Notwendige Strukturreform bleibt weitgehend aus – stattdessen massive Belastung der Beitragszahlenden
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG)
23. September 2024
Zusammenfassung
Es besteht ein breiter Konsens über die dringende Notwendigkeit einer Krankenhausreform. Diese muss für eine Konsolidierung der Krankenhauslandschaft sorgen, um so die Versorgungsqualität zu verbessern, die begrenzten Personalressourcen zu schonen und Kosten zu sparen. Die Arbeitgeber haben für eine solche Reform bereits im November 2022 Vorschläge1 vorgelegt.
Diesen Zielen wird die geplante Krankenhausreform nicht gerecht. Vielmehr ist sie vor allem eins: Sehr teuer für die Beitragszahlenden – insbesondere durch die nicht gerechtfertigte Beteiligung an den Kosten des Transformationsfonds, das Durchreichen der vollständigen Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen und die weitere Einschränkung der Möglichkeiten, die Abrechnungen der Krankenhäuser zu prüfen. Dabei müssten vor dem Hintergrund der historisch höchsten, dynamisch steigenden Krankenkassenbeiträge und der absehbar weiter steigenden Renten- und Pflegebeiträge jetzt alle Anstrengungen darauf gerichtet sein, die Kosten im Krankenhausbereich, dem mit Abstand größten Ausgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung, deutlich zu begrenzen. Der Gesetzentwurf lässt dieses Bemühen jedoch vermissen. Es fehlt sogar eine Übersicht, in der die in den nächsten Jahren zu erwartenden finanziellen Auswirkungen der geplanten Reform für die Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung dargestellt werden. Der Blindflug im Gesundheitswesen, dessen künftige Finanzierung damit mehr denn je ungewiss ist, wird damit fortgesetzt.
Da die konkrete Ausgestaltung der strukturwirksamen Maßnahmen in Rechtsverordnungen ausgelagert wurde, ist unklar, ob die Reform zumindest teilweise auch zu ausgabensenkenden strukturellen Veränderungen führt oder ob es weiter bei den ineffizienten und qualitativ verbesserungsfähigen Strukturen bleibt.
Damit die mit dem Gesetzentwurf intendierten richtigen Ziele auch erreicht werden, müsste zumindest
- die vorgesehene Vorhaltevergütung auf maximal 40 % (inkl. Pflegebudget) gesenkt werden und an der potenziell zu versorgenden Bevölkerung statt am Fall orientiert werden.
- sichergestellt werden, dass die Länder nur an die Krankenhäuser Versorgungsaufträge vergeben dürfen, die die notwendigen Mindestvoraussetzungen und Mindestvorhaltezahlen erfüllen.
- sichergestellt werden, dass die Qualitätskriterien ausnahmslos gelten und in der Hoheit der Selbstverwaltung verbleiben.
- sichergestellt werden, dass die Länder ihren Investitionsverpflichtungen, auch für den notwendigen Umbau der Krankenhauslandschaft, nachkommen und die Kosten für die Infrastruktur und Daseinsvorsorge nicht – auch nicht teilweise – auf die Beitragszahlenden abgewälzt werden.
- bereits im Gesetz die notwendigen Strukturmaßnahmen festgeschrieben werden und nicht in Rechtsverordnungen, von denen unsicher ist ob, wann und wie sie kommen, ausgelagert werden.
Im Einzelnen
Vorhaltepauschalen: „Entökonomisierung“ führt in die Irre und setzt falsche Anreize
Die Krankenhausvergütung sollte grundsätzlich weiter nach dem Fallpauschalensystem erfol-gen. Es hat maßgeblich und erfolgreich zur Einhaltung der Beitragssatzstabilität und zur Kon-trolle der Krankenhauskosten beigetragen. Das aktuell vorgesehene Niveau der Vorhaltevergütung ist zu hoch und sollte – wie von der Krankenhauskommission vorgeschlagen – auf maximal 40 % (inkl. Pflegebudget) abgesenkt und an der potenziell zu versorgenden Bevölkerung und nicht am Fall orientiert werden. Eine in diesem Zusammenhang vom Bundesgesundheitsminister geforderte „Entökonomisierung“ der Krankenhausversorgung ist falsch und verteuert massiv die stationäre Versorgung, denn es bedarf wirtschaftlicher Anreize, um vorhandene Knappheiten zu minimieren bzw. Verschwendung zu vermeiden. Eine „Entökonomisierung“ ginge zu Lasten der Beitragszahlenden und würde die Verbesserung der Versorgung erschweren.
