Deutschland vor der Wahl: Wie gelingt der wirtschaftliche Neustart?


BDA AGENDA 22/21 | Thema der Woche | 23. September 2021

Aus Sicht der Wirtschaft ist die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit klar: Unser Land braucht mehr Gründergeist, mehr Mut, mehr Freiraum für Ideen! Nach der Bundestagswahl gilt es deshalb, keine Zeit zu verlieren.

9 Punkte für die ersten 100 Tage: Was die neue Bundesregierung aus Sicht der Arbeitgeber sofort anpacken muss für eine Zukunftsagenda 2030!

Die digitale und ökologische Transformation, die Energie- und Mobilitätswende, der demografische Wandel und der zunehmende internationale Wettbewerb sind nur einige der Megatrends, die mutige und nachhaltige politische Antworten in Deutschland und Europa verlangen. Auch die Soziale Marktwirtschaft muss sich anpassen. Das gelingt nur mit starken Unternehmen. Denn Wirtschaft sind wir alle! Im Mittelpunkt sollten die Kinder und Jugendlichen stehen. Bildung ist der Baustoff unserer Zukunft: Schulen müssen digitaler werden, sie müssen besser werden in der Berufsorientierung, wir brauchen vor allem mehr Naturwissenschaftlerinnen und mehr Kitaausbau. In einem zweiten Schritt müssen wir die Arbeitswelt der Zukunft fit machen: Nicht mehr, aber klüger arbeiten mit mehr Arbeitszeitflexibilität. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie ermöglicht es, die rechtlich zulässige Höchstarbeitszeit nicht auf den Tag, sondern auf die Woche zu beziehen. Die Beschäftigten hätten dadurch mehr Spielräume in der Gestaltung ihres Arbeitsalltags und könnten so z. B. Familie und Beruf wesentlich besser vereinbaren.

Und es gibt weiteren Reformbedarf: Nach geltender Rechtslage müssen Beschäftigte nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden einlegen. Wer sich also den Nachmittag für Familienzeit freinimmt und deshalb um 23 Uhr noch E-Mails beantwortet, darf am nächsten Tag frühestens ab 10 Uhr wieder die Arbeit aufnehmen. Seien wir ehrlich: Diese Regelung geht an der Lebensrealität vieler Menschen komplett vorbei. Daher sieht die Arbeitszeitrichtlinie der EU eine Öffnungsklausel für Tarifverträge vor, die der deutsche Gesetzgeber bis heute nicht vollständig umgesetzt hat. Deutlich wird: Für gute Arbeitsbedingungen und mehr Tarifbindung brauchen wir attraktivere Tarifverträge. Was wir nicht brauchen: Einen politischen Mindestlohn mit Überbietungswettbewerb! Denn wie endet es denn, wenn die eine Partei 12 Euro und die andere Partei 13 Euro Mindestlohn fordert? Das können Gewerkschaften und Arbeitgeber vertrauensvoll selbst entscheiden.

Klar ist auch: Unser Sozialstaat muss finanzierbar bleiben! Dies gelingt mit einem Nachholfaktor bei der Rente und einer Neujustierung des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenformel. Zur Wahrheit gehört dabei: Bürokratie kann Krisen verstärken! Deshalb: Komplizierte Verfahren auf das Nötigste reduzieren, einen Digitalisierungscheck bei neuen Gesetzen einführen und den Praktikern aus der Wirtschaft bei der Gesetzgebung mehr Gehör schenken.

Europa liegt der Wirtschaft besonders am Herzen, deshalb last but not least: Auch Europa sind wir alle. Und Europa funktioniert nur mit soliden Finanzen, weniger Bürokratie, weniger Eingriffen in die Sozialpartnerschaft, einer funktionierenden Balance zwischen den Nationalstaaten und den Brüsseler Institutionen sowie geregelter Fachkräfteeinwanderung. Jedem von uns ist doch klar, dass die Europäische Union hier noch Luft nach oben hat und in der Krise nicht alles so reibungslos läuft. Deshalb sollte die nächste deutsche Bundesregierung ihr europapolitisches Engagement nochmal ausweiten. Deutschland und Europa müssen besser werden, wenn man Vertrauen zurückgewinnen will.