür eingesetzt, dass der Mindestlohn nach dem politischen Eingriff letztes Jahr nicht innerhalb kurzer Zeit erneut sprunghaft steigt und die geltenden Kriterien für die Anpassung befolgt werden. 

Mit ihrem letzten Beschluss hat die Mindestlohnkommission eine Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro beschlossen. Durch politischen Eingriff wurde der Mindestlohn im Oktober 2022 um 1,55 Euro auf 12,00 Euro angehoben, was einer Steigerung von 15 % entspricht. Trotz dessen war die Mindestlohnkommission gehalten weniger als ein Jahr seit dieser außerordentlichen Anhebung erneut über die Höhe des Mindestlohns zu entscheiden. Es war deshalb wichtig, dass die Mindestlohnkommission jetzt wieder zur bewährten Systematik zurückkehrt und die Anpassungsentscheidung wieder nach festgelegten gesetzlichen Kriterien erfolgt und nicht nach politischen Werturteilen.

Die Vertreter der Arbeitgeberseite in der Mindestlohnkommission haben sich dafür eingesetzt, dass der Mindestlohn nach dem politischen Eingriff letztes Jahr nicht innerhalb kurzer Zeit erneut sprunghaft steigt und die geltenden Kriterien für die Anpassung befolgt werden. Bei der Festsetzung des Mindestlohns muss sich die Kommission gemäß des Mindestlohngesetzes nachlaufend an der Tariflohnentwicklung orientieren. Die Kommission prüft außerdem im Rahmen einer Gesamtabwägung, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, um einerseits einen angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gewährleisten und andererseits, um Beschäftigung nicht zu gefährden sowie faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen. Die bisherigen Entscheidungen haben gezeigt, dass die Mindestlohnkommission ihre Aufgabe verantwortungsvoll umgesetzt hat.

Der politische Eingriff in den gesetzlichen Mindestlohn zum Oktober 2022 hat die Arbeit der Mindestlohnkommission dabei deutlich erschwert. Aus Sicht der Arbeitgeber hätte die derzeit bestehende Mindestlohnhöhe auch im Jahr 2024 weiter Bestand haben sollen. Dies entspräche dem Zeitraum von 2 Jahren, der gesetzlich für die Anpassung des Mindestlohns vorgegeben ist. Eine Orientierung an der Tariflohnentwicklung seit dem gesetzlichen Anpassungsschritt hätte einen Mindestlohnanstieg ab 1. Januar 2025 von rund 2 % bedeutet. Die entsprechende Erhöhung des Mindestlohns auf 12,25 € war in der Kommission nicht mehrheitsfähig.

Die Forderungen der Gewerkschaftsseite waren – getrieben durch die von Bundesarbeitsminister Heil geäußerten Erwartungen an die Kommission – unbegründet hoch und stützten sich im Wesentlichen auf Prognosen zur Preis- und Lohnentwicklung in den kommenden Jahren. Das war mit den gesetzlichen Anpassungskriterien und der Funktion des Mindestlohns nicht zu vereinbaren. Weit vorausgreifende Prognosen sind nicht nur mit großer Unsicherheit behaftet. Die laut Mindestlohngesetz nachlaufende Orientierung der Mindestlohnkommission soll zudem gerade verhindern, dass der Mindestlohn zum Treiber von Lohn- und Preisentwicklungen wird. Das ginge zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und gefährdet Beschäftigung. Hinzukommt, dass die Erhöhung des Mindestlohns im Jahr 2022 ein sattes Plus von 25 % bedeutet und damit die bisherige Inflationsentwicklung ­– neben den staatlichen Hilfspaketen zur Abfederung der Inflation – mehr als kompensiert hat.

Im Ergebnis lagen die Vorstellungen in der Mindestlohnkommission für eine einvernehmliche Entscheidung auch nach langwierigen und intensiven Verhandlungen zu weit auseinander für eine einvernehmliche Entscheidung. Die Vorsitzende der Mindestlohnkommission hat daher einen Vermittlungsvorschlag vorgelegt, der im Rahmen einer Gesamtabwägung auch die Tarifentwicklung in einem erweiterten Betrachtungszeitrum seit der letzten regulären Anpassungsentscheidung der Mindestlohnkommission berücksichtigte. Um ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung in der Kommission nachzukommen, hat die Arbeitgeberseite letztlich diesem Vorschlag der Vorsitzenden zugestimmt.