Fallpauschalen bieten grundsätzlich richtige Anreize zur effizienten Versorgung, denn damit wird nur für den für eine Leistung erforderlichen Aufwand bezahlt. Zudem stellen Fallpauschalen sicher, dass die Krankenhäuser für die Durchführung notwendiger Behandlungen auch angemessen honoriert werden, was im Interesse der Sicherstellung der Versorgung auch wünschenswert ist, damit Behandlungen nicht abgelehnt werden. Die Gefahr, dass durch Fallpauschalen Mengenausweitung provoziert wird, ist im Wesentlichen auf einige Prozeduren konzentriert. Ihr ließe sich aber auch durch zielgenaue Korrekturen statt durch eine grundsätzliche Abkehr vom Fallpauschalensystem begegnen.
Eine ergänzende erlösunabhängige Vorhaltefinanzierung zum Fallpauschalensystem kann dazu beitragen, dass auch in ländlichen Gebieten eine Grundversorgung, die sich nach der aktuellen Vergütungssystematik selbst nicht trägt, sichergestellt werden kann. Dabei ist jedoch sicherzustellen, dass durch eine Vorhaltefinanzierung kein allgemeiner Leerstand und kein Überangebot finanziert wird, sondern dass das vorgehaltene Angebot zumindest phasenweise vom potenziellen Bedarf ausgeschöpft wird. Die Vorhaltefinanzierung muss also bedarfsgerecht erfolgen und sich am Umfang der potenziell zu versorgenden Bevölkerung
orientieren. Dieses Ziel erreicht der vorgelegte Entwurf aufgrund der Orientierung der Vorhaltevergütung weiterhin am Fall gerade nicht. Durch eine mengenabhängige Bestimmung der Vorhaltevergütung werden kleinere Krankenhäuser, die ggf. zur Sicherstellung einer Grundversorgung in ländlichen Gebieten und damit zur Daseinsvorsorge benötigt werden, bei gleicher Kostenstruktur weiterhin benachteiligt mit den entsprechenden negativen Konsequenzen.
Zudem kommt es bei der Ausgestaltung auch maßgeblich auf die Höhe des Anteils der Vorhaltevergütung an. Bei einer Vorhaltevergütung von 60 % (inkl. Pflegebudget) – wie aktuell vorgesehen – ist zu erwarten, dass die Vorhaltevergütung über dem Niveau der Fixkosten liegt, wodurch eine deutliche Mengenreduktion (auch bei notwendigen Behandlungen), aber gerade keine Leistungsumschichtung oder Konzentration der Krankenhauslandschaft zu erwarten ist. In Anbetracht der absehbaren Ressourcenengpässe erhöht sich so das Risiko für Unterversorgung und Wartelisten[1]. Die Krankenhauskommission hingegen hatte eine Vorhaltevergütung in Höhe von 40 % (inkl. Pflegebudget) empfohlen[2].
Darüber hinaus muss gesetzlich sichergestellt werden, dass die Länder nur an die Krankenhäuser Versorgungsaufträge vergeben dürfen, die die notwendigen Mindestvorhaltezahlen erreichen. Nur so gelingt die Anknüpfung der Vorhaltefinanzierung an den Versorgungsauftrag.
