Entgeltgleichheit

Frauen und Männer zeigen noch immer ein sehr unterschiedliches Berufswahl- und Erwerbsverhalten, was sich auf Karriere und Einkommen auswirkt. Deshalb ist das Durchschnittsgehalt aller Frauen in Deutschland 16 % geringer als das aller Männer (Stat. Bundesamt, 2024). Aufgrund dieser Zahl wird der Mythos genährt, Frauen würden aufgrund ihres Geschlechts geringer bezahlt. Dieser Diskriminierungsvorwurf ist falsch. Stattdessen sind viele strukturelle Ursachen für die Einkommenssituation von Frauen verantwortlich.

Berufswahl- und Erwerbsverhalten von Frauen und Männern unterscheidet sich immer noch
  • Bei der Ermittlung der gesamtwirtschaftlichen Entgeltunterschiede wird das durchschnittliche Gehalt aller Arbeitnehmerinnen mit dem aller Arbeitnehmer verglichen, also beispielsweise eine Berufseinsteigerin im Einzelhandel in Mecklenburg-Vorpommern mit einem GeschäftsfĂĽhrer in der Metall- und Elektroindustrie in Bayern. Qualifikation, Berufserfahrung, Tätigkeit, Branche, Arbeitszeit usw. werden nicht berĂĽcksichtigt. Die veröffentlichten gesamtwirtschaftlichen Entgeltunterschiede beruhen daher nicht auf einem Vergleich von Entgelten von Männern und Frauen im selben Betrieb, mit vergleichbarer Qualifikation und bei derselben Tätigkeit.
  • Das Erwerbsverhalten von Frauen und Männern unterscheidet sich nach wie vor erheblich. Frauen und Männer sind z. B. in den einzelnen Branchen und Berufen sowie auf den Hierarchiestufen sehr unterschiedlich vertreten. Deutliche Unterschiede gibt es auch bei der individuellen Berufserfahrung. Diese Faktoren erklären auch, warum z. B. nicht alle Beschäftigten der gleichen Berufsgruppe das gleiche Gehalt erhalten. Ein Krankenpfleger auf einer Intensivstation mit fĂĽnfzehn Jahren Berufserfahrung verdient z. B. deutlich mehr als eine Krankenschwester auf einer normalen Krankenhausstation und mit nur drei Jahren Berufserfahrung.
  • Nach Abzug der vom Statistischen Bundesamt berĂĽcksichtigten Ursachen fĂĽr Entgeltunterschiede, wie Arbeitszeit, Bildungsstand oder Dauer der Betriebszugehörigkeit, bleibt ein bereinigter Entgeltunterschied von 6 % (Stat. Bundesamt, 2024).
Eine klischeefreie Studien- und Berufsberatung ist nötig
  • Frauen sind ĂĽberdurchschnittlich oft in Branchen und Berufen mit niedrigem VergĂĽtungsniveau bzw. geringeren Qualifikationserfordernissen tätig. Hierzu zählen vor allem Tätigkeiten im Bereich einfacher Dienstleistungen.
  • Eine breitere Nutzung des Berufs- und Studienwahlspektrums wĂĽrde gesamtwirtschaftliche Entgeltunterschiede verringern: Die TOP 5 der BerufswĂĽnsche von Mädchen aus dem breiten Spektrum der fast 330 Ausbildungsberufe sind immer noch medizinische Fachangestellte, BĂĽrokauffrau, Verkäuferin und Kauffrau im Einzelhandel sowie Zahnmedizinische Fachangestellte ().
    Auch die Studienfachwahl ist noch geschlechtsspezifisch geprägt. In den besonders zukunftsträchtigen und später oft mit höher dotierten Jobs verbundenen Fächern wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (sog. MINT-Fächer) sind Frauen deutlich seltener vertreten: Der Frauenanteil unter den erwerbstätigen MINT-Akademikern lag im Jahr 2021 bei 23,8 %, der Anteil unter den -Fachkräften sogar nur bei 11,3 % (IW, 2021).
  • Eine bessere Studien- und Berufsberatung, die auch ĂĽber Verdienstchancen aufklärt und mehr Frauen fĂĽr MINT-Berufe begeistert, ist dringend notwendig. Die Initiative klischee-frei.de mit der gleichnamigen Website ist ein erster Schritt zu einer Studien- und Berufsberatung, die frei von Rollenklischees ist.
Initiative Klischee-frei
Die Wirtschaft unterstützt die Initiative klischee-frei. Junge Menschen sollen das gesamte Berufsspektrum in den Blick nehmen und sich nicht davon leiten lassen, was vermeintliche Frauen- oder Männerberufe sind. Viele junge Frauen entscheiden sich nach wie vor für Ausbildungsberufe und Studiengänge, die nur begrenzte Verdienstchancen bieten. Wir wollen das ändern und damit auch dazu beitragen, dass die noch bestehenden Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern geringer werden.

