Kündigungsschutz rechtssicher gestalten

Der Kündigungsschutz ist das Kernstück des Individualarbeitsrechts. Ein beschäftigungsförderndes Arbeitsrecht setzt kalkulierbare, rechtssichere und flexible Regelungen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen voraus. 

Deutschland hat inzwischen die strengsten Kündigungsschutzbestimmungen für unbefristete Beschäftigungsverhältnisse in der OECD (OECD, Beschäftigungsausblick 2013; OECD, Datenbank zum Kündigungsschutz, 2013). Das Kündigungsschutzgesetz ist ein Beschäftigungshemmnis, das gerade auch für Geringqualifizierte oder besondere Arbeitnehmergruppen eine Teilhabe am Arbeitsmarkt erschwert (OECD, Beschäftigungsausblick 2015, S. 139).

Neben den zentralen Regelungen des Kündigungsrechts im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) finden sich – verstreut – in zahlreichen Gesetzen Spezialregelungen. Ein besonderer Kündigungsschutz besteht z. B. für Betriebsräte, schwerbehinderte Menschen, Auszubildende sowie Arbeitnehmer in Elternzeit und Mutterschutz.
 
Die BDA setzt sich seit langem für die Modernisierung des deutschen Kündigungsschutzrechts ein, um dessen beschäftigungshemmende Wirkung zu überwinden (so auch der Appell der OECD, Beschäftigungsausblick 2015, S. 139). Belastbare wirtschaftspolitische Studien belegen den Zusammenhang zwischen Langzeitarbeitslosigkeit und einem starren Beschäftigungsschutz. Wer die Bereitschaft unterstützen will, neue Beschäftigung zu schaffen, kommt an einer Reform des Kündigungsschutzes nicht vorbei.
Mehr Flexibilität durch Abfindungsoption
Eine zentrale Voraussetzung sind verlässliche Rahmenbedingungen, innerhalb derer Arbeitsverhältnisse beendet werden können. Im Jahr 2019 endeten fast zwei Drittel aller Kündigungsschutzverfahren durch Vergleich, und deutlich weniger als zehn % durch Urteil (Destatis, Rechtspflege Arbeitsgerichte 2019, erschienen am 5. August 2020). Das zeigt: Der Wunsch nach einer Abfindung ist oft der eigentliche Grund für ein Gerichtsverfahren. Durch die Einführung einer Abfindungsoption kann ein Höchstmaß an Kalkulierbarkeit und Rechtssicherheit geschaffen werden, ohne dass für bestehende Arbeitsverhältnisse etwas am Kündigungsschutz geändert oder verschlechtert würde. Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten dann vertraglich vereinbaren, dass der Arbeitnehmer gegen die Zusage einer Abfindung auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet. Eine solche Option stärkt die Privatautonomie und die Vertragsfreiheit.
 
Kündigungsrecht weiterentwickeln
Darüber hinaus ist eine Weiterentwicklung des Kündigungsrechts notwendig:
 
  • Die Voraussetzungen für Änderungskündigungen müssen kalkulierbar gestaltet werden. Eine Anpassung von Arbeitsbedingungen durch eine Änderungskündigung kann ein Beitrag sein, den Arbeitsplatz zu erhalten und damit bestehende Beschäftigungsverhältnisse zu sichern.
  • Das Verfahren bei der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen muss rechtssicher ausgestaltet werden. Der Sonderkündigungsschutz sollte daher erst ab Vorlage des Schwerbehindertenausweises gegenüber dem Arbeitgeber gelten. Zudem ist erforderlich, dass die Integrationsämter zwingend innerhalb eines Monats entscheiden müssen, ob sie der Kündigung zustimmen. Das Merkmal der Schwerbehinderung sollte im Rahmen der Sozialauswahl keine gesonderte Berücksichtigung finden. Schwerbehinderte Arbeitnehmer werden bereits durch den Sonderkündigungsschutz des SGB IX und das darin vorgesehene Zustimmungserfordernis des Integrationsamtes ausreichend geschützt.
  • Im Betriebsverfassungsgesetz sollte klargestellt werden, dass nur das gänzliche Unterbleiben der Betriebsratsanhörung zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Dem Arbeitgeber muss es möglich sein, dem Betriebsrat auch im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens Informationen nachträglich mitzuteilen.
  • Der Annahmeverzug muss neu geregelt werden. Hierzu bietet sich eine Regelung an, wonach der Verzugslohnanspruch erlischt, soweit im Instanzenzug die Wirksamkeit der Kündigung bestätigt wird.
  • Das Vorhandensein eines berechtigten Arbeitgeberinteresses zur Beibehaltung der Personalstruktur (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG) sollte indiziert sein, wenn die gesamte Zahl der Kündigungen in allen Vergleichsgruppen im Verhältnis zur gesamten Belegschaft des Betriebs den Schwellenwert des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht.
18. November 2020

Kündigungsschutz