Rote Karte für Bundesarbeitsminister Heil – keine politischen Löhne in der Altenpflege


BDA AGENDA 05/21 | THEMA DER WOCHE

Bundesarbeitsminister Heil drängte im Schulterschluss mit der Gewerkschaft ver.di massiv auf einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Altenpflege. Allein zu diesem Zweck wurde auf seine Initiative hin ein neuer Arbeitgeberverband gegründet (BVAP – Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche), dessen Mitglieder allerdings nur eine kleine Minderheit der etwa 1,2 Mio. Pflegekräfte beschäftigen. Dieser hatte mit der ver.di im Februar 2021 erstmals einen Tarifvertrag geschlossen, der mit Hilfe des Bundesarbeitsministers nach § 7a AEntG der gesamten Branche aufgezwungen werden sollte.

Zu einem Eigentor wurde dabei die notwendige Beteiligung der Kirchen. Sie hätten der AVE zustimmen und so als Mehrheitsbeschaffer den Weg für den allgemeinverbindlichen Minderheiten-Tarifvertrag ebnen sollen. Dabei haben die Kirchen den „Tarifvertrag Altenpflege“ von ver.di und BVAP gar nicht mitverhandelt und schließen auch sonst keine Tarifverträge ab. Vielmehr regeln sie ihre Arbeitsbedingungen auf Basis ihres kirchlichen Selbstbestimmungsrechts eigenständig (sog. Dritter Weg).

Hinzu kommt: bereits die Wirksamkeit des zwischen ver.di und BVAP vereinbarten Tarifvertrags, aber auch seine Repräsentativität für die Branche ist fraglich. Die Tariffähigkeit von ver.di im Bereich der (Alten-)Pflege ist aktuell Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Mit der Pflegekommission gibt es zudem ein seit Jahren bewährtes Verfahren zur Festsetzung von angemessenen Arbeitsbedingungen in der Altenpflege. Die Besonderheiten dieser Branche mit Einrichtungen aus dem privaten, öffentlichen und kirchlichen Bereich sowie der freien Wohlfahrtspflege werden dort berücksichtigt. So sitzen in dieser Kommission nahezu alle Akteure der Branche – und im Übrigen auch die ver.di – am Verhandlungstisch. Die Erstreckung des Tarifvertrags von ver.di/BVAP hätte die Arbeit der Kommission jedoch grundsätzlich in Frage gestellt. Diese Bedenken wurden nicht zuletzt gestützt durch zwei Rechtsgutachten im Auftrag der BDA und des bpa Arbeitgeberverbands.

Es war daher richtig, dass die kirchlichen Kommissionen trotz des hohen politischen Drucks dem Vorhaben am 25. und 26. Februar 2021 nicht zugestimmt haben.

Dieses beispiellose Vorgehen aus Teilen der Bundesregierung war ein eklatanter Angriff auf die Tarifautonomie und ein Versuch, eine ganze Branche, die von einer großen Trägervielfalt lebt, in Geiselhaft zu nehmen. Dies wäre auch eine gefährliche Blaupause für andere Sektoren gewesen. Eine politisch gewünschte „Staatspflege“, bei der wirtschaftliche Zusammenhänge, branchenspezifische Besonderheiten und die Tragfähigkeit der Pflegeeinrichtungen, der Beitragszahler in der Pflegeversicherung und nicht zuletzt der zu Pflegenden außer Acht bleiben, ist alles andere als nachhaltig und seriös. Die Pflegekommission ist das richtige Instrument, um Standards bei den Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Pflege zu setzen. Und auch die wichtige Frage, wie die stetig steigenden Mehrkosten in der Pflege langfristig finanziert werden sollen, ist wieder in den Vordergrund gerückt.