Wir brauchen ein neues Aufstiegsversprechen!


BDA AGENDA 15/23 | KOMMENTAR DER WOCHE | 13. Juli 2023

Pascal Kober MdB
Sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Obmann der FDP im Ausschuss für Arbeit und Soziales und  Beisitzer im FDP-Bundesvorstand

Der sozialpolitische Diskurs ist zu häufig auf die Frage nach der Höhe von Geldleistungen verengt. Jüngste Beispiele: die Debatten um den Mindestlohn und die Kindergrundsicherung.

Leider stellt hingegen kaum jemand die Frage, was Betroffene benötigen, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln und ihre Ziele zu erreichen. Wie schaffen wir es, Menschen Aufstieg im Arbeitsmarkt zu ermöglichen, wenn der Einstieg gelungen ist?  

Manch eine mag ganz ohne Hilfe zur Gipfelstürmerin werden, ein anderer braucht eine Starthilfe und wieder andere brauchen ein Geländer, das Halt bietet. Was das Aufstiegsversprechen ausmacht: Wer will, ganz egal ob mit oder ohne Hilfe, kommt voran. 

Gute Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik darf sich daher nicht auf die Höhe des Mindestlohns beschränken. Indes fragt sie danach, was notwendig ist, damit Menschen den Aufstieg nach dem Einstieg schaffen.

Der Zeitpunkt, in das Aufstiegsversprechen zu investieren, könnte bei fast zwei Millionen unbesetzten Stellen kaum besser sein. Wir haben nicht nur einen Fach- wir haben einen Arbeitskräftemangel in allen Bereichen. Wir haben jährlich 47.500 Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Gleichzeitig haben wir 63.000 unbesetzte Ausbildungsstellen. Hier besteht großes Potenzial, denen, die können und wollen, den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.

Wir müssen bei der Aus- und Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten kreativer werden. Mehr von immer demselben ist nicht die Antwort. Wir haben die Zuverdienstgrenzen für Schülerinnen und Schüler und Auszubildenden stark verbessert und sorgen so dafür, dass Leistung sich lohnt. Mit dem Weiterbildungsgesetz unterstützen wir junge Menschen auf dem Weg in die betriebliche Ausbildung.

Wir müssten noch ehrgeiziger sein. Für eine einstiegs- und aufstiegsorientiere Sozialpolitik fehlt es allerdings an Unterstützung im öffentlichen Diskurs. Wer Armut als Mangel an Entwicklungschancen begreift, wird übertönt von jenen, die Armut allein als Geldmangel definieren.

Die Debatte um die Kindergrundsicherung ist das beste Beispiel. Natürlich müssen wir besser werden in der Bekämpfung von Kinderarmut. Besser ist aber nicht immer mit mehr Geld gleichzusetzen. Stattdessen müssen wir nach den Ursachen fragen. Dass mittlerweile jeder vierte Viertklässler nicht richtig lesen kann, ist nicht mit mehr Geldüberweisungen an die Eltern zu lösen. Wenn Eltern den Wert des Vorlesens nicht selbst in ihrer Kindheit erfahren haben, geben sie es selten an ihre Kinder weiter. Das ist kein Vorwurf. Von diesem Befund aber ausgehend, brauchen wir andere Schwerpunkte in der Sozialpolitik. Eine Kindergrundsicherung muss das zur Verfügung stellen, was wirklich gebraucht wird und so echte Chancen schaffen und Aufstieg ermöglichen. Und sie muss dafür sorgen, dass das, was zur Verfügung steht, auch tatsächlich ankommt. Das ist bisher nicht der Fall.

Das Aufstiegsversprechen muss endlich wieder zur Messlatte des Sozialstaates werden.