Stephan Stracke MdB, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU Bundestagsfraktion: Die Politik der Ampel in der Rentenpolitik


BDA AGENDA 4/22 | KOMMENTAR DER WOCHE | 24. Februar 2022

Stephan Stracke MdB, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

„Mehr Fortschritt wagen“ will das Ampelbündnis mit seinem Koalitionsvertrag. Kernbegriffe sind dabei Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Das sind schillernde Begrifflichkeiten, die der Übersetzung in praktische Politik bedürfen. Bezogen auf die sozialen Sicherungssysteme in unserem Land ist der demografische Wandel sicherlich einer der größten Herausforderungen. Kluge Sozialpolitik braucht langfristiges Denken. Langfristig sind Nachhaltigkeit in der Finanzierung, eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Lasten zwischen den Generationen und Ausnahmen dort, wo Überforderungen für den Einzelnen drohen. Wenn man vor diesem Hintergrund die Vorhaben der Ampelkoalition beleuchtet, so muss ich feststellen: Mehr Rückschritt als Fortschritt.

Bestes Beispiel hierfür ist die Rentenpolitik der Ampel. Diese ist weder generationengerecht noch finanziell nachhaltig. Durch grundlegende Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung in den letzten Jahrzehnten wurde diese auf einen bislang stabilen Pfad gebracht. Zentral ist dabei der unter Rot-Grün 2005 eingeführte Nachhaltigkeitsfaktor. Dieser sorgt dafür, dass die demografische Last annähernd gleichmäßig zwischen der älteren und der jüngeren Generation aufgeteilt wird. Dieser Baustein soll nun durch die dauerhafte Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent herausgebrochen werden. Damit verschiebt die Ampelkoalition die Lasten des demografischen Wandels einseitig auf die jüngere Generation. Sie wird zukünftig mit stetig ansteigenden Beitragslasten zu kämpfen haben, während die Rentnergeneration dauerhaft von den Folgen des demografischen Wandels verschont werden soll. Ins Bild passt, dass die Ampel nur für diese Wahlperiode die Beitragsentwicklung im Blick hat. Für die Zeit danach hat sie keine Pläne. So bleibt Verlässlichkeit im Generationenvertrag auf der Strecke.

Auch der von der Ampelkoalition beabsichtigte Einstieg in die teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung verspricht keine Nachhaltigkeit in der Finanzierung. Aus Steuermitteln soll ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro aufgebaut werden. Zum Vergleich: Allein die Ausgabensteigerung zwischen 2021 und 2022 beträgt 15 Milliarden Euro. Die jährlichen Gesamtausgaben der Rentenversicherung belaufen sich auf aktuell 342 Milliarden Euro. Im Klartext: Die Rentenversicherung erhält aus Steuermitteln Reserven in Höhe von rund 10 Tagesausgaben. Das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es ist einfach unseriös, hier von einer „langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz“ zu sprechen, wie es die Koalition macht.

Auffallend ist, dass die Ampel kein klares Bekenntnis zur Stabilität der Sozialversicherungsbeiträge abgegeben hat. Steigende Beiträge gefährden aber Arbeitsplätze und belasten gerade die Bezieher kleinerer Einkommen. Deshalb haben wir uns in der letzten Wahlperiode als Große Koalition mit der "Sozialgarantie 2021" verpflichtet, die Sozialbeiträge stabil bei höchstens 40 Prozent zu halten. Eine solche Ambition lässt die jetzige Koalition gänzlich vermissen. Das schwächt das notwendige Vertrauen in den Sozialstaat.