Teuerstes Sozialgesetz dieses Jahrhunderts wird Beitragsbelastung weiter nach oben katapultieren
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung (Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz – Rentenpaket II)
10. Oktober 2024
Zusammenfassung
Das geplante Rentenpaket II wäre das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts. Bereits 2035 lägen die zusätzlichen Rentenausgaben um rund 30 Mrd. € höher als nach geltendem Recht. In den nächsten 20 Jahren käme es zu Mehrausgaben von einer halben Billion Euro. Es wäre zukunftsvergessen, trotz des bevorstehenden gewaltigen Alterungsschubs und der ohnehin hohen und weiterwachsenden Sozialbeitragsbelastung eine solche Mehrbelastung zu schaffen. Die Beitragssätze würden dadurch künftig noch schneller und noch stärker steigen. Das Rentenpaket II nimmt einseitig Partei für die Rentenbezieher. Ihnen wird das Rentenniveau garantiert, während der Beitragssatz künftig unbegrenzt steigen kann. Nachdem die Koalition bereits eine Anhebung des Rentenalters ausgeschlossen hat, gehen damit künftig alle Lasten aus der Alterung auf Kosten der Beitragszahler. Richtig wäre jedoch, die demografisch bedingten Lasten fair zwischen den Generationen aufzuteilen. Das Konzept des Generationenkapitals ist zwar nachvollziehbar. Aus den erwarteten Ausschüttungen lassen sich aber nur rund ein Prozent der Rentenausgaben bestreiten. Zudem liegen die Mehrausgaben durch das Rentenpaket II um ein Vielfaches höher als die erwarteten Erträge aus dem Generationenkapital. Die geplante Vereinfachung der Bundeszuschüsse darf nicht zu einer versteckten weiteren Kürzung der Bundeszuschüsse missbraucht werden. Nach dem Entwurf würden die Bundeszuschüsse jedoch bereits bis 2027 um knapp 1 Mrd. € niedriger ausfallen, was im Wesentlichen von den Beitragszahlern aufgefangen werden müsste. Die geplante Anhebung der Mindesthöhe der Nachhaltigkeitsrücklage ist ein richtiger Schritt, damit die Rentenversicherung auch künftig die Renten stets aus eigenen Mitteln leisten kann. Allerdings dürfen die dafür erforderlichen Mittel nicht allein den Beitragszahlern aufgebürdet werden, sondern sollten entsprechend den geltenden Finanzierungsregelungen anteilig auch über die Bundeszuschüsse finanziert werden. Die Anhebung der Mindestrücklage sollte zudem dadurch flankiert werden, dass die Bundeszuschüsse künftig bereits bis zum November eines Jahres an die Rentenversicherung ausgezahlt werden. Dies würde die Liquidität der Rentenversicherung weiter stärken und den Bundeshaushalt nicht belasten.
Im Einzelnen
I. Zur geplanten Fortschreibung eines Mindestrentenniveaus von 48 Prozent:
Rentenpaket II wäre teuerstes Sozialgesetz dieses Jahrhunderts
Die vorgelegten Rentenpläne sind teuer, ungerecht und kurzsichtig: Sie bedeuten milliardenschwere Zusatzbelastungen für die Beitragszahler und erschweren die langfristige Finanzierbarkeit der Rentenversicherung. Allein im Jahr 2040 würden die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen zu Mehrausgaben von rund 40 Mrd. € führen. In den nächsten 20 Jahren lägen die Mehrausgaben bei einer halben Billion Euro. Das Rentenpaket II wäre damit das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts. Es ist zukunftsvergessen, jetzt eine solche Sozialausgabenausweitung auf den Weg zu bringen, obwohl Deutschland unmittelbar vor dem kräftigsten Alterungsschub seiner Geschichte steht. In den nächsten Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge vom Arbeitsleben in den Ruhestand wechseln, damit als Beitragszahler ausfallen und zu Leistungsbeziehern werden. Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung stellt dies vor große Schwierigkeiten, weil damit auf jeden Rentenbeziehenden immer weniger potenzielle Beitragszahlende kommen. Auf diesen fortschreitenden demografischen Umbruch müssen unsere Alterssicherungssysteme vorbereitet werden. Hierfür gilt es, die nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sicherzustellen. Der vorgelegte Gesetzentwurf verschärft jedoch die Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung, statt sie zu lösen oder zumindest zu mildern. Beitragszahler und der Bund würden finanziell überfordert Die zusätzlichen Rentenausgaben würden zu einer finanziellen Überforderung der Beitragszahler führen, weil ihre Gesamtbelastung durch Sozialbeiträge dadurch bis Ende des kommenden Jahrzehnts auf rund 50 % steigen würde. Dabei werden Löhne und Gehälter schon heute stärker mit Sozialabgaben und Steuern belastet als in fast allen anderen OECD-Ländern. Schleierhaft ist darüber hinaus, wie der Bund die wachsenden Finanzierungslasten für den Bundeszuschuss tragen will. Laut dem letzten Rentenversicherungsbericht 2023 steigen bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts die Bundeszuschüsse bis 2035 um über die Hälfte auf 137 Mrd. € an. Mit dem Rentenpaket II müsste der Bund nach dem Entwurf noch einmal zusätzlich 7,2 Mrd. € aufbringen. Woher diese zusätzlich genommen werden sollen, bleibt völlig offen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Bund aufgrund seiner Haushaltsnöte in dieser Legislaturperiode bereits dreimal die Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung gekürzt hat und mit diesem Entwurf und dem Haushaltsbegleitgesetz 2025 gerade den vierten und fünften Versuch unternimmt (siehe III.), sind ernsthafte Zweifel berechtigt, ob der Bund künftig in der Lage sein wird, sogar viele Milliarden Euro mehr für die Rentenversicherung aufzubringen.
