Der bereits heute bestehende Engpass an naturwissenschaftlich-technisch qualifizierten Arbeitskräften beeinträchtigt die Innovationsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland. Die MINT-Arbeits- und Fachkräftelücke (Differenz der gemeldeten offenen Stellen und der gemeldeten Arbeitslosen im MINT-Segment) hat sich zwar konjunkturell bedingt deutlich verringert, noch immer übersteigt das Stellenangebot aber deutlich die Anzahl der arbeitssuchenden Fachkräfte (MINT-Lücke im März 2024: 244.400). Dies betrifft insbesondere die Elektro- und Energieberufe, die Maschinen- und Fahrzeugtechnik, aber z. B. auch die Bauberufe. Gerade für die Digitalisierung werden zunehmend Fachkräfte benötigt: Befragt nach möglichen Hemmnissen, um das eigene Unternehmen im Bereich der Digitalisierung besser aufzustellen, nannten rund 44 % der Unternehmen in einer IW-Befragung, dass Fachkräfte für die Digitalisierung fehlen.
Wie groß der Bedarf an MINT-Fachkräften ist, wird auch an der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern deutlich. Sie ist zwischen Ende 2012 und Frühjahr 2024 mit 83 % überproportional gewachsen, wohingegen der Anteil von Deutschen in MINT-Facharbeiterberufen im selben Zeitraum sogar leicht gesunken ist (-3,2 %). Im Bereich der Spezialisten betrug das Wachstum bei ausländischen Beschäftigten über 137 % und im Bereich der Akademiker sogar 210 %. Der Zuwachs unter Deutschen fiel mit knapp 13 % bzw. 41 % deutlich geringer aus. Ohne entsprechende qualifizierte Zuwanderung ist der MINT-Fachkräftebedarf daher schon länger nicht mehr zu decken.
Nach wie vor sind Frauen in MINT-Berufen mit 16,2 % deutlich unterrepräsentiert, auch wenn die Anzahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in diesem Bereich von Ende 2012 bis Frühjahr 2023 um 2,4 Prozentpunkte gestiegen ist. Die BDA engagiert sich daher z. B. aktiv im Nationalen Pakt für Frauen in MINT-Berufen. Zentral ist zudem eine geschlechterneutrale Berufs- und Studienorientierung, wie sie die Initiative „klischeefrei“ unterstützt, an der die BDA ebenfalls beteiligt ist.
Der Grundstock für mehr MINT-Fachkräfte muss jedoch frühzeitig gelegt werden. Alle Schülerinnen und Schüler müssen ausreichend Grundkompetenzen in Mathematik und Naturwissenschaften erwerben. Neben Mathematik sollten zwei naturwissenschaftliche/technische Fächer bzw. Informatik durchgehend bis zum Schulabschluss verpflichtend sein. Zudem muss die MINT-Lehreraus- und -weiterbildung reformiert werden (BDA-Positionspapier Lehrerbildung). Anwendungsorientierter und alltagsbezogener Unterricht muss die Norm werden. Dazu sollten auch verstärkt Kooperationen mit außerschulischen Partnern (z. B. Betriebe, Science Centern) eingegangen werden. Politik und Hochschulen müssen zudem alles tun, um die überdurchschnittlich hohe Studienabbrecherquote in den MINT-Fächern deutlich zu senken, z. B. durch eine verbesserte Betreuungsquote und zusätzliche Brückenkurse, die den Übergang von Schule zu Hochschule erleichtern. Generell muss durch einen Ausbau der Beruflichen Orientierung an den Schulen – auch den Gymnasien - stärker für eine MINT-Berufsausbildung geworben werden.
Halbjährlich im Frühjahr sowie im Herbst legt das IW Köln im Auftrag von Gesamtmetall, BDA und der Initiative „MINT Zukunft schaffen“ einen umfassenden Bericht zur zukünftigen MINT-Arbeitsmarktentwicklung sowie zur Entwicklung der Qualität und Quantität der MINT-Bildung in Schulen und Hochschulen vor. Damit misst die Wirtschaft einerseits die Wirksamkeit ihrer zahlreichen MINT-Aktivitäten und andererseits, ob in Politik, Schulen und Hochschulen die notwendigen Änderungsprozesse erfolgt sind und fruchten.