Sich den Herausforderungen stellen.


BDA AGENDA 19/23 | KOMMENTAR DER WOCHE | 7. September 2023

Dr. Thomas Ogilvie, CHRO bei der DHL Group, Vorstandsmitglied Arbeitgeberverband Postdienste

„Wohlstand für alle“ ist Ludwig Erhards Bestseller und Blaupause für die soziale Marktwirtschaft. Geschrieben 1957 wurde es zur Grundlage und Basis für: „Made in Germany“, Wirtschaftswunder und Exportweltmeister. Aber viel mehr noch war der Titel zeitgeistprägend, er war Versprechen und Verpflichtung zugleich. Der größtmögliche orientierungs- und konsensstiftende Nenner mit der Botschaft: es lohnt sich, sich gemeinsam anzustrengen, weil wir es in der Hand haben, dass das Morgen besser sein wird als das Gestern war!

Und heute? Inflation, Ukrainekrieg, Rezession(sängste), Klimawandel, KI-Revolution, Energiewende, Polarisierung und Populismus scheinen den Zeitgeist zu prägen und übersetzen sich in Schlagzeilen wie „Deutschland im Abwärtssog“. Die implizite Schlussfolgerung ist ernüchternd: Es liegt nicht (mehr) in unserer Hand und das Morgen wird schlechter sein als das Gestern war…

Aus Arbeitgebersicht ist ein solches gesellschaftliches Sentiment ein Erste Klasse Ticket ins Nirgendwo. Ja, die Zeiten sind schwierig. Die Herausforderungen sind groß. Und die Zukunft ist ungewiss, aber das war 1957 auch nicht anders. Was gilt es also zu tun?

Globale Veränderungen und Umbrüche bieten für Deutschland mehr Chancen als Risiken. Der Welthandel bleibt Wachstumstreiber und Wachstumschance - nicht trotz der stärkeren Auffächerung von Lieferketten sondern aufgrund dessen. Deutschland ist gemäß des DHL Connectedness Index unter den Top-10 der wirtschaftlich bestvernetzten Staaten. Zusätzlich ebnen Digitalisierung, Demografie und Dekarbonisierung neben allen Transformationsnotwendigkeiten den Weg in Richtung neuer Geschäftsmodelle und mehr Produktivität.

Der Mensch steht im Mittelpunkt der Wirtschaft. Leistungs- und Veränderungsbereitschaft sind eine täglich zu treffende, individuelle Entscheidung jedes und jeder Einzelnen und gründen auf zwei Säulen: Respekt und Resultate. Gute und wo möglich flexible Arbeitsbedingungen, wertschätzende und richtungsgebende Führung, Fairness und ein Miteinander in Vielfalt sind auf der Respektseite genauso wichtig wie die Anerkennung guter Leistungen und die Perspektive auf Weiterqualifizierung- und -entwicklung auf der Resultatseite. 

Wir brauchen eine starke Verantwortungsgemeinschaft. Die Bundesrepublik Deutschland war und ist immer dann stark, wenn die Weichen stellenden Akteure in Politik, Wirtschaft und auf Arbeitnehmerseite konstruktiven Konflikt zur Konsensbildung nutzen – und Konsens heißt, dass alle zustimmen, auch wenn niemand zu 100% zufrieden ist. Zuspitzung ist gut und wichtig, doch Erfolg misst sich in der Qualität der Synthese und nicht der Lautstärke der These und Antithese.

„Wohlstand für alle“ bleibt die Blaupause für die soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert und es liegt an uns, dass es sich weiterhin lohnt, sich gemeinsam anzustrengen, weil wir es in der Hand haben, dass das Morgen besser sein wird als das Gestern war!