Innovationen brauchen Freiräume
BDA AGENDA 2/23 | KOMMENTAR DER WOCHE | 26. Januar 2023
Ilka Horstmeier, Mitglied des Vorstands der BMW AG, Personal und Immobilien, Arbeitsdirektorin
Die flexible Gestaltung von Arbeitszeit ist eine Errungenschaft modernen Arbeitens. Ein neues Gesetz zur Zeiterfassung muss Unternehmen und Mitarbeitenden gleichermaßen Spielräume ermöglichen.
Wie sehen die Arbeitstage in Ihrem Unternehmen aus? Ich bin mir sicher, die Antwort darauf fällt vielfältig aus. Menschen arbeiten heute unterwegs, im Home-Office, im Büro. Wann sie wie viel arbeiten, bestimmen sie vielfach selbst. Wir nennen das Vertrauensarbeitszeit. Sie ist eine Errungenschaft modernen Arbeitens, keiner möchte sie mehr missen, Unternehmen genauso wenig wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Flexibilität bei der Arbeitszeit prägt in vielen Unternehmensbereichen heute den Arbeitsalltag. Es ist zu begrüßen, dass auch das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss zur Arbeitszeiterfassung kein Zurück zur Stechuhr verlangt. Eine erste Lesart der Entscheidungsbegründung lässt Spielräume erkennen. Jetzt brauchen Unternehmen so schnell wie möglich Rechtssicherheit in Form eines Gesetzes, dass die Eckdaten zur Arbeitszeiterfassung ausbuchstabiert und dabei die Brandbreite der gelebten und bewährten Praxis in den Unternehmen absichert.
Wie sieht diese Praxis aus? Arbeitszeit über den Tag hinweg einteilen, im Home-Office die Arbeit unterbrechen, weil der Handwerker klingelt, am Abend noch einen interessanten Fachartikel lesen und auf einem Spaziergang die Eingebung haben, wie ein Problem zu lösen ist – ein exakter Anfang und ein scharfes Ende von Arbeitszeit lassen sich oftmals nicht genau definieren. Eine Verpflichtung zu akribischer Zeiterfassung und Pausendokumentation wären kaum umsetzbar und obendrein belastender Bürokratieaufwand. Vielmehr brauchen und schätzen wir Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung.
Diese Flexibilität gerät jedoch immer öfter in Konflikt mit einem starren Arbeitszeitgesetz, das feste Ruhezeiten vorschreibt: Auf eine freiwillige Arbeitsphase am Abend müssen elf Stunden Ruhezeit folgen. Wer einen kreativen Schub in einem Designprojekt ausnutzen möchte, ist verpflichtet, nach zehn Stunden Arbeitszeit abzubrechen. Dabei würde man gerne heute länger machen und dafür an einem anderen Tag früher die Arbeit beenden.
Ein neues Gesetz muss daher unbedingt Flexibilität ermöglichen. Besonders für junge Bewerber ist die Frage der Arbeitszeitgestaltung ein zentraler Aspekt. Flexibilität ein hohes Gut. Nur so können Unternehmen Talente gewinnen, wettbewerbsfähig bleiben und Innovationen vorantreiben. Ein Arbeiten nach Stundenplan wird den Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt nicht mehr gerecht. Wir brauchen die Möglichkeit freier Zeiteinteilung. Sie schafft Freiräume für das Unternehmen und für die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist die Voraussetzung dafür, moderne Arbeitsweisen zu praktizieren. Wer diese Spielräume nutzen möchte, sollte dies auch in Zukunft tun können.
Kurzum: Die Arbeitswelt ist im Wandel. Wenn die Politik nun das Arbeitszeitgesetz ins Visier nimmt, wäre eine Generalüberarbeitung erstrebenswert. Eine zeitgemäße Gesetzgebung wäre ein wichtiger Schritt für einen starken Wirtschaftsstandort Deutschland.