Demografische Lasten fair zwischen den Generationen verteilen
Der Gesetzentwurf ergreift einseitig Partei für die Rentenbeziehenden. Ihr Rentenniveau wird garantiert, während der Beitragssatz künftig unbegrenzt steigen kann. Damit wird der jahrelang im deutschen Rentensystem bestehende Konsens aufgekündigt, dass die demografischen Lasten aus der Alterung fair zwischen den Generationen aufgeteilt werden müssen. Genau zu diesem Zweck hatte die rot-grüne Regierungskoalition 2004 aufgrund einer Empfehlung der Rentenkommission für nachhaltige Finanzierung in der Sozialversicherung den Nachhaltigkeitsfaktor in die Rentenanpassungsformel aufgenommen. Durch den Nachhaltigkeitsfaktor werden Veränderungen im Zahlenverhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehenden bei der jährlichen Rentenanpassung berücksichtigt. Diesen Selbststabilisierungsmechanismus nunmehr dauerhaft auszusetzen bedeutet, die langfristige Finanzierbarkeit der Rentenversicherung zu gefährden und einseitig die Beitragszahlenden zu belasten. Richtig wäre daher, den Nachhaltigkeitsfaktor zu erhalten.
Auch mit dem Nachhaltigkeitsfaktor würden die Renten voraussichtlich weiter an Kaufkraft gewinnen
Auch bei Beibehaltung des Nachhaltigkeitsfaktors könnten die Rentenbeziehenden weiter mit Wohlstandsgewinnen rechnen. Die Renten würden künftig nach dem letzten Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung jährlich um 2,6 % steigen und damit stärker als die von der Europäischen Zentralbank angestrebte und seit Einführung des Euro auch erreichte Zielmarke einer mittleren Preissteigerungsrate von 2 %. Die Renten würden also auch bei Fortgeltung des Nachhaltigkeitsfaktors voraussichtlich weiter kaufkraftbereinigt an Wert gewinnen.
Nicht mehr die Rentner selbst, sondern die Beitragszahler zur Rentenversicherung müssten künftig für höhere Pflegebeiträge für Rentner aufkommen
Bislang müssen die Rentner für ihre Pflegebeiträge allein aufkommen, d. h. es gibt für die Pflegebeiträge – anders als bei der Krankenversicherung – keinen Zuschuss durch die Rentenversicherung. Diese Regelung gilt nicht zuletzt deshalb, weil die heutigen Rentner regelmäßig nicht von Beginn ihres Erwerbslebens an Beiträge zur Pflegeversicherung geleistet haben.
Mit der geplanten Bindung der jährlichen Rentenanpassung an das Rentenniveau würde sich dies jedoch ändern. Bei künftigen Beitragssatzsteigerungen der Pflegeversicherung müssten im Ergebnis die Beitragszahler der Rentenversicherung für die höheren Pflegebeiträge der Rentner aufkommen. Dies liegt daran, dass bei steigenden Pflegebeitragssätzen die jährliche Rentenanpassung höher ausfallen muss, um ein Absinken des Rentenniveaus zu vermeiden. Auch insoweit verstößt der Gesetzentwurf gegen den Grundsatz der Generationengerechtigkeit, weil damit einseitig die Beitragszahler der Rentenversicherung bei höheren Pflegebeitragssätzen belastet würden.
II. Zum geplanten Generationenkapital
Generationenkapital bringt keine Kapitaldeckung
Anders als im Entwurf behauptet, sorgt das geplante Generationenkapital keineswegs für den „Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung“. Kapitaldeckung bedeutet die Bildung von Deckungskapital, aus dem künftige Ansprüche finanziert werden können. Beim „Generationenkapital“ gibt es aber gar kein Deckungskapital, aus dem künftige Ansprüche finanziert werden können. Das „Generationenkapital“ ist vielmehr lediglich der Name der nach dem Entwurf des Generationenkapitalgesetzes zu bildenden Stiftung (§ 1 Abs. 1 GenKapG-E), die vom Bund Darlehen erhalten soll (§ 5 Abs. 3 GenKapG-E), um damit Erträge zur Finanzierung der Rentenversicherung zu erwirtschaften (§ 1 Abs. 2 GenKapG-E). Die aus dem Darlehen resultierenden Mittel der Stiftung stehen dagegen gar nicht zur Finanzierung von Leistungen zur Verfügung. Ein Deckungskapital, wie es bei Einrichtungen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge vorhanden ist, um die künftigen Ansprüche finanzieren zu können, fehlt beim „Generationenkapital“.