www.klischee-frei.de
Eine funktionierende Kinderbetreuungsinfrastruktur trägt zur Verringerung der Entgeltlücke bei.
In Ostdeutschland werden über die Hälfte der Kinder unter drei Jahren in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege betreut, in Westdeutschland lediglich ein Drittel (). Dies trägt dazu bei, dass erwerbstätige Frauen in den neuen Ländern häufiger in Vollzeit arbeiten als Frauen in Westdeutschland. Der gesamtwirtschaftliche unbereinigte Entgeltunterschied liegt im Osten deshalb bei lediglich 5 %, während er im Westen 17 % beträgt ().
  • Die gute Betreuungssituation erleichtert Frauen eine umfangreiche Erwerbstätigkeit und damit den beruflichen Aufstieg: In Ostdeutschland ist der Frauenanteil in den FĂĽhrungspositionen sowohl auf der ersten FĂĽhrungsebene als auch auf der zweiten höher als in Westdeutschland ().
  • Auf der zweiten FĂĽhrungsebene sind Frauen in Ostdeutschland ihrem Beschäftigtenanteil mit 46 % entsprechend repräsentiert.
  • Die Arbeitgeber setzen sich seit Langem dafĂĽr ein, die Rahmenbedingungen fĂĽr mehr Vollzeit- bzw. vollzeitnahe Beschäftigung zu verbessern. DafĂĽr sind flankierend insbesondere der weitere Ausbau von hochwertigen, bedarfsgerechten und bezahlbaren Ganztagskindertagesstätten und Ganztagsschulen sowie die vollständige steuerliche BerĂĽcksichtigung von Kinderbetreuungskosten erforderlich.
Teilzeitarbeit und Erwerbsunterbrechungen bremsen Karrieren
  • Wer weniger arbeitet, erwirbt weniger berufliche Erfahrung und Kenntnisse und hat damit schlechtere berufliche Karriere- und Verdienstchancen. Reduzierte Arbeitszeiten und häufigere Erwerbsunterbrechungen sind daher ein wesentlicher Grund dafĂĽr, dass Frauen weniger weit aufsteigen und entsprechend weniger verdienen. 50 % aller erwerbstätigen Frauen in Deutschland arbeiten in Teilzeit (Statista, 2023), bei den MĂĽttern sind es rund 70 % (Stat. Bundesamt, 2023).
  • Finanzielle Anreize gegen die Aufnahme einer Arbeit bzw. fĂĽr eine Arbeit in nur geringem Umfang sollten beseitigt werden z. B. Steuerklasse III und V. Als steuerliche Entlastung sollten erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten im Rahmen steuerlicher Höchstgrenzen vollständig abzugsfähig sein.
Gleiche Arbeit beim gleichen Arbeitgeber wird gleich bezahlt
  • Wenn Frauen beim gleichen Arbeitgeber die gleiche Arbeit leisten wie ein Mann, dann werden sie auch gleich entlohnt. Das ist nicht nur betriebliche Praxis, sondern wird darĂĽber hinaus auch nach Recht und Gesetz verlangt.
  • Tarifvertraglich geregelte Eingruppierungsverfahren gewährleisten die gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit.
  • Eine branchenĂĽbergreifende Bewertung von Tätigkeiten als gleichwertig ist in keinem Fall möglich. Gesetzliche Reglementierungen zur Arbeitsbewertung wĂĽrden betriebs- und branchenspezifischen Besonderheiten nicht gerecht und wären ein Eingriff in die Tarifautonomie.
6. März 2025

Entgeltgleichheit