Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verstehen ein diskriminierungsfreies Umfeld als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der es um die innere Haltung geht. Der bestehende EU-Rechtsrahmen sorgt europaweit für einen hohen Diskriminierungsschutz durch seine zahlreichen Rechtsvorschriften. Doch gesetzliche Regelungen sind nicht alles und sehr häufig adressieren sie nicht die Ursachen bestehender Ungleichheiten wie etwa das unterschiedliche Berufswahl- und Erwerbsverhalten von Männern und Frauen. Die Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Aufklärung und Sensibilisierung sind zentral für die Überwindung tradierter Geschlechterrollen. Hier sind wir alle gefragt. Der Ausbau bedarfsgerechter Kinderbetreuung, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Abbau von Geschlechterstereotypen bei der Studien- und Berufswahl sowie die gezielte Förderung von Frauen im MINT-Bereich sind alles Voraussetzungen für die gleichberechtige Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt.
Nur wenn die Ursachen für Geschlechterunterschiede am Arbeitsmarkt angegangen werden, können Entgelt- und Rentenunterschiede nachhaltig reduziert werden und die vorhandenen Arbeitskräftepotenziale für Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Europa ausgeschöpft werden. Angesichts des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung können wir es uns als Gesellschaft nicht leisten, Potenziale ungenutzt zu lassen. Frauen am Arbeitsmarkt zu stärken ist daher eine zentrale Aufgabe, die es weiterhin gemeinsam anzugehen gilt. Gefragt ist nicht nur die Politik, die die richtigen Rahmenbedingungen schaffen muss, sondern sind letztlich alle – einschließlich der Arbeitgeber –, damit eine gesellschaftliche Entwicklung stattfinden kann, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt stärkt.
Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020 – 2025 der EU-Kommission
Den Rahmen für die Arbeit der EU-Kommission auf dem Gebiet der Gleichstellung der Geschlechter bildet die Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020 - 2025. Sie umfasst sowohl ein „Gender Mainstreaming“ als auch gezielte Maßnahmen zur Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter, wie etwa die Förderung der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen und die Gewährleistung gleicher Chancen auf dem Arbeitsmarkt, einschließlich des gleichen Entgelts, die Möglichkeit für Frauen und Männer umfassend an Wirtschaft und Politik teilzuhaben und Führungspositionen einzunehmen sowie die Beendigung geschlechterbezogener Gewalt.
Richtlinienvorschlag zur Lohntransparenz
Im März 2021 hat die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Lohntransparenz vorgelegt, der zahlreiche – leider zum Teil auch äußerst kritische Maßnahmen – enthält. Vom Geltungsbereich der Richtlinie sollen alle Arbeitgeber erfasst werden, ohne Ausnahmen für KMU. Auch für tarifgebundene und/oder tarifanwendende Unternehmen sind keine Ausnahmen vorgesehen. Eingeführt werden soll ein individueller Auskunftsanspruch. Zudem werden Arbeitgeber mit mehr als 100 Beschäftigten jährliche Berichtspflichten vorgeschrieben. Schon Bewerbende sollen Informationen zum betrieblichen Gehaltsniveau erhalten. Zugleich soll es Arbeitgebern grundsätzlich nicht gestattet sein, künftige Arbeitnehmer nach ihrer früheren Vergütung zu fragen. Des Weiteren sind Entschädigungsrechte, eine Beweislastumkehr und Sanktionen zur Durchsetzung vorgesehen. Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten drei Jahre Zeit, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen.
Richtlinie zur Frauenquote
Nach zehn Jahren Verhandlungsdauer konnte in den Verhandlungen der EU-Institutionen eine politische Einigung zu dem Richtlinienvorschlag zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften erzielt werden: Börsennotierte Unternehmen müssen bis 2026 mindestens 40 % ihrer nicht-geschäftsführenden Direktorenposten mit Vertretern des unterrepräsentierten Geschlechts besetzen. Mitgliedstaaten können sowohl geschäftsführende als auch nicht geschäftsführende Direktoren und Direktorinnen aufnehmen. Hier müssen sie bis 2026 als Zielgröße 33 % erreichen. Bereits bestehenden nationalen Quotenregelungen wird jedoch Vorrang eingeräumt: Sie werden von der Pflicht zur Umsetzung der vorgesehenen Verfahren ausgenommen – so auch Deutschland.
Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
Die Vereinbarkeitsrichtlinie vom 20. Juni 2019 ist in Deutschland durch das Umsetzungsgesetz in Kraft getreten. Mit der Richtlinie sollen neue Rechte geschaffen werden – wie die Einführung eines vergüteten Vaterschaftsurlaubs, eines viermonatigen Elternurlaubs, von dem zwei Monate vergütet werden, eines Anspruchs auf flexible Arbeitszeitregelungen und Flexibilität in Bezug auf die Arbeitsstätte sowie eines Pflegeurlaubs. Es soll den Mitgliedstaaten möglich sein, von der Einführung neuer Urlaubsformen Abstand zu nehmen, sofern die oben genannten Urlaubsformen auf nationaler Ebene durch bereits existierende Urlaubsformen im Sinne der Richtlinie abgedeckt werden.
Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
Die Europäische Kommission hat im März 2022 einen Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung geschlechtsbezogener Gewalt vorgelegt. Die Kommission geht bei ihrer Argumentation von der Analyse aus, dass Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in der gesamten EU weit verbreitet sind. Auch am Arbeitsplatz seien Frauen mit Gewalt konfrontiert: Etwa ein Drittel der Frauen in der EU, die sexuelle Belästigung erfahren haben, seien davon am Arbeitsplatz betroffen. Zentral für uns Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist die Unterstützung für Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – etwa durch externe Beratungsstellen, präventive Maßnahmen, transparente Informationen über Rechte und Beratungsoptionen sowie die Schulung von Aufsichtspersonen am Arbeitsplatz. Beschäftigte vor sexueller Belästigung zu schützen, ist für uns Arbeitgeber unabdingbar. Die europäischen Sozialpartner haben sich bereits 2007 auf die „Europäische Rahmenvereinbarung zu Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz“ geeinigt. Die Vereinbarung wird von den einzelstaatlichen Sozialpartnerorganisationen nach den jeweiligen Verfahren und Gepflogenheiten der Sozialpartner und der Mitgliedstaaten durchgeführt. Sie trägt dazu bei, Mobbing, sexuelle Belästigung und physische Gewalt am Arbeitsplatz zu verhindern und gegen eventuelle Problemfälle vorzugehen.
Gleichbehandlungsrichtlinie
Die EU-Kommission hat bereits im Juli 2008 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung vorgelegt. Der Vorschlag soll den bestehenden gemeinschaftlichen Rechtsrahmen ergänzen, in dem das Diskriminierungsverbot aus den genannten Gründen derzeit lediglich in Beschäftigung, Beruf und Berufsausbildung Anwendung findet. Bis heute hat der Rat sich auf keine gemeinsame Position zum Richtlinienvorschlag verständigen können. Mehrfach kam der Rat zu dem Ergebnis, dass es weiterer fachlicher und politischer Beratungen bedürfe, bevor die erforderliche Einstimmigkeit zur Annahme des Richtlinienentwurfes erreicht werden könne. Ein diskriminierungsfreies Arbeitsklima liegt im Interesse aller.
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