Generationenkapital ändert nahezu nichts an den Finanzierungsgrundlagen der Rentenversicherung
Das Generationenkapital würde kaum etwas an den Finanzierungsgrundlagen der Rentenversicherung ändern. Nach dem Gesetzentwurf würden z. B. im Jahr 2045 von den erwarteten Rentenausgaben in Höhe von 802 Mrd. € lediglich 10 Mrd. € (entspricht 1,2 %) durch Ausschüttungen aus dem Generationenkapital finanziert. Mit anderen Worten 99 % der Rentenversicherung müssten auch langfristig weiter umlagefinanziert aus laufenden Beitrags- und Steuereinnahmen finanziert werden. Der Gesetzentwurf erwartet daher vom Generationen-kapital auch nur eine Beitragssatzentlastung im unteren Promillebereich.
Zusätzliche Ausgaben durch das Rentenpaket II liegen vielfach höher als die zu erwartenden Ausschüttungen aus dem Generationenkapital
Die zusätzlichen Ausgaben durch die im Entwurf vorgesehenen zusätzlichen Leistungen liegen um ein Mehrfaches über den erwarteten Ausschüttungen aus dem Generationenkapital. Von den geplanten Mehrausgaben in Höhe von rund 40 Mrd. € im Jahr 2040 würden gerade einmal 10 Mrd. € und damit lediglich ein Viertel durch das Generationenkapital finanziert. Das Rentenpaket erschwert damit die langfristige Finanzierung der Rentenversicherung.
Erwarteter Finanzierungsbeitrag durch das Generationenkapital ist alles andere als sicher
Es ist keineswegs sicher, dass das geplante Generationenkapital tatsächlich für die erwarteten Beiträge zur Finanzierung der Rentenversicherung sorgen wird. Insbesondere folgende Risiken bestehen:
- Die künftigen Zuführungen zum Generationenkapital können jederzeit durch eine gesetzliche Änderung gestoppt werden. Das zeigt das Beispiel des Pflegevorsorgefonds, dessen Zuführungen die Ampelkoalition im vergangenen Jahr gekappt hat, um stattdessen die Mittel für höhere Pflegeleistungen zu verwenden.
- Der im Entwurf definierte Zweck der Stiftung Generationenkapital (§ 1 Abs. 2 GenKapG-E) kann jederzeit durch einfache gesetzliche Regelung per Gesetz geändert werden.
- Ein weiteres Risiko liegt im Kapitalmarkt. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der kurzen Ansparzeit bis zur ersten geplanten Ausschüttung aus dem Generationenkapital im Jahr 2036. Von den bis dahin vorgesehenen Zuführungen an das Generationenkapital sollen immerhin mehr als die Hälfte erst in den 30er-Jahren erfolgen. Damit beträgt die durchschnittliche Anlagedauer bis zur ersten Ausschüttung aus dem Generationenkapital nur wenige Jahre. Auf kurze und mittlere Sicht sind die Risiken bei einer renditeorientierten, aktienbasierten Anlage jedoch erheblich.
Damit besteht die Gefahr, dass die Beitragszahler zur Rentenversicherung in noch größerem Umfang als ohnehin die Kosten der Mehrausgaben für das höhere Rentenniveau werden schultern müssen.
Vor dem Hintergrund, dass die Beitragszahler der Rentenversicherung finanziell dafür werden einstehen müssen, wenn die Stiftung „Generationenkapital“ nicht die erwarteten Erträge an die Rentenversicherung leisten kann, sollten sie – vertreten durch die Deutsche Rentenversicherung Bund als die von ihnen verwaltete Spitzenorganisation der Rentenversicherung – zumindest ein Mitglied des Kuratoriums der Stiftung „Generationenkapital“ bestellen können (§ 3 GenKapG-E). Damit könnten die Beitragszahler darauf achten, dass die Erträge aus der Stiftung ausschließlich ihrem Zweck entsprechend, den Beitragssatz zur Beitragssatzstabilisierung in der Rentenversicherung zu stabilisieren, eingesetzt werden.
III. Zur geplanten Neuordnung der Zuschüsse des Bundes
Geplante Vereinfachung nicht zu versteckter weiterer Kürzung der Bundeszuschüsse missbrauchen
Die geplante Vereinfachung der Bundeszuschüsse darf nicht zu einer versteckten weiteren Kürzung der Bundeszuschüsse missbraucht werden. Die vorgesehenen Änderungen laufen aber darauf hinaus. Der Entwurf räumt offen ein, dass die Bundeszuschüsse „etwas geringer“ ausfallen als im Bundeshaushalt 2024 vorgesehen (S. 28). Dies ließe sich jedoch vermeiden, wenn die Neuordnung der Bundeszuschüsse – anders als vorgesehen und im Unterschied zu allen anderen Regelungen des Gesetzentwurfs – nicht rückwirkend in Kraft tritt, sondern der für 2024 bereits im Haushaltsplan vorgesehene Betrag als Grundlage für die künftige Fortschreibung genommen wird.
