Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung

Starke Marktwirtschaft – starkes Land


 
BDA AGENDA 23/22 | Kommentar der Woche | 24. November 2022

 

Leistungsgerechtigkeit und eine subsidiäre Sozialpolitik setzen Anreize für Unternehmen und Bürger, Krisen zu überwinden und das Land fitzuhalten für den globalen Wettbewerb der Wirtschaftssysteme.

Inzwischen ist unübersehbar, dass der globale Wettbewerb der Wirtschaftssysteme wieder voll entbrannt ist, und auch das Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft wird sich in diesem Wettbewerb beweisen müssen. Besorgt sehen wir, dass der staatliche Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft in vielen Ländern zunimmt. Allen voran in China, das den zwischenzeitlich eingeschlagenen marktwirtschaftlichen Kurs verlassen hat und nun die Wirtschaft autokratisch zu steuern versucht. In der Europäischen Union wie auch in Deutschland selbst erleben wir, dass viele Lebensbereiche durch staatliche Vorgaben so reglementiert werden, dass die Freiheit der Bürger stark beschränkt wird und Marktkräfte zum Erliegen kommen. Hat der Staat sich erst mal breit gemacht, ist er wie eine wuchernde Pflanze nur mühsam zurückzudrängen — und auch ein Staat mit einer starken Wirtschaft wird früher oder später mit den ihm übertragenen Aufgaben überfordert sein.

Die Geschichte lehrt, dass sich Wirtschaftskrisen am besten mit marktwirtschaftlichen Instrumenten beseitigen lassen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist der als „Wirtschaftswunder“ bezeichnete Erfolg der Reformen durch Ludwig Erhard im Jahr 1948, deren Kernstück die Freigabe der Preise war. Der Preis als Knappheitsanzeiger setzt die richtigen Anreize, knappe Ressourcen in die effizienteste Verwendung zu lenken. Dazu braucht es in ihrer Entscheidung freie und zur Übernahme von Risiken bereite Unternehmer.

Vor diesem Hintergrund sind die Pläne der EU-Kommission befremdlich, im Krisenfall in unternehmerische Produktionsentscheidungen bei „krisenrelevanten Gütern“ eingreifen zu können. Das läuft dem Verständnis vom freien Unternehmertum zuwider und macht Unternehmer zu staatlichen Befehlsempfängern. Auch die Pläne zu einer sogenannten „Übergewinnsteuer“ sind Gift für den Wettbewerb: Der Gewinn in seiner Funktion als der „Lohn des Unternehmers“ reizt ja gerade zu besonderen Leistungen und kreativen Anstrengungen, die Knappheit eines bestimmten Gutes zum Wohle der Allgemeinheit auf die schnellste und effizienteste Weise zu beseitigen.

In diesem Sinne ist die Herstellung von Leistungsgerechtigkeit ein zentrales Ziel der Sozialen Marktwirtschaft, und das Subsidiaritätsprinzip muss auch in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik weiterhin Leitlinie sein. Der höheren Leistung muss ein höherer Nutzen gegenüberstehen, und zugleich ist selbstverständlich, dass dem Schwachen – sofern er das ihm Mögliche beiträgt – Anspruch auf die solidarische Hilfe der Allgemeinheit hat. Konkret bedeutet das: Die Gewährung von Sozialleistungen ohne Prüfung der Bedürftigkeit – beispielsweise in Form eines sog. Bürgergelds – zerstört Leistungsanreize. Das gilt auch, wenn ein Hinzuverdienst zu stark auf die Hilfsleistung angerechnet wird. In beiden Fällen droht das Nicht-Arbeiten gegenüber dem Arbeiten attraktiver zu sein, was das Gegenteil von wünschenswert ist, da die Wirtschaft gelähmt und das Land geschwächt wird.