Mit dem demografischen Wandel lässt sich nicht verhandeln


BDA AGENDA 01/22 | THEMA DER WOCHE | 13. Januar 2022
Wie mit dem Klimawandel lässt sich auch mit dem demografischen Wandel nicht verhandeln. Die rentenpolitische Antwort der neuen Regierungskoalition auf diesen Transformationsprozess überzeugt nicht.

Die neue Regierung hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Neben der Dekarbonisierung und der digitalen Transformation haben die Neukoalitionäre auch den demografischen Wandel als tiefgreifenden Transformationsprozess identifiziert. Wie tiefgreifend dieser Transformationsprozess sein wird, scheinen sie jedoch (noch) nicht verstanden zu haben. Diese Fehleinschätzung könnte die Rentenversicherung in der Zukunft vor große Finanzierungsschwierigkeiten stellen und damit auch die Haushaltslage zukünftiger Regierungen stark beeinträchtigen.

Die rentenpolitische Antwort des Koalitionsvertrages auf den tiefgreifenden demografischen Wandel ist erschreckend eindimensional: An den wesentlichen Stellschrauben, die über die Rentenausgaben entscheiden, soll nicht gedreht werden. Das gesetzliche Rentenalter soll unverändert bleiben und das Rentenniveau auf Dauer auf 48 Prozent festgeschrieben werden. Wie dies langfristig finanziert werden soll, lässt der Koalitionsvertrag jedoch offen.

Ein Rentenniveau von 48 Prozent dauerhaft zu versprechen ist unverantwortlich gegenüber künftigen Generationen und würde die Beitragszahler und Beitragszahlerinnen schon in nicht allzu ferner Zukunft finanziell stark belasten. Bereits bis 2035 würde der Beitragssatz zur Rentenversicherung dann von heute 18,6 Prozent auf etwa 25 Prozent in die Höhe schnellen. Daran könnte auch der geplante Einstieg in eine teilweise kapitalgedeckte Finanzierung der Rentenversicherung kaum etwas ändern, schon weil die hierfür geplante Summe bezogen auf das Rentenvolumen nur gering ist.

Wir brauchen ein Umdenken in der Rentenpolitik. Wie der Klimawandel lässt sich auch der demografische Wandel nicht einfach ignorieren. Und wie bei der Begrenzung des Klimawandels gilt auch bei der Bewältigung des demografischen Wandels, dass Schnelligkeit geboten ist, da mit dem nahenden Renteneintritt der Babyboomer die Finanzierbarkeit der Renten schon bald deutlich schwerer wird. Deshalb muss jetzt gehandelt werden: Bei der jährlichen Rentenanpassung sollte künftig wieder die Entwicklung der Zahl der Beitragszahler und der Rentner einfließen und rechtzeitig vor dem Auslaufen der aktuellen Altersgrenzenanhebung auf 67 Jahre über eine weitere Anpassung des gesetzlichen Rentenalters entschieden werden. Beide Maßnahmen würden in der Rentenpolitik für die Nachhaltigkeit sorgen, die sich die neue Regierungskoalition zu Recht in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen hat.