Ausgehend von der verringerten Höhe der Zuschüsse des Bundes im laufenden Jahr ergäben sich nach dem Entwurf auch in den Folgejahren Entlastungen für den Bund, die sich nach den Angaben im Entwurf bis 2027 auf 0,8 Mrd. € summieren. Für diese Entlastung des Bundes müssten zum größten Teil die Beitragszahler einstehen.
Die jetzt geplante weitere Kürzung der Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung wäre bereits die vierte in dieser Legislaturperiode, nachdem die Bundeszuschüsse bereits mit dem Rentenpaket I um 2 Mrd. € und mit dem 1. und 2. Haushaltsfinanzierungsgesetz jeweils um weitere je 2,4 Mrd. € gekürzt worden sind. Zudem soll mit dem geplanten Haushaltsbegleitgesetz 2025 noch eine weitere Kürzung des Bundeszuschusses für die Jahre 2025 bis 2027 um 2 Mrd. € folgen. Im Ergebnis würden damit in dieser Legislaturperiode die Bundeszuschüsse durch fünf Ampelgesetze um knapp 10 Mrd. € gekürzt.
Vom Bundesrechnungshof geforderte „Entrümpelung“ wird nur bedingt erreicht
Die Vereinfachung der Bundeszuschüsse greift zu kurz. Der Kritik des Bundesrechnungshofs an der Ausgestaltung der Bundeszuschüsse wird nur teilweise Rechnung getragen. Er hatte in seinen Prüfbemerkungen 2021 kritisiert: „Die Vorschriften zu den Bundeszuschüssen an die gesetzliche Rentenversicherung sind veraltet, unnötig kompliziert, intransparent und teilweise sogar irreführend bis unsinnig. Manche hat das BMAS nie angewendet.“ Er forderte das BMAS auf, die Regelungen zu den Bundeszuschüssen umgehend zu überarbeiten und zu vereinfachen und die drei Bundeszuschüsse zu einem zusammenzufassen.
Diesem Anliegen kommt der vorliegende Entwurf nur halbherzig nach:
- In begrenztem Umfang wird eine Vereinfachung erreicht, z. B. durch redaktionelle Bereinigungen, durch eine aktualisierte Bestimmung der Ausgangswerte für die Fortschreibungen sowie durch Streichung der ohnehin mit den Bundeszuschüssen verrechneten Erstattung von Aufwendungen nach dem Fremdrentenrecht.
- Andererseits bleibt es bei drei verschiedenen Bundeszuschüssen, für die jeweils unterschiedliche Fortschreibungsregeln gelten. Zudem konterkariert der Entwurf mit der komplizierten Neuregelung zur Kürzung des Bundeszuschusses im Zusammenhang mit der Anhebung der Mindesthöhe der Nachhaltigkeitsrücklage (§ 287h SGB-VI-E) gleich selbst das angestrebte Ziel einer Vereinfachung der Regelungen zu den Bundeszuschüssen.
Kapitulation vor der Herausforderung, die Höhe der Bundeszuschüsse sachlich zu begründen
Der Entwurf scheitert vor der Herausforderung, die Höhe der Bundeszuschüsse sachlich zu begründen. Dabei wäre es mehr als angemessen, wenn die Höhe des mit Abstand größten Ausgabeposten des Bundeshaushalts überzeugend hergeleitet wird. Vor allem sollte vorgesehen werden, dass der Bundeszuschuss bei Übertragung neuer nicht beitragsgedeckter Leistungen entsprechend anzupassen ist. Anders als bislang ist den gesetzlichen Vorschriften zu den Bundeszuschüssen nun jedoch gar nicht mehr zu entnehmen, welchem Zweck die Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung dienen sollen. Die Begründung beschränkt sich auf den Hinweis, dass die Bundeszuschüsse multifunktionell seien und „mit ihrer allgemeinen Sicherungsfunktion die Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung“ und dem „Ausgleich für nicht beitragsgedeckte Leistungen der Rentenversicherung“ dienen. Jegliche Aussage, was mit dieser Sicherungsfunktion gemeint ist und wie nicht beitragsgedeckte Leistungen definiert werden, fehlt dagegen. Es wird damit noch nicht einmal ansatzweise versucht, eine sachgerechte Begründung der Höhe der Bundeszuschüsse zu geben. Im Ergebnis erscheint die Höhe der Bundeszuschüsse damit willkürlich. Dies mag politisch gewollt sein. Denn ohne sachliche Begründung der Bundeszuschüsse lässt sich ihre Höhe auch beliebig politisch neu bestimmen bzw. lassen sich weiter nicht beitragsgedeckte Leistungen einführen, ohne dafür der Rentenversicherung die benötigten Mittel zur Verfügung stellen zu müssen. Im Interesse der Beitragszahler sollten solche Lastenverschiebungen jedoch gerade nicht möglich sein.