Leistungsgruppen: Qualitätskriterien müssen ausnahmslos gelten und müssen in der Hoheit der Selbstverwaltung bleiben
- Es ist wichtig und richtig, dass die Leistungsgruppen bundeseinheitlich gelten und klare Qualitätskriterien verbindlich erfüllt werden müssen. Die Qualitätskriterien dürfen aber nicht – wie im Gesetzentwurf vorgesehen – nur „grundsätzlich“ gelten. Bei Qualitätskriterien dürfen keine Ausnahmetatbestände geschaffen werden – auch nicht befristet. Ebenfalls sollten keine Möglichkeiten eröffnet werden, dass die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen dem Krankenhaus Leistungsgruppen zuweisen können, deren Qualitätskriterien nicht erfüllt sind, wenn dies zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung zwingend erforderlich ist. Diese Ausnahme konterkariert den Sinn und Zweck von Mindestmengenvorgaben und Qualitätskriterien. Da die weitere Ausgestaltung in Rechtsverordnungen erfolgt, ist auch hier zu befürchten, dass weitere Ausnahmen durch die Länder „hineinverhandelt“ werden.
Jeder Ausnahmetatbestand schadet dem Vertrauen der Patientinnen und Patienten, dass das von ihnen gewählte Krankenhaus auch tatsächlich die erwartete Qualität hat, wenn es einer Leistungsgruppe angehört. Zugleich kann auch nur bei verpflichtender ausnahmsloser Umsetzung von Strukturvorgaben und Mindestmengen eine quantitative Konsolidierung der Krankenhauslandschaft erreicht werden. Nur so kann gleichzeitig die
Behandlungsqualität verbessert und die Versorgungslandschaft stärker ausdifferenziert werden.
Die geplanten bundeseinheitlichen, verbindlich umzusetzenden Strukturvorgaben sowie Mindestmengen für die Behandlung in Krankenhäusern sind ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen und qualitätsbasierten gestuften Krankenhausstruktur (Basisversorgung und spezialisierte Versorgung). Sie können für eine quantitative Konsolidierung der Krankenhauslandschaft bei gleichzeitiger Verbesserung der Behandlungsqualität und einer stärker ausdifferenzierten Versorgungslandschaft sorgen. Wie wichtig Spezialisierung für den Behandlungserfolg ist, zeigt z. B. die WiZen-Studie[1], die einen deutlichen Überlebensvorteil für Patientinnen und Patienten mit Krebs, die in zertifizierten Zentren behandelt werden, belegt.
- Die Hoheit über die Festlegung der Qualitätskriterien muss bei der Selbstverwaltung, sprich dem Gemeinsamen Bundesausschuss, verbleiben. Die fachliche und organisatorische Expertise der Selbstverwaltung muss genutzt werden. Die Schaffung von Parallelstrukturen in Bundes- und Länderhand würde zu nicht sachgerechten Lösungen und einem enormen Bürokratieaufbau führen. Zurecht gilt in Deutschland das Prinzip der Selbstverwaltung, nach dem der Staat nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Aufgaben vorgibt (SGB V), die Beitragszahlenden und die Träger des Gesundheitswesens sich jedoch selbst organisieren, um in eigener Verantwortung die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Dieses Prinzip ist ein konstitutives Merkmal unserer sozialen Marktwirtschaft und stellt die notwendige Staatsferne der Sozialversicherung sicher. Die Selbstverwaltung sorgt mit der Berücksichtigung der unterschiedlichen Expertise und Interessen für ausgewogene und lebensnahe Sachlösungen und stellt den Ausgleich von qualitativ hochwertigen Leistungen einerseits und effizientem und wirtschaftlichem Mitteleinsatz andererseits sicher. Dieses Erfolgsmodell wird – ohne Not – gefährdet und die Gesundheitsversorgung in Richtung einer „Staatsmedizin“ durch das Ministerium verschoben. Andere Länder – B. England – zeigen eindrücklich die negativen Seiten einer fehlenden Staatsferne des Gesundheitssystems.
