Flexibilität nutzbar machen
Die Arbeitszeit ist eine wichtige Stellschraube, um Unternehmen die im wachsenden globalen Wettbewerb erforderliche zeitliche Beweglichkeit einzuräumen und damit Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Eine flexible Arbeitszeit stärkt die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben und macht einen Arbeitsplatz vor allem für Fachkräfte attraktiv. Die Tarifvertragsparteien leisten in diesem Bereich durch branchengerechte Regelungen einen wichtigen Beitrag. Sie schaffen den für die Wettbewerbsfähigkeit notwendigen Ausgleich zu der im internationalen Vergleich geringen tariflichen Wochenarbeitszeit in Deutschland.
Arbeitszeitflexibilität hat viele Facetten. Das Grundgerüst stellt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) dar. Das Gesetz selbst ermöglicht eine Flexibilität nur in engen Grenzen, regelmäßig verbunden mit der Einhaltung von Ausgleichzeiträumen, die vorübergehend die Abweichung von der Regel ermöglichen. In den Betrieben sind Arbeitszeitkonten ein zentrales Instrument, um sowohl den betrieblichen Bedürfnissen als auch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Rechnung zu tragen. Mit der zunehmenden Digitalisierung gewinnen zudem mobile Arbeits- und Kommunikationsmittel eine immer größere Bedeutung als Hilfsmittel für Arbeitszeitflexibilität.
Arbeitszeitgesetz an die Digitalisierung anpassen
Das Arbeitszeitgesetz ist ein Arbeitsschutzgesetz, das insbesondere die zulässige Höchstdauer der täglichen Arbeitszeit sowie Ruhepausen während der Arbeitszeit und Ruhezeiten, die Beschäftigte nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit einzuhalten haben. Es regelt Nacht- und Schichtarbeit genauso wie Sonn- und Feiertagsruhe und mögliche Abweichungen von all dem. Außerdem sieht es Sonderregelungen zu einigen Branchen wie der Luftfahrt, Der Binnenschifffahrt oder den Straßentransport vor. Die Tarifvertragsparteien können zu fast allen Bereichen begrenzte Ausnahmeregelungen treffen und sich damit maßgeblich in die Gestaltung der betrieblichen Arbeitszeit einbringen.
Mit dem Arbeitszeitgesetz wird die EU-Arbeitszeitrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Sie ermöglicht teilweise ein größeres Maß an Flexibilität als unser heutiges Arbeitszeitgesetz, das sollte genutzt werden. Um Arbeitsleistung zu entzerren und besser gestaltbar zu machen, bedarf das Arbeitszeitgesetz an einigen Stellen einer Modernisierung, auch um den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden. Dazu gehört, dass das Arbeitszeitgesetz die Höchstarbeitszeit auf die Arbeitswoche und nicht den Arbeitstag bezogen regeln sollte. Daneben sollte es möglich sein, durch Öffnungsklauseln für kollektive Regelungen Abweichungen von der elfsündigen Mindestruhezeit zu gestatten, damit sie z.B. vorübergehend auf neun Stunden angepasst oder in zwei Blöcke aufgeteilt werden kann, von denen einer eine störungsfreie Kernruhezeit von sieben Stunden umfasst.
Arbeitszeitkonten elementarer Baustein der Arbeitszeitflexibilität
Ein wesentliches arbeitszeitliches Flexibilisierungselement sind Arbeitszeitkonten. Sie sind ein integraler Bestandteil der betrieblichen Personalpolitik und aus den Betrieben nicht mehr wegzudenken. In fast allen Branchen bilden Tarifverträge die Grundlage zur Arbeitszeitflexibilisierung durch Arbeitszeitkonten. Vor allem Konten, mit denen schwankende Auftragslagen ausgeglichen werden (sog. Flexikonten) sind weit verbreitet. Sie sind ein unverzichtbarer Baustein wirtschaftlicher Arbeitszeitgestaltung und von zentraler Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Das zeigt sich vor allem in wirtschaftlich angespannten Zeiten, wie der der Pandemie. Denn mit Flexikonten kann das Arbeitszeitvolumen schnell und unbürokratisch an die betrieblichen Bedürfnisse angepasst werden. Kommt es zu unvorhergesehenen wirtschaftlichen Einbrüchen, helfen Arbeitszeitkonten, Beschäftigung zu erhalten, indem statt des Ausspruchs von Kündigungen Arbeitszeitguthaben eingesetzt werden können.
Umfangreichere Konten, mit denen langfristige Ziele, insbesondere die individuelle und betriebliche Gestaltung des Erwerbslebens, geplant werden (sog. Lebensarbeitszeitkonten oder Zeitwertkonten) werden derzeit nur von wenigen Unternehmen genutzt. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung nimmt die Bedeutung von Lebensarbeitszeitkonten aber für alle zu. Ihr Einsatz muss auch für kleinere Betriebe unbürokratisch geregelt werden können. Die bestehenden gesetzlichen Vorgaben bedürfen daher der Überprüfung. Gerade Beschäftigte haben sich häufig für interessante Einsatzmöglichkeiten ihrer Konten stark gemacht, diese Entscheidungen dürfen nicht nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit konterkariert werden.
Vertrauen statt unpraktikable Nachweispflichten
Der , dass die EU-Mitgliedstaaten die Unternehmen verpflichten müssen, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfasst werden kann. Die Entscheidung des EuGH richtet sich an den nationalen Gesetzgeber und nicht an die Unternehmen. Die Bundesregierung prüft zurzeit, ob und wie die Entscheidung umgesetzt werden muss.
Sollte das deutsche Arbeitszeitrecht verändert werden, müssen moderne Formen von Arbeitszeiterfassung möglich bleiben. Das setzt z. B. voraus, dass die Unternehmen die Arbeitszeiterfassung auch zukünftig an ihre Beschäftigten delegieren können. Ohne diese Möglichkeit ist mobiles Arbeiten nicht denkbar. Zudem müssen die weiteren Spielräume genutzt werden, die der EuGH ausdrücklich für die konkreten Modalitäten der Umsetzung eines solchen Systems einräumt, insbesondere dessen Form, festzulegen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder der Eigenheiten bestimmter Unternehmen, wie ihrer Größe. Darüber hinaus sollten weitere Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie vorgenommen werden für solche Arbeitnehmer, deren Arbeitszeitdauer wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht bemessen und/oder vorherbestimmt ist oder von den Arbeitnehmern selbst bestimmt werden kann.