IV. Zur geplanten Anhebung der Mindesthöhe der Nachhaltigkeitsrücklage
Höhere Mindestrücklage stärkt Vertrauen in die Rentenversicherung
Die Zielsetzung, die unterjährige Liquidität der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine Anhebung der Mindestrücklage auf 0,3 Monatsausgaben besser zu sichern, ist richtig. Im Interesse der Aufrechterhaltung des Vertrauens in die gesetzliche Rentenversicherung muss gewährleistet sein, dass die Rentenversicherung die Renten jederzeit aus eigenen Mitteln zahlen kann und nicht auf die Inanspruchnahme von Liquiditätshilfen des Bundes (Bundesgarantie) angewiesen ist.
Die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben gewährleisten die eigenständige Liquidität der Rentenversicherung nicht ausreichend. Zwar muss der Beitragssatz der Rentenversicherung zu Beginn eines Kalenderjahres so festgelegt werden, dass am Jahresende zumindest die gesetzliche Mindesthöhe erreicht wird (aktuell 0,2 Monatsausgaben, mit dem Gesetzentwurf dann 0,3 Monatsausgaben). Allerdings unterliegt die unterjährige Liquidität der Rentenversicherung deutlichen Schwankungen, weil sich ihre Einnahmen und Ausgaben im Jahresverlauf nicht gleichmäßig entwickeln. So kommt es regelmäßig nach der jährlichen Rentenanpassung zur Jahresmitte zu einem deutlichen Abfall der Nachhaltigkeitsrücklage, die dann oftmals im Oktober ihren jährlichen Tiefststand erreicht, bevor sie anschließend als Folge der zum Jahresende häufig gezahlten Sonderzahlungen wieder ansteigt. Zudem kann es zu unterjährigen Liquiditätsproblemen der Rentenversicherung kommen, wenn sich die Beitragseinnahmen oder die Leistungsausgaben weniger günstig entwickeln als von der Bundesregierung am Ende des Vorjahres prognostiziert.
Mit der Anhebung der Mindesthöhe der Nachhaltigkeitsrücklage setzt der Entwurf eine entsprechende Empfehlung der Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“, des Sozialbeirats der Bundesregierung und der Deutschen Rentenversicherung um.
Finanzierung der höheren Mindestrücklage nicht allein den Beitragszahlern aufbürden
Die Kosten der Anhebung der Mindestrücklage der Rentenversicherung dürfen – anders als im Entwurf vorgesehen – nicht allein den Beitragszahlern aufgebürdet werden (§ 287h SGB-VI-E). Die geplante alleinige Kostentragung der Beitragszahler wäre eine Abweichung von den geltenden Regelungen zur Finanzierung der Rentenversicherung. Sie ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil es sich bei der Anhebung der Mindestrücklage nicht um eine Versicherungsleistung handelt.
Zudem widerspricht die geplante, äußerst komplizierte Sonderregelung zur Kürzung des Bundeszuschusses um die Kosten der Anhebung der Mindestrücklage diametral der nach dem Entwurf angeblich angestrebten Vereinfachung der Bundeszuschüsse.
Unterjährige Zahlungen des Bundeszuschusses vorziehen
Die bloße Anhebung der Mindestrücklage der Rentenversicherung auf 0,3 Monatsausgaben greift allerdings zu kurz, um die unterjährige Liquidität ausreichend zu sichern. Notwendig ist darüber hinaus, dass die unterjährigen Zahlungen des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung künftig geringfügig vorgezogen werden. Sie sollten nicht mehr in zwölf gleichen monatlichen Raten von Januar bis Dezember, sondern in elf gleichen Raten von Januar bis November geleistet werden. Dadurch würde die unterjährige Liquidität der Rentenversicherung signifikant verbessert, weil der Rentenversicherung dann im Oktober, wenn die Liquidität der Rentenversicherung regelmäßig ihren Tiefststand erreicht, zusätzliche Mittel bereitstünden. Ausführlich ist dies im Abschlussbericht der Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ beschrieben, die diese Maßnahme empfohlen hat. Die Nichtberücksichtigung dieser Empfehlung ist auch deshalb unverständlich, weil ein unterjähriges Vorziehen der Bundeszuschüsse für den Bund haushaltsneutral wäre.
V. Zur geplanten Neufassung der Berichtspflichten der Bundesregierung
Weiter über Auswirkung der Anhebung der Altersgrenzenanhebung berichten
Über die Auswirkungen der Heraufsetzung der Altersgrenzen (§ 154 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB VI) sollte – anders als vorgesehen – weiter berichtet werden. Schließlich bleiben die damit verbundenen Fragen weiter von großem rentenpolitischem Interesse, auch wenn die aktuelle Regierungskoalition für diese Legislaturperiode eine Änderung der Regelaltersgrenze ausgeschlossen hat. Der entsprechende Abschnitt im Rentenversicherungsbericht vermittelt sehr gut, dass die Beschäftigung Älterer im Zusammenhang mit dem Anstieg der Altersgrenzen sehr stark zugenommen hat. Darüber sollte auch künftig informiert werden.
