Aussagekraft von Arbeitsunfähigkeits-<br>bescheinigungen erhalten


BDA AGENDA 26/23 | THEMA DER WOCHE | 14. Dezember 2023

Trotz Kritik der Arbeitgeber sind Krankschreibungen künftig per Telefon möglich. Das ist eine Gefahr für den Betriebsfrieden und schadet der Akzeptanz der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

 

Die telefonische Krankschreibung war ein Ausnahmeinstrument für die Pandemiesituation. Eine Fortführung oder gar Ausweitung der Regelung nach Wegfall der Pandemiesituation ist falsch. Sie ist auch nicht notwendig – denn auch ohne die Möglichkeit der telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit musste sich niemand bei Erkrankungen ohne schwere Symptomatik persönlich zum Arzt schleppen und dort im Wartezimmer sitzen. Es besteht die Möglichkeit zur Krankschreibung im Rahmen einer Videosprechstunde – auch für Patientinnen und Patienten, die der Arztpraxis aufgrund einer früheren Behandlung nicht bekannt sind. Voraussetzung ist natürlich, dass die Krankheit eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit per Videosprechstunde zulässt. Die Erfahrungen aus der Pandemie – gerade auch der Ärztekammern – zeigen, dass es in der Pandemiesituation zu unrechtmäßigen Angeboten von telefonisch ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder der Ausstellung von „Gefälligkeitsattesten“ kam.

Arbeitgeber aber auch die nicht erkrankten Kollegen in den Betrieben brauchen Gewissheit über Erkrankungen, zumindest wenn diese über drei Tage hinausgehen. Die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt ist dafür zentral. Dem berühmt berüchtigten gelben Schein wird von der Rechtsprechung eine hohe Bedeutung zugmessen. Diese sogenannte Richtigkeitsgewähr ist nachvollziehbar, sie ist in hohem Maße an die Diagnose der persönlichen Inaugenscheinnahme durch den behandelnden Arzt gebunden. Eine solche valide Diagnose setzt im Regelfall eine persönliche Untersuchung durch den Arzt voraus. Eine Arbeitsunfähigkeit, die über einen telefonischen Kontakt zustande kommt, kann das kaum gewährleisten. Daher stellt sich mit der nun unbefristet eingeführten telefonischen Krankschreibung die Frage nach der Belastbarkeit der Diagnose und damit auch die Frage nach der Akzeptanz der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bedeutet für Arbeitgeber eine hohe wirtschaftliche Belastung. Nach Berechnungen des IW mussten die Arbeitgeber im Jahr 2022 gut 70 Milliarden Euro für die Entgeltfortzahlung ihrer erkrankten Beschäftigten aufbringen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist Teil der Lohnzusatzkosten und damit ein wesentlicher Faktor für die Beschäftigung in Deutschland. Die Kostenbelastung ist in den letzten Jahren deutlich weiter gestiegen und das gerade nicht nur wegen der mit der Pandemie einhergehenden Belastungen.

Trotz dieser Bedenken hat der Gesetzgeber den G-BA verpflichtet, in der AU-Richtlinie Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auch nach telefonischer Anamnese zu treffen. Die BDA hat darauf hingewiesen, wenn trotz berechtigter Bedenken eine Regelung zur telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit getroffen werden sollte, dass eine telefonische Feststellung nur in engen Grenzen erfolgen darf. So muss eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung einer Videosprechstunde stets Vorrang haben. Die Ausstellung darf nur für persönlich in der Praxis bekannte Patientinnen und Patienten, nur bei Erkrankungen mit voraussichtlich kurzer Dauer und regelmäßig mildem Verlauf und nur für einen kurzen Maximalzeitraum erfolgen. Die Ausstellung von Folgebescheinigungen muss ausgeschlossen sein. Diese Grenzen haben Eingang in die AU-Richtlinie des G-BA gefunden.