Transformationsfonds: Staatliche Aufgaben der Infrastrukturfinanzierung nicht auf Beitragszahlende abwälzen
Der geplante Transformationsfonds darf nicht aus Krankenkassenbeiträgen finanziert werden. Die Kosten des Abbaus der von der Politik verursachte Überversorgung darf nicht zur Hälfte auf die Beitragszahlenden abgewälzt werden. Die im Entwurf vorgesehenen jährlichen 2,5 Mrd. € über einen Zeitraum von 10 Jahren aus Mitteln der Beitragszahlenden für den Transformationsfonds sind mit umgerechnet 0,15 Beitragssatzpunkten beitragssatzrelevant und treiben die Sozialabgaben noch weiter in die Höhe, anstatt sie möglichst wieder auf 40 % der Löhne und Gehälter zu begrenzen. Daher ist auch die im Gesetzentwurf enthaltene Aussage, die Erfüllung der geplanten Änderungen werden für die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger keinen Aufwand bringen, falsch. Sie werden mit zusätzlichen Beiträgen zur Krankenversicherung sehr wohl Belastungen ausgesetzt. Die vorgesehene Überwälzung von Kosten zur Strukturfinanzierung auf die Beitragszahlenden ist ordnungspolitisch falsch, verfassungsrechtlich fragwürdig und muss unterbleiben.
Die Bundesländer sind nach den Art. 70, 72 Abs. 2, 74 Abs. 1 Nr. 19a i. V. m. Art 104a GG und §§ 1 Abs. 1, 4 Nr. 1 und 6 KHG allein für die Finanzierung von Investitionen der von ihnen zu planenden Krankenhäuser zuständig. Wo ein Krankenhaus gebaut, erweitert, umstrukturiert oder geschlossen wird, entscheiden demnach die Länder und finanzieren daher auch die notwendigen Investitionsmaßnahmen. Auch für die Strukturierung und Sicherstellung einer flächendeckenden stationären Versorgung sind die Länder zuständig. Die Beitragszahlenden sind hingegen ausschließlich für die Betriebskosten, also alle Kosten, die für die Behandlung von Patientinnen und Patienten entstehen, über die Finanzierung durch die Krankenkassen zuständig.
Es widerspricht daher der deutschen Finanzverfassung, die Hälfte der Kosten des Transformationsfonds den Beitragszahlenden aufzubürden. Die Schaffung einer medizinischen Infrastruktur ist als Daseinsvorsorge Sache der Länder. Die Länder kommen jedoch ihrer Investitionsverpflichtung nicht hinreichend nach und investieren jedes Jahr mindestens 4 Mrd. € zu wenig in die Krankenhausinfrastruktur, wie der Bundesrechnungshof festgestellt hat[1].
Dass die Beitragszahlenden die Hälfte des Transformationsfonds – auf lange Dauer angelegt und in beitragssatzrelevanter Höhe – finanzieren sollen, ist daher verfassungsrechtlich fragwürdig. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 18. Mai 2021 (B 1 A 2/20R)[2] festgestellt, dass die durch die Sozialversicherung erhobenen Geldmittel allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden dürfen und nicht zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner sonstigen Glieder zur Verfügung stehen. Die Sozialversicherungsbeiträge sollen wegen ihrer strengen Zweckbindung weder den Bund oder die Länder noch sonstige staatliche Aufgabenträger zu eigenverantwortlichen finanziellen Entscheidungen befähigen. Genau dies könnte aber beim Transformationsfonds der Fall sein, weil er ausdrücklich der Entlastung der Länder bei ihrer Aufgabe für Finanzierung notwendiger Investitionen zur Umstrukturierung im Krankenhausbereich dienen soll.
Auch ein aktuelles Gutachten von Prof. Dr. Dagmar Felix[3] kommt zu dem Ergebnis, dass die Finanzierung der Transformation der Krankenhauslandschaft durch einen Zugriff auch auf Sozialversicherungsbeiträge rechtlich unzulässig ist, da es sich bei der Transformation der Krankenhausversorgung um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, die keinen hinreichend spezifischen Bezug zum Binnensystem der GKV aufweist.