Der Rentenversicherungsbericht beschränkt sich aktuell ohnehin in diesem Abschnitt im Wesentlichen auf die Darstellung der Entwicklung des durchschnittlichen Rentenzugangsalters (D1), der Erwerbstätigenquote Älterer (D2) sowie der Quote der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Älterer (D3). Diese Übersichten sollte die Bundesregierung auch künftig den gesetzgebenden Körperschaften, an die sich der Rentenversicherungsbericht richtet, bereitstellen, zumal sich diese Übersichten aus drei unterschiedlichen Quellen herleiten und daher nicht ohne Aufwand von Interessierten aufzufinden sind.
Die Begründung für den geplanten Wegfall dieser Berichtspflicht überzeugt nicht. Zwar ist es richtig, dass die Berichtspflicht mit der Anhebung der Altersgrenzen auf 65 Jahre eingeführt wurde. Sie ist aber nicht überholt, weil derzeit weiter bei mehreren Rentenarten die Altersgrenzen steigen. Auch der Verweis auf den Bericht zur Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre überzeugt nicht. Dieser erscheint nur alle vier Jahre im November und enthält auch dann bereits nur Zahlen, die sich nicht auf das aktuelle, sondern auf das vergangene Jahr beziehen. In der politischen Diskussion bedarf es jedoch stets aktueller Zahlen.
Weiter Haltelinie für den Beitragssatz festlegen
Auch künftig sollte es für den Beitragssatz eine Grenze geben, die perspektivisch einzuhalten ist. Dieser Grundsatz, der bislang im Rentenrecht verankert ist, würde mit der jetzt geplanten Änderung jedoch aufgegeben werden (§ 154 Abs. 3 SGB-VI-E). Danach wäre die Bundesregierung nach 2030 nur noch verpflichtet, bei drohender Unterschreitung des definierten Rentenniveaus Maßnahmen zur Abwehr vorzuschlagen. Dagegen gäbe es dann keine Überforderungsgrenze mehr beim Beitragssatz, der dementsprechend unbegrenzt steigen könnte, ohne dass die Bundesregierung handeln müsste. Dabei hat sich eine vorausschauende Betrachtung der künftigen Beitragssatzentwicklung und die Definition einer Beitragssatzobergrenze bewährt: Genau diese Kombination hat dazu geführt, dass die Bundesregierung bei Vorlage des Rentenversicherungsberichts 2005 vorgeschlagen hat, die Regelaltersgrenze schrittweise anzuheben, was die Rentenversicherung erheblich stabilisiert hat.
Auch die Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ hatte in ihrem Abschlussbericht 2020 empfohlen, nicht für das Rentenniveau, sondern auch für den Beitragssatz perspektivisch Haltelinien zu definieren und diese spätestens im laufenden Jahr für die Zeit bis 2040 zu definieren.
VI. Zu den rentenpolitischen Maßnahmen der Wachstumsinitiative der Bundesregierung
Am 4. September hat die Bundesregierung den Entwurf einer Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP zu Neuregelungen zur Umsetzung von rentenpolitischen Maßnahmen der Wachstumsinitiative der Bundesregierung beschlossen. Vor dem Hintergrund, dass dieser Änderungsantrag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Rentenpaket II beschlossen werden könnte, wird nachfolgend zu den darin vorgesehenen Maßnahmen Stellung genommen.
Beschäftigung Älterer über die geplante Lockerung des Vorbeschäftigungsverbots hinaus erleichtern
Die Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbots (§ 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG) ist zu begrüßen. Damit wird Arbeitgebern die Wiedereinstellung ehemaliger Beschäftigter im Rentenalter und die Rückkehr ehemaliger Beschäftigter zum früheren Arbeitgeber erleichtert. Die dabei vorgesehenen Grenzen für Befristungen von acht Jahren bzw. zwölf Arbeitsverträgen orientieren sich an der hierfür entwickelten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und sind daher angemessen.
Allerdings sollten noch darüber hinaus arbeitsrechtliche Hürden bei der Beschäftigung Älterer beseitigt werden.
- Die Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbots sollte sich nicht nur auf Beschäftigte beschränken, die die Regelaltersgrenze bereits erreicht haben, sondern auf alle, die mit einem Anspruch auf eine Rente aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und noch einmal bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber einsteigen möchten. Dies würde es z. B. ermöglichen, dass Beschäftigte, die nach einer Altersteilzeit vorzeitig ausgeschieden sind (§ 8 Abs. 3 Altersteilzeitgesetz), noch einmal befristet einsteigen und über die Regelaltersgrenze hinaus bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber weiterarbeiten können.
- Klargestellt werden sollte, dass gleichzeitig mit der Vereinbarung einer Verlängerung einer Beschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus (§ 41 Abs. 1 Satz 3 SGB VI) die Arbeitsbedingungen, z. B. die Arbeitszeit von Beschäftigten, angepasst werden können. Häufig möchten Beschäftigte aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr im bisherigen Umfang arbeiten. Die aktuell noch notwendige separate Vereinbarung zur Anpassung der Arbeitszeit oder anderer Vertragsbedingungen, um die Befristung nicht zu gefährden, ist weder nachvollziehbar noch sachgerecht. Diese Erschwernis verursacht in der Praxis zusätzlichen administrativen Aufwand, schafft Rechtsunsicherheit und kann im schlimmsten Fall ungewollte Kosten nach sich ziehen.
