Arbeitszeitflexibilisierung


BDA AGENDA 07/2024 | THEMA DER WOCHE | 10. April 2024

Der Tarifabschluss, den die Deutsche Bahn nach einer aggressiven Streikrunde mit der GDL vereinbart hat, enthält mit der Möglichkeit, länger zu arbeiten, ein Element dringend benötigter Arbeitszeitflexibilisierung. Es ist zu hoffen, dass möglichst viele Arbeitnehmer die Chance ergreifen, die eigene Arbeitszeit auszuweiten.

Betriebe wie Beschäftigte wünschen sich seit langem mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit. Sie ist zentral für die Sicherung von Arbeitsplätzen und den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen, die sich in einer zusammenwachsenden Welt und einem globalen Wettbewerb immer mehr behaupten müssen. Die Folgen des demographischen Wandels unterstreichen die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Reform des Arbeitszeitrechts. Unternehmen fehlen Mitarbeiter, den Mitarbeitern fehlt es an Unterstützung bei Betreuung oder Pflege, Wartezeiten für Dienstleistungen werden immer länger. Diese Auswirkungen werden noch zunehmen. Einigkeit besteht darüber, dass der Arbeitskräftemangel nicht allein mit der Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland aufgefangen werden kann.

Eine Absenkung der Arbeitszeit, wie ihn der Tarifabschluss vorsieht, scheint vor diesem Hintergrund wie aus der Zeit gefallen. Notwendig ist es, mehr und länger zu arbeiten, damit wir auch noch morgen in Wohlstand leben können. Die Frage der Arbeitszeitflexibilisierung wird in diesem Zusammenhang immer drängender. Der neue Tarifabschluss ermöglicht den Arbeitnehmern auch eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden zu vereinbaren und damit zwei Stunden mehr zu arbeiten als bisher. Wenn Arbeitnehmer es wollen, können sie mehr arbeiten. Um diese Wahl neben dem tariflich vereinbarten finanziellen Anreiz möglichst attraktiv zu machen, sollte der Gesetzgeber am selben Strang ziehen und endlich mehr Flexibilität bei Lage und Verteilung der Arbeitszeit ermöglichen.

Denn flexible Arbeitszeiten haben das Potenzial, Arbeitnehmer in größerem Umfang oder neu für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Sie können Beschäftigten helfen, Lösungen für familiäre Herausforderungen zu finden, wie die Betreuung von Kindern oder die Pflege von nahen Angehörigen, ein Bereich, für den es immer schwieriger wird, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil es auch hier zunehmend an Fachkräften fehlt. Die Anforderungen, die durch solche privaten Umstände an die Mitarbeiter gestellt werden, sind höchst unterschiedlich. Eine einheitliche Lösung gibt es nicht. Flexible Arbeitszeiten, wie z.B. Gleit- und Teilzeitmodelle, können dagegen helfen, individuelle Lösungen zu finden, die beiden Seiten, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, entgegenkommt.

Die Arbeitszeit ist eines der wesentlichen Gestaltungselemente der Arbeitsbeziehungen. Den Rahmen für diese Gestaltung setzt ein Arbeitszeitgesetz, das noch aus Zeiten vor der Digitalisierung stammt. Die Bundesregierung sollte es endlich angehen, diese Fesseln zu lösen. Wir brauchen im Rahmen des Unionsrechts ein modernes und flexibles Arbeitszeitrecht. Der Koalitionsvertrag geht den ersten Schritt in die richtige Richtung, wenn er betont, dass die Möglichkeit zu abweichenden Vereinbarungen über die Tageshöchstarbeitszeit geschaffen werden solle. Im Rahmen der ebenfalls angekündigten Experimentierräume bietet es sich an, auch Ruhezeiten flexibler gestaltbar zu machen. Die Vertrauensarbeitszeit darf als flexibles Instrument nicht durch überbordende Anforderungen an Aufzeichnungspflichten gefährdet werden.

Der Arbeitsschutz wird dadurch nicht angetastet. Vertragliche Vereinbarungen über die Arbeitszeit, die die Tarifvertrags- oder Arbeitsvertragsparteien treffen, bleiben erhalten. Sie könnte aber besser entsprechend der Bedürfnisse der Vertragsparteien verteilt werden. Es geht um mehr Spielraum für alle Seiten. Diesen brauchen wir dringend. Jetzt.