Bevor auch nur an einen Transformationsfonds gedacht wird, sollten die Länder zunächst einmal ihrer Verpflichtung zur Investitionsfinanzierung vollumfänglich und in dem vom Bundesrechnungshof geforderten Umfang nachkommen.
Zusatzfinanzierung mit Augenmaß: Nicht alle Krankenhäuser müssen gerettet werden
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen zusätzlichen Finanzierungshilfen für Krankenhäuser wie die Erhöhung jährlicher Förderbeträge für bedarfsnotwendige ländliche Krankenhäuser, Zusatzzahlungen für einzelne Abteilungen usw. müssen mit Augenmaß erfolgen. Es darf nicht das primäre Ziel sein, alle – und damit auch unrentable – Krankenhäuser und nicht bedarfsnotwendige Fachabteilungen zu erhalten. Krankenhäuser und Fachabteilungen, die unwirtschaftlich sind, die Qualitätskriterien nicht erfüllen und für die Sicherstellung einer adäquaten Grundversorgung nicht notwendig sind, dürfen nicht durch immer neue Finanzspritzen künstlich am Leben gehalten werden.
Auch die Patientinnen und Patienten sind längst bereit für diese Neustrukturierung: Laut einer Bevölkerungsrepräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse vom 27. November bis 14. Dezember 20238 legen die Menschen in Deutschland großen Weg auf Qualität. So befürworten zwei Drittel der Befragten eine stärkere Spezialisierung der Kliniken. Sie finden gut oder sogar sehr gut, dass komplizierte Behandlungen künftig nur noch in dafür spezialisierten Häusern stattfinden, auch wenn das für manche Patientinnen und Patienten möglicherweise längere Wege zum behandelnden Krankenhaus zur Folge hat. Laut der Umfrage nehmen 94 % der Befragten bei geplanten Operationen auch einen längeren Weg in Kauf, um in einem spezialisierten Krankenhaus behandelt zu werden.
Krankenhausabrechnungen müssen vollständig überprüft werden können
Der vorgesehene Umstieg von Einzelfallprüfungen von Krankenhausrechnungen hin zu einer strukturierten Stichprobenprüfung unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung ist falsch und erschwert die Überprüfung der Einhaltung des im SGB V festgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsgebots. Es darf nicht sein, dass die Krankenhäuser durch die weitere gesetzliche Erleichterung von Falschabrechnungen saniert werden. Bereits die Begrenzung der Prüfung der Krankenhausrechnungen auf eine Prüfquote von maximal 15 % war ein Fehler. Sie hat zu einem deutlichen Rückgang des Regressvolumens der Krankenkassen geführt, ohne dass ersichtlich wäre, dass die Abrechnungen richtiger geworden wären. Es wäre für jeden Bürger und jedes Unternehmen undenkbar, Rechnungen blind zahlen zu müssen und einem Verbot der Überprüfung zu unterliegen. Diese Regelung setzt falsche Anreize zur überhöhten Rechnungsstellung, erschwert die notwendige Überprüfung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots und schwächt die Möglichkeit, gewünschte Einspareffekte zu realisieren. Bereits die heute geltende Prüfquote bei den Krankenhausrechnungen führt dazu, dass die Krankenkassen pro Jahr schätzungsweise 2 Mrd. € zu viel an die Krankenhäuser bezahlen müssen. Anstatt das Kind mit dem Bade auszuschütten, sollte besser das bestehende Prüfverfahren so weit wie möglich entbürokratisiert werden. Auf die vorliegenden Vorschläge der Krankenkassen hierzu sei insoweit verwiesen.