Rentenaufschubprämie nicht gegenüber Rentenzahlungen beitragsrechtlich privilegieren und Aufwand-Nutzen-Verhältnis prüfen
Die Idee der geplanten sog. Rentenaufschubprämie, die bei späteren Rentenbeginn fälligen Rentenzuschläge alternativ auch als Prämie auszuzahlen, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Es ist zumindest vorstellbar, dass die Aussicht auf eine Prämienzahlung zum längeren Arbeiten und zum Rentenaufschub motiviert.
Allerdings darf die Rentenaufschubprämie nicht gegenüber einer Rentenzahlung steuer- und beitragsrechtlich privilegiert werden. Es ist daher nicht richtig, dass die Rentenaufschubprämie beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung sein soll, obwohl Rentenzuschläge in beiden Sozialversicherungszweigen beitragspflichtig sind: Zum einen, weil die geplanten Beitragsvorteile für die Rentenaufschubprämie automatisch zu Lasten der übrigen Beitragszahlenden gehen würden, weil sie die Ausfälle kompensieren müssten. Zum anderen, weil die Zahlung einer lebenslangen Rente besser als eine Kapitalzahlung sicherstellen kann, dass Rentner nicht auf zusätzliche Sozialleistungen wie Grundrente oder Grundsicherung im Alter angewiesen sind. Daher sollten keine Beitragsvorteile dazu verlocken, besser eine Einmalzahlung (Rentenaufschubprämie) statt eine lebenslange Rente zu beziehen. Bevor über die Einführung der Rentenaufschubprämie entschieden wird, sollte – wie bei Gesetzentwürfen der Bundesregierung – eine Berechnung des damit verbundenen Bürokratieaufwands erfolgen. Auf dieser Grundlage ließe sich bewerten, ob der Bürokratieaufwand verhältnismäßig ist. Eine solche Prüfung ist insbesondere deshalb sinnvoll, weil von der Rentenaufschubprämie kaum Gebrauch gemacht werden dürfte. Die zu erwartende geringe Nutzung der Rentenaufschubprämie beruht darauf, dass die Rentenaufschubprämie nur beansprucht werden kann, wenn Beschäftigte nach der Regelaltersgrenze weiter versicherungspflichtig sind (§ 107a Abs. 1 Nr. 2 SGB-VI-E) und damit auch selbst Rentenbeiträge zahlen. Die meisten Beschäftigten, die über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten, wollen aber nicht mehr in die Rentenversicherung einzahlen und entscheiden sich daher für die Versicherungsfreiheit, was sie durch die Beantragung einer Altersrente auch erreichen können. Da Beschäftigte sich künftig mit Erreichen der Regelaltersgrenze bei einer Entscheidung für die Versicherungsfreiheit auch noch die Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung auszahlen lassen können (§ 172 Abs. 1 SGB-VI-E), dürften noch weniger Beschäftigte nach der Regelaltersgrenze weiter in die Rentenversicherung einzahlen. Insofern konterkariert die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit, die Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung auszuzahlen, die Idee der Rentenaufschubprämie.
Höherer Einkommensfreibetrag für beschäftigte Hinterbliebene ist ein Schuss ins Blaue
Die geplante großzügigere Einkommensanrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen bei der Hinterbliebenenversorgung ist ein Schuss ins Blaue. Es ist völlig unklar, ob die Einführung des geplanten Sockelbetrags bei der Einkommensanrechnung tatsächlich die erhoffte positive Wirkung einer erhöhten Erwerbsbeteiligung von Hinterbliebenen erreicht. Aktuell fehlt eine Datengrundlage (Einkommensverhältnisse und Berufe) zur Bewertung der Wirkung. Darauf wurde ausdrücklich von Vertretern der Wissenschaft im Dialogprozess Arbeit & Rente des Bundesarbeitsministeriums hingewiesen. Ohne eine belastbare Datengrundlage sollten keine Veränderungen bei der Einkommensanrechnung bei der Hinterbliebenenversorgung erfolgen:
- Die Neuregelung würde die Beitragszahlenden der Rentenversicherung zusätzlich belasten. Erste Schätzungen, die aufgrund der unsicheren Datenlage mit einigen Unsicherheiten verbunden sind, gehen immerhin von Mehrausgaben der Rentenversicherung in Höhe von rund 0,5 Mrd. € im Jahr aus.
- Eine großzügigere Einkommensanrechnung kann sogar das Gegenteil bewirken und dazu führen, dass Beschäftigte dadurch motiviert werden, ihre Arbeit einzuschränken.
Sinnvoller als kleinteilige Maßnahmen im Hinterbliebenenrecht wäre ohnehin eine grundlegende Reform der Hinterbliebenenversorgung. Mögliche Reformoptionen hat der Sachverständigenrat Wirtschaft in seinem Jahresgutachten 2023/2024 ausführlich dargestellt (Ziffer 443).
Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht an Beschäftigte auszahlen
Die geplante Möglichkeit der Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung an die Beschäftigten muss unterbleiben.
- Die Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge würde zu einer Ungleichbehandlung von Beschäftigten führen: Beschäftigte, die bereits die Regelaltersgrenze überschritten haben und Rente beziehen, würden über 10 % mehr von ihrem Arbeitgeber ausgezahlt bekommen als andere Beschäftigte. Da beschäftigte Rentner nach der Regelaltersgrenze zudem (schon heute) selbst keine Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge zahlen müssen, stünden sie damit netto nochmals deutlich besser als ihre jüngeren Kollegen. Eine solche Ungleichbehandlung von älteren und jüngeren Beschäftigten ist diskriminierend.
Der Gesetzgeber bringt die Arbeitgeber damit künftig in eine schwierige Situation: Ältere Beschäftigte würden kein Verständnis dafür haben, wenn Arbeitgeber nicht von der Möglichkeit Gebrauch machten, ihnen die Arbeitgeberbeiträge auszuzahlen. Daher werden die Arbeitgeber die Beiträge auch auszahlen. Jüngere Beschäftigte werden sich dann aber ärgern, weil sie dann trotz gleicher Arbeit von ihrem Arbeitgeber weniger ausgezahlt erhalten.
- Es ist unnötig, zusätzliche finanzielle Anreize zum Arbeiten nach der Regelaltersgrenze zu schaffen. Finanzielle Vorteile spielen nachweislich keine große Rolle für die Motivation, nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterzuarbeiten. Wichtiger als Geld sind denjenigen, die im Ruhestand weiterarbeiten, Spaß an der Arbeit oder das Bedürfnis nach einer sinnvollen Aufgabe und sozialen Kontakten. Zudem stehen beschäftigte Rentner nach der Regelaltersgrenze ohnehin finanziell besser als Jüngere, weil sie keine Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge zahlen müssen.
- Die Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge führt zu Einnahmeverlusten bei der Sozialversicherung, die von den Beitragszahlenden und damit von den Arbeitgebern und ihren Beschäftigten zu kompensieren sein werden. Allein für die Rentenversicherung würde die Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge Einnahmeausfälle von rund 0,5 Mrd. € bedeuten.
- Die Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge für Rentner würde zudem mittelbar zu höheren Rentenausgaben führen: Dies liegt daran, dass sich die Höhe der Renten nach der Höhe der durchschnittlichen beitragspflichtigen Entgelte richtet. Da Entgelte von Personen ab der Regelaltersgrenze regelmäßig unterdurchschnittlich hoch sind, würde ein Wegfall der Beitragspflicht ihrer Entgelte das durchschnittliche beitragspflichtige Entgelt einmalig erhöhen. Dies würde zu einer um rund 0,2 Prozentpunkte höheren Rentenanpassung führen, wenn der Gesetzgeber nicht noch gegensteuert, wie dies der Bundesarbeitsminister selbst aufgrund der Problematik beim Kabinettsbeschluss vorgeschlagen hat. Auf der Grundlage der Daten aus 2023 würde die zusätzliche Rentenanhebung sonst im ersten Jahr, in dem diese Erhöhung wirkt, zu Mehrausgaben in Höhe von rund 0,4 Mrd. € und in den Folgejahren von je rund 0,8 Mrd. € führen.
Anstatt die Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung an die Beschäftigten auszuzahlen, sollte vielmehr künftig gelten, dass Beiträge nur dann gezahlt werden müssen, wenn ihnen auch Leistungsansprüche in den Sozialversicherungen gegenüberstehen können. Bei der Beschäftigung von Rentnern ist dies nach der Regelaltersgrenze aber weder in der Renten- noch in der Arbeitslosenversicherung der Fall. Deshalb sollte diese Beschäftigung auch für Arbeitgeber und Beschäftigte beitragsfrei sein.
Sollte die Regelung trotz aller Bedenken umgesetzt werden, muss klargestellt werden, dass ausgezahlte Arbeitgeberbeiträge kein Lohn sind, sondern – so wie die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung heute auch – steuer- und beitragsfrei sind. Andernfalls würde die Beschäftigung Älterer für die Arbeitgeber sogar teurer, weil sie dann auch noch auf die Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge an ihre Beschäftigten zusätzlich Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssten. Zudem wäre die Umsetzung administrativ auch gar nicht anders in den Lohn- und Gehaltsprogrammen möglich. Auch mit Blick auf die Berechnung von Entgeltersatzleistungen sollte klargestellt werden, dass ausgezahlte Arbeitgeberbeiträge kein Lohn sind.
Ansprechpartnerin:
BDA | DIE ARBEITGEBER
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Abteilung Soziale Sicherung
T +49 30 2033-1600
Soziale.Sicherung@arbeitgeber.de
Die BDA organisiert als Spitzenverband die sozial- und wirtschaftspolitischen Interessen der gesamten deutschen Wirtschaft. Wir bündeln die Interessen von einer Million Betrieben mit rund 30,5 Millionen Beschäftigten. Diese Betriebe sind der BDA durch freiwillige Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden verbunden.