Viele – vor allem größere – deutsche Unternehmen haben in den letzten Jahren eigene CSR-/Nachhaltigkeitsabteilungen eingerichtet. So arbeiten insbesondere bei großen Unternehmen immer mehr Mitarbeiter direkt im Bereich CSR/Nachhaltigkeit. Aber auch viele kleine und mittlere Unternehmen haben in den letzten Jahren Maßnahmen im Bereich CSR ergriffen. Im Rahmen ihrer CSR-/Nachhaltigkeitsstrategie haben viele Unternehmen auch konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen getroffen.
Gesellschaftliches Engagement ist fester Bestandteil der gewachsenen deutschen Unternehmenskultur. Deutsche Unternehmen engagieren sich allein im sozialen Bereich jährlich mit 11,2 Mrd. €. Darüber hinaus bestehen eine Vielzahl von Initiativen auf internationaler und nationaler Ebene, um die Ideen von CSR und Nachhaltigkeit zu fördern, wie beispielsweise der UN Global Compact Netzwerk und Deutsches Global Compact Netzwerk, das Bündnis für nachhaltige Textilien, Together for Sustainability (TfS), Chemie³, Bettercoal usw..
Im Februar 2022 hat die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag über die Nachhaltigkeit von Unternehmen veröffentlicht. Dadurch sollen bestimmten Unternehmen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union verschiedene Sorgfaltspflichten sowie eine zivilrechtliche Haftung in Bezug auf die Verletzung einer Vielzahl von internationalen Abkommen entlang ihrer Wertschöpfungskette auferlegt werden.
Der Richtlinienvorschlag der Kommission ist jedoch keine Hilfe, um das bestehende Engagement deutscher Unternehmen weiter auszubauen. Durch die dort aufgestellten unklaren Sorgfaltspflichten, die daraus folgende unverhältnismäßige Bürokratie mitsamt den Berichtspflichten sowie einer unkalkulierbaren Haftung, würden die meisten deutschen Unternehmen schlichtweg überfordern. Dabei überschätzt der Richtlinienentwurf die tatsächlichen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Unternehmen und macht sie für Umstände haftbar, die von ihnen weder zu vertreten noch beeinflussbar sind. Zwar werden kleinere Unternehmen auf den ersten Blick vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, jedoch werden sie als Teil der Wertschöpfungsketten größerer Unternehmen in vielerlei Hinsicht stark betroffen sein.
Viele große deutsche Unternehmen haben direkte Zulieferer (tier-1) im hohen fünfstelligen Bereich. Einige Konzerne haben über 100.000 direkte Zulieferer. Die davorliegenden Zulieferstufen können Millionen von Unternehmen erfassen. Deutschland importierte im Jahr 2018 Waren aus dem Ausland im Wert von 1.089,8 Mrd. Euro, pro Tag ca. 3 Mrd. Euro.
Um haftungsrechtliche Risiken zu minimieren, würden Unternehmen gezwungen sein, Lieferketten zu verkürzen und sich aus Regionen mit problematischer Menschenrechtslage zurückziehen und Geschäftstätigkeiten einzustellen („cut and run“ statt des erforderlichen „stay and improve“). Der globale Handel würde beschädigt und viele Beschäftige in Entwicklungs- und Schwellenländern ihre Arbeitsstelle verlieren und KMUs aus diesen Ländern der Zugang zu globalen Lieferketten versperrt werden (vgl. Studie Ökonomische Bewertung eines Lieferkettengesetzes, Institut für Weltwirtschaft Kiel).
Dabei muss beachtet werden, dass fast 2 von 3 Arbeitnehmern (62%) weltweit sind im informellen Sektor tätig sind. Zu den international anerkannten Menschenrechten gehören auch die Prinzipien hinsichtlich der grundlegenden Rechte in den 8 ILO-Kernarbeitsnormen. Von 187 ILO-Staaten haben 41 nicht alle 8 ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert, darunter wichtigen Industrienationen.
Die Einführung einer unrealistischen Lieferkettenhaftung würde auch die Bemühungen der Bundesregierung selbst konterkarieren, Unternehmen für ein Engagement und Investitionen in Afrika zu gewinnen. Ein solches Engagement ist den Unternehmen nicht möglich, wenn sie dabei unkalkulierbare Rechtsrisiken auf sich nehmen müssen. Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft e.V. führt aus (PM, 26. März 2019): „Eine rigide gesetzliche Regelung für menschenrechtliche Sorgfalt kann zu einem Rückzug deutscher Unternehmen aus den heraufordernden Märkten auf dem afrikanischen Kontinent führen und gefährdet Investitionen und die Geschäftstätigkeit in afrikanischen Ländern.“ Wichtig sind positive Maßnahmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern vor Ort, da über globale Lieferketten 80% der Arbeitnehmer gar nicht erreicht werden.