Nie gab es mehr zu tun


BDA AGENDA 20/21 | KOMMENTAR DER WOCHE | 9. September 2021

Christian Lindner, Bundesvorsitzender und Vorsitzender der FDP im Deutschen Bundestag

Berlin, 9. September 2021.

Nie gab es mehr zu tun - das ist nicht nur die Wahlkampflosung der Freien Demokraten. Es ist auch die nüchterne Zustandsbeschreibung unseres Landes. Nie war der Reformstau größer als zu Beginn dieses Jahrzehnts. Vor vier Jahren warben die Unionsparteien für ein Deutschland, „in dem wir gut und gerne leben“. Heute wäre Kontinuität das größte Risiko für die Zukunft unseres Landes.

Unsere Volkswirtschaft braucht einen Kickstart aus der Krise. Denn ohne ein starkes wirtschaftliches Fundament bleibt jedes soziale oder ökologische Ziel unserer Gesellschaft eine unrealisierbare Träumerei. Die amtierende Bundesregierung gibt sich mit einem Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent zufrieden. Angesichts der Rezession des vergangenen Jahres und eines starken Aufschwungs bei unseren Wettbewerbern dokumentiert sie die eigene Ambitionslosigkeit. Stattdessen müssen wir unsere Wirtschaft entfesseln und Investitionen hebeln, um aus der Krise herauszuwachsen: Mit einem Super-Abschreibungsprogramm zur Verkürzung der Abschreibungszeiträume auf zwei Jahre und Sonderabschreibungen für digitale Wirtschaftsgüter, einer Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags und einem Moratorium für neue Bürokratie.

Wer hingegen wie SPD, Grüne und Linkspartei neue Belastungen plant, betreibt Sabotage am Aufschwung. Anders als die Union, deren Kanzlerkandidat in erfrischender Ehrlichkeit die eigenen Steuerversprechen schon vor der Wahl kassiert hat, sind wir in dieser Frage klar: Mit den Freien Demokraten in Regierungsverantwortung wird es keine neuen Belastungen für Bürger und Betriebe geben und für all jene, die Verantwortung für Arbeitsplätze tragen.

Wir müssen Taktgeber bei der Transformation der Wirtschaft werden – in der Frage der Digitalisierung wie auch der Dekarboniserung. Wer die Menschheitsaufgabe des Klimaschutzes jedoch als Verbots- und Verzichtsagenda begreift oder gar über „Degrowth“ spricht, argumentiert kurzsichtig und borniert. Klimaschutz kann und muss durch smarte Innovationen zu einer Wachstumsagenda werden. Sonst meistern wir nicht die Dekarbonisierung unserer Industrie, sondern riskieren die Deindustrialisierung unseres Landes. Dabei rufen unsere Unternehmen nicht nach neuen Subventionen, Geduld oder gar staatlicher Lenkung, wie es unsere roten und grünen Mitbewerber gern suggerieren. Viel zu oft bremsen langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren die Innovationskraft unserer Wirtschaft. Setzen wir daher endlich die richtigen Rahmen, um Klimaschutz "made in Germany" zu einem Exportschlager zu machen.

Wir stehen vor einer Richtungswahl. In der nächsten Legislaturperiode wird sich entscheiden, ob unser Land auch im 21. Jahrhundert seinen Wohlstand erhalten, klimaneutrales Wachstum ermöglichen und an der Weltspitze der Technologienationen mitspielen wird. Diese Herausforderung können wir meistern: Mit statt gegen unsere heimische Wirtschaft, mit Vertrauen in Freiheit statt in staatliche Lenkung, wenn wir Wohlstand erwirtschaften, bevor wir ihn verteilen, und wenn wir wieder mehr Freude am Erfinden entwickeln statt am Verbieten.