Behauptete Minderausgaben und Effizienzgewinne nicht plausibel – Kosten auf jeden Fall höher als Einsparungen
Laut Gesetzentwurf stehen den hohen Kosten der Reform ab dem Jahr 2025 Effizienzgewinne bzw. Minderausgaben gegenüber. Sie sollen sich aus einer verbesserten, qualitativ hochwertigeren Versorgung der einzelnen Patientinnen und Patienten sowie einer verbesserten stationären Versorgungsstruktur im Rahmen von Ambulantisierung, Bettenabbau, Spezialisierung, dem Entfallen medizinisch nicht notwendiger stationärer Krankenhausbehandlungen und durch Umwandlung der Krankenhausstandorte in sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen ergeben. Effizienzgewinne sind wünschenswert, aber es ist nicht plausibel, wie im Jahr 2025 den gesetzlichen Krankenkassen angeblich Minderausgaben von 330 Mio. € entstehen sollen und diese 2026 auf 1 Mrd. € und nachfolgend jährlich um jeweils 1 Mrd. € ansteigen sollen. Eine plausibilisierte Berechnung bleibt der Gesetzentwurf schuldig. Allein die über den Transformationsfonds finanzierten Kosten der Reform übertreffen die erwarteten Einsparungen deutlich. Nettoeinsparungen ergeben sich daher aus dem Gesetzentwurf nicht.
Außerdem müssen bereits im Gesetz die notwendigen Strukturmaßnahmen festgeschrieben werden, um sicherzustellen, dass die intendierten ausgabensenkenden strukturellen Veränderungen und Effizienzgewinne auch erreicht werden. Eine Auslagerung der konkreten Ausgestaltung in Rechtsverordnungen muss unterbleiben, da sonst die Gefahr besteht, dass es weiter bei den ineffizienten und qualitativ verbesserungsfähigen Strukturen bleibt.
Keine Tarifverhandlungen zu Lasten Dritter durch volle Tariflohnrefinanzierung für alle Beschäftigtengruppen ermöglichen
Die vollständige, umfassende und frühzeitige Tariflohnrefinanzierung aller Beschäftigtengruppen setzt falsche Anreize, führt zu erheblichen zusätzlichen Kosten und muss daher unterbleiben. Schon die vollständige Tariflohnrefinanzierung für das Pflegepersonal mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz war falsch. Die nun vorgesehene vollständige Tariflohnrefinanzierung für alle Beschäftigtengruppen würde dazu führen, dass Tarifsteigerungen in allen Beschäftigtengruppen zulasten Dritter ausgehandelt würden. Wenn keiner der Verhandlungspartner für die finanziellen Folgen der Verhandlungsergebnisse aufkommen muss, wird das Konzept der Lohnfindung durch Tarifverhandlungen ad absurdum geführt. Ein solcher Freibrief kann nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen. Zudem nimmt eine vollständige Refinanzierung nicht nur den Tarifvertragsparteien jeglichen Anreiz zu einem maßvollen Aushandeln von Lohnsteigerungen, sondern auch dem einzelnen Krankenhaus jeglichen Anreiz zum effizienten Personal- und Ressourceneinsatz. Mit der vollen Tariflohnrefinanzierung würde der Gesetzgeber – aufgrund der zukünftigen Tarifentwicklungen noch gar nicht absehbare – Mehrbelastungen für die gesetzliche Krankenversicherung schaffen, von denen die Versicherten nicht einmal einen unmittelbaren Nutzen hätten.
Fußnoten:
2 Vgl. Schmid et al. (2023): Analyse der Vorhaltevergütung zur Reform des Krankenhaussektors.
3 Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung (2022): Dritte Stellungnahme - Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung.
4 Schmitt et al. (2023): Krebserstbehandlung in zertifizierten versus nichtzertifizierten Krankenhäusern - Ergebnisse der vergleichenden Kohortenstudie WiZen. In: Deutsches Ärzteblatt 2023, Vol. 120, S. 647-654.
5 Bundesrechnungshof (2020): Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO, S. 32 f.
6 Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2021 (B 1A 2/20R),
8 Techniker Krankenkasse (2024): Umfrage zur Krankenhausreform: Qualität ist den Menschen wichtiger als Komfort.
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