Befristete Arbeitsverträge bieten Arbeitssuchenden einen erfolgreichen Weg für einen Erst- oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Das gilt gerade auch nach langer Arbeitslosigkeit. Befristungen sind daher ein essenzieller Bestandteil des erfolgreichen deutschen Arbeitsmarkts
Mehr als drei Viertel der zunächst befristet Beschäftigten erhalten in ihrem Betrieb eine Anschlussbeschäftigung. Dabei ist der Anteil der Übernahmen in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in den letzten Jahren deutlich gestiegen (2009: 30 %, 2019: fast 45 %). Der Anteil der Beschäftigten, die nach einer Befristung nicht weiterbeschäftigt wurden, lag 2009 noch bei fast 40 %. Er ist stark rückläufig und beträgt 2019 nur noch knapp 25 %. Der Anteil der Befristungen an allen Beschäftigungsverhältnissen liegt seit Jahren stabil unter 10 %, im Jahr 2019 bei 7,2 %.
Befristungsmöglichkeiten erhalten und ausbauen
Befristete Arbeitsverhältnisse ermöglichen Arbeitgebern z. B. bei unsicherer Produktionserwartung, Beschäftigung schnell aufzubauen oder – wie in der Finanzkrise 2008/2009 oder auch in der derzeitigen Pandemie-Lage – zu halten. Anders als die öffentliche Hand, die sich mit der so genannten Haushaltsbefristung einen eigenen Rechtfertigungsgrund für Befristungen geschaffen hat, sind schwankende Auftragslagen und unsichere Zukunftsaussichten nach geltendem Recht keine ausreichende Begründung, einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Daher ist ganz besonders die kalendermäßige Befristung (so genannte sachgrundlose Befristung) von großer Bedeutung, um Beschäftigung zu sichern und neue Beschäftigung zu schaffen.
Die Beschränkung der Möglichkeit, befristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen, würde daher gerade für Personen mit deutlichen Vermittlungshemmnissen eine schwere Belastungsprobe werden. Natürlich brauchen auch Arbeitgeber und Unternehmen Handlungsspielräume, um flexibel auf Auftragsschwankungen reagieren zu können. Solche Befristungsverhältnisse bedeuten aber insbesondere eine wichtige Hilfe für Menschen, die es schwer am Arbeitsmarkt haben.
Notwendig ist nicht weniger, sondern mehr Flexibilität bei Beschäftigungsformen, die es Arbeitgebern erleichtern, auf Kundenwünsche zu reagieren und ihre Mitarbeiter flexibel und angepasst einzusetzen. Hierzu können sich z. B. Tariföffnungsklauseln anbieten, um das Recht der befristeten Arbeit weiter auszugestalten. Sie können ein Instrument der Stärkung und Festigung der Tarifautonomie sein. Das gilt für die tarifliche Gestaltung von Sachgründen ebenso wie für den Erhalt der Möglichkeit, kalendermäßige Befristungen über einen längeren Zeitraum als zwei Jahre und mehr als drei Verlängerungsperioden zu gestalten.
Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber auch das so genannte Ersteinstellungsgebot weiterentwickeln. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar mit seinen am 6. Juni 2018 verkündeten Beschlüssen (1 BVL 7/14 und 1 BVR 1375/14) entschieden, dass das sogenannte Ersteinstellungsgebot mit dem Grundgesetz unter bestimmten Bedingungen vereinbar ist. Das Ersteinstellungsgebot für kalendermäßige Befristung ist allerdings – wie sich aus den Entscheidungsgründen ebenfalls ableiten lässt – nicht von Verfassungswegen geboten. Um mehr Rechtssicherheit zu erreichen, sollten daher die vom Bundesverfassungsgericht genannten Beschränkungen für das Ersteinstellungsgebot standardisiert umgesetzt werden. Hierzu bietet es sich an, die Zeit auf nicht mehr als drei Jahre festzulegen, nach der eine kalendermäßige Befristung erneut beim selben Arbeitgeber genutzt werden kann.
Soweit der Einsatz befristeter Arbeitsverhältnisse bisher in der Rechtsprechung von den Arbeitsgerichten als rechtsmissbräuchlich klassifiziert worden ist, handelt es sich fast immer um Sachverhalte bei öffentlichen Arbeit- oder Dienstgebern. Meist liegen den Entscheidungen so genannte „Kettenbefristungen“ zugrunde, bei denen der Arbeitgeber über einen sehr langen Zeitraum mit demselben Beschäftigten regelmäßig mit dem Sachgrund der Vertretung befristete Arbeitsverhältnisse vereinbart. Zu Recht hat das Bundesarbeitsgericht dieser Entwicklung Schranken gezogen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könnte Eingang in das Teilzeit- und Befristungsgesetz finden, um einem als rechtsmissbräuchlich empfundenen Einsatz befristeter Arbeitsverhältnisse entgegenzuwirken. Darüber hinaus bedarf es einer Gesetzesänderung zur Bekämpfung von Missbrauch nicht, weil in den Unternehmen der Privatwirtschaft kalendermäßige Befristungen und Sachgrundbefristungen zurückhaltend und angemessen eingesetzt werden.
Befristungsgründe anpassen
Die Sachgründe für eine Befristung sollten an die betrieblichen Bedürfnisse angepasst werden. Insbesondere bedarf es einer ergänzenden Konkretisierung des Sachgrunds des „vorübergehenden Bedarfs“, um den Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, diesen Sachgrund rechtssicher zu nutzen. Denn die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen können Arbeitgeber bei einer stark volatilen Auftragslage nicht erfüllen. Ein „vorübergehender Bedarf“ sollte für die Wirksamkeit einer Befristung z.B. dann anerkannt werden, wenn ein Unternehmen ein neues Produkt entwickeln und auf den Markt bringen will, dessen Erfolg zunächst noch unklar ist, so dass noch keine belastbare Aussage über den Fortbestand des Beschäftigungsbedarfs neuer Mitarbeiter getroffen werden kann. Gleiches gilt z. B., wenn der Fortbestand einer Auftragslage nicht sicher vorhergesehen werden kann, weil der Arbeitgeber sich zunächst um einen Folgeauftrag oder einen neuen Auftrag bewerben muss. Eine rechtssichere Befristung gäbe auch Beschäftigten die Chance auf eine dauerhafte Beschäftigung.
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