Nachhaltige Strukturreformen statt weiterer Flickschusterei
BDA AGENDA 22/22 | Thema der Woche | 10. November 2022
Kranken- und Pflegeversicherung müssen umfassend reformiert werden, damit sie leistungsfähig und finanzierbar bleiben. Statt einer Fortsetzung des Stückwerks brauchen wir langfristige Strukturreformen.
Nachhaltige Strukturreformen in Kranken- und Pflegeversicherung statt weiterer Flickschusterei
Sowohl die gesetzliche Krankenversicherung als auch die soziale Pflegeversicherung müssen zeitnah umfassend reformiert werden, damit sie dauerhaft leistungsfähig und finanzierbar bleiben. Die letzten Gesetzesänderungen haben sich regelmäßig auf Einzelbereiche beschränkt und die ohnehin steigende Kostenbelastung sogar noch verschärft. Dieses Stückwerk darf nicht weiter fortgesetzt werden. Neben der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen wie kostendeckende Beiträge für ALG-II-Beziehende, eine Dynamisierung des Bundeszuschusses und die Finanzierung der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige durch den Bund müssen endlich langfristige Strukturreformen angegangen werden. Dazu gehört die Konsolidierung der Krankenhauslandschaft und die sachgerechte Überwindung der Sektorengrenzen ebenso wie die Ausweitung der Eigenverantwortung und die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors in der Pflegeversicherung.
Krankenhauslandschaft konsolidieren anstatt Erlösvolumen ungezielt anheben und Tagesbehandlungen einführen
Die jetzt vorgelegten Eckpunkte für erste Reformen im Krankenhausbereich sind bei weitem nicht ausreichend und zielführend. Statt einer reinen Anhebung des Erlösvolumens für pädiatrische Fälle wäre eine Vorhaltefinanzierung anhand tatsächlicher Versorgungsbedarfe zielführender. Mit der vorgesehenen Einführung von Tagesbehandlungen im Krankenhaus soll insbesondere eine Freisetzung zusätzlicher Pflegekapazitäten erreicht werden. Ob dieser gewünschte Erfolg auch eintritt, ist allerdings fraglich. Stattdessen muss endlich die Konzentration auf notwendige Krankenhäuser bzw. Krankenhausbetten angegangen werden. So lassen sich die begrenzten Personalressourcen nachhaltig schonen, damit Ärzte und Pflegekräfte ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen können.
Nachhaltigkeitsfaktor in der Pflegeversicherung einführen und kapitalgedeckte Vorsorge ausbauen statt Zahlungen an Pflegevorsorgefonds aussetzen
Ebenfalls keine Lösung ist die aktuell diskutierte Aussetzung der weiteren Dotierung des Pflegevorsorgefonds. Sie wäre das glatte Gegenteil einer nachhaltigen Sozialpolitik. Der Pflegevorsorgefonds dient zur späteren Stabilisierung des Beitragssatzes und nicht dazu, kurzfristigen politisch verursachte Finanzlöcher zu stopfen. Die Finanzen der Pflegeversicherung lassen sich kurzfristig stabilisieren, ohne auf notwendige Zukunftsvorsorge zu verzichten. Hierzu zählt die im Koalitionsvertrag vereinbarte Finanzierung der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige durch den Bund (ca. 2,4 Mrd. €) und der Ausgleich aller pandemiebedingten Zusatzkosten (ca. 3 Mrd. €) durch den Bund. Darüber hinaus sollte die private kapitalgedeckte Vorsorge ausgebaut und in Anlehnung an die gesetzliche Rentenversicherung ein „Nachhaltigkeitsfaktor“ in der Pflegeversicherung eingeführt werden. Damit wäre eine systematische und regelgebundene Anpassung der Pflegeleistungen, die die finanzielle Belastung des Systems berücksichtigt und den Beitragssatz nicht zu sehr unter Druck setzt, möglich.