Arbeit wird immer sicherer. Seit 1970 ist die Zahl der Arbeitsunfälle je 1.000 Vollzeitbeschäftigte von fast 103 Unfällen auf nur 23,5 (2019) gesunken. Das ist ein Rückgang um 77 %. Die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ist in dieser Zeit sogar um zwei Drittel zurückgegangen (DGUV, 2020). Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei den Arbeitsunfällen (Eurostat, 2018) und tödlichen Arbeitsunfällen deutlich unter dem EU-Durchschnitt (Eurostat, 2019). Die Zahl der Beschäftigten, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, ist seit 1995 um 44 % zurückgegangen (Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, 2022). Der Krankenstand der gesetzlich Versicherten bewegte sich im Jahr 2022 mit 6 % wieder auf einem höheren Niveau als in den Vorjahren, in denen die Quote auf einem niedrigeren Niveau als zur Zeit der Einführung der Lohnfortzahlung im Jahr 1970 und nach der 1990 vollzogenen deutschen Einheit (Bundesgesundheitsministerium, 2020) lag. Der nun wieder leicht ansteigende Krankenstand kann u.a. auf eine verbesserte Datenlage und lückenlose Erfassung des Krankenstands durch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) zurückgeführt werden. Die Investitionen in Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz durch die Arbeitgeber, die gesetzliche Unfallversicherung und die Krankenkassen haben sich also gelohnt und den Stand von Fehlzeiten durch Arbeitsunfälle kräftig gesenkt.
Die Gefährdungsbeurteilung ist für alle Unternehmen das grundlegende Instrument im Arbeitsschutz. Hierbei werden Gefährdungen – z. B. in Bezug auf Chemikalien, Muskel-Skelett und psychische Belastung - bei der Arbeit ermittelt, dokumentiert, Maßnahmen zur Behebung durchgeführt und auch auf Erfolg kontrolliert. Bei einer repräsentativen Befragung der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie gaben 80 % der Verantwortlichen für Arbeitsschutz an, dass an den Arbeitsplätzen in ihrem Betrieb eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird (NAK & BAuA, 2017). Mit der Gefährdungsbeurteilung ermitteln Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes. Diese Arbeitsschutzmaßnahmen schließen Maßnahmen der Arbeitsgestaltung ein. Und auch hier sind Unternehmen nachweislich sehr engagiert: Beispielsweise erfüllen 90 Prozent der Betriebe den Mindeststandard eines ergonomisch gestalteten Arbeitsplatzes, davon waren etwa die Hälfte optimal gestaltet. Nur in 1 Prozent der Betriebe wurden ergonomisch ungünstig gestaltete Arbeitsplätze festgestellt. Auch in Kleinbetrieben findet man vielfach eine gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung vor (GDA, 2018).
Dennoch gibt es bei der Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung noch Luft nach oben: So werden in Unternehmen, die am sog. „Unternehmermodell“ (alternative Betreuung nach DGUV Vorschrift 2) teilnehmen, doppelt so häufig Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt wie in anderen KMU (BAuA, 2015). Kleinst- und Kleinbetriebe haben zum Teil Probleme bei der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung. Um hier Unterstützung zu schaffen, bedarf es passender Handlungshilfen, die branchenspezifisch alle wesentlichen Informationen zum Arbeitsschutz beinhalten.
Wenn der Arbeitsschutz die Pflicht ist, dann ist die betriebliche Gesundheitsförderung die Kür, an der sich eine zunehmende Zahl von Unternehmen freiwillig mit vielfältigen Maßnahmen beteiligt. 72% der Betriebsräte sagen, dass ihre Betriebe den Beschäftigten Maßnahmen im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) anbieten (Ahlers/Villalobos (2023), Ergebnisse der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021). Auch die Arbeitgeberverbände unterstützen diese Bemühungen. Der finanzielle Aufwand der Unternehmen für Prävention und Gesundheitsschutz ist erheblich: Von den rd. 35,9 Mrd. €, die im Jahr 2021 für Prävention, Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung insgesamt aufgewendet wurden, wurden über 10 Mrd. € und damit knapp 30 % von den Betrieben aufgebracht (Gesundheitsausgabenrechnung des Statistischen Bundesamts, abgerufen am 23. September 2023).
Neue Formen der Arbeit bieten die Möglichkeit, die eigene Arbeit als Beschäftigter selbst eigenverantwortlich(er) zu gestalten und damit die Chance, Lebensbereiche besser zu vereinbaren. Zusammen mit der wachsenden Eigenverantwortung wächst die Rolle der Gesundheitskompetenz der Beschäftigten. Diese Kompetenz beinhaltet u.a. das Wissen um eine günstige Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Der Arbeitgeber kann für mobiles Arbeiten geeignete Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, die Beschäftigten in deren Nutzung unterwiesen und Workshops zum korrekten Sitzen, oder zur Zeiteinteilung anbieten. Auf die Umsetzung müssen die Beschäftigten dann jedoch selbst achten – sei es nun im Homeoffice, im Café, Coworking Space oder in der Bahn.
Aber: 60% der Bevölkerung in Deutschland verfügen nur über eine niedrige Gesundheitskompetenz (Health Literacy Survey Germany, 2021). Es ist nachgewiesen, dass eine niedrige Gesundheitskompetenz beispielsweise mit schlechter Ernährung, wenig Bewegung und mehr Fehltagen am Arbeitsplatz verbunden ist. Dies macht deutlich: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben nur begrenzte Möglichkeiten bei der Prävention von arbeitsbedingten Erkrankungen. Menschen haben durch gesundheitskompetentes Handeln und ihre gesundheitskompetenten Entscheidungen auch vieles selbst in der Hand.
Die langfristige Entwicklung zeigt einen Rückgang der meldepflichtigen Arbeitsunfälle (Angaben je 1.000 Vollarbeiter im Bereich der gewerblichen Wirtschaft; bis 1990 Westdeutschland, ab 1991 Gesamtdeutschland).
Quelle: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, eigene Darstellung der BDA (Stand: 2020)