Deutschland braucht den Standortbooster
BDA AGENDA 24/24 | KOMMENTAR DER WOCHE | 5. Dezember 2024
Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH)
Eine konjunkturelle Trendumkehr kommt nicht von allein und schon gar nicht durch eine Politik der ruhigen Hand. Nur eine Wirtschaftspolitik, die alle gleichermaßen stärkt – vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum globalen Konzern – und die die Standortbedingungen für alle verbessert, kann die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen.
Sektorale Ansätze, die sich auf einzelne Branchen konzentrieren, greifen zu kurz. Sie erzielen allenfalls punktuelle Fortschritte, vermögen aber nicht, den dringend benötigten gesamtwirtschaftlichen Aufschwung zu bewirken. Notwendig ist eine Strategie, die an zentralen Stellschrauben ansetzt und allen Betrieben und Unternehmen zugutekommt. Es braucht einen umfassenden Standortbooster.
Für das personalintensive Handwerk besonders alarmierend sind die immer weiter steigenden Sozialabgaben. Sie haben bereits die 40-Prozent-Marke überschritten, und ein Ende des Anstiegs ist nicht in Sicht. Noch gravierender: Im politischen Raum ist kein Reformwille erkennbar, nicht einmal die Bereitschaft, in die Diskussion über grundsätzliche strukturelle Reformen einzusteigen. Es krankt massiv an Veränderungsbereitschaft angesichts einer so offensichtlich bestehenden Veränderungsnotwendigkeit. Dass Veränderungsnotstand besteht, diese Einsicht fehlt. Ohne Reformen jedoch droht bis 2040 eine Belastung von 50 Prozent des Bruttolohns – untragbar für personalintensive Wirtschaftsbereiche wie das Handwerk. Betriebe und Beschäftigte müssen entlastet werden!
Ein weiterer zentraler Hebel ist bezahlbare Energie. Die hohen Energiekosten treffen nicht allein die Industrie, sondern natürlich auch das Handwerk, dort vor allem die energieintensiven Gewerke. Die Stromsteuer muss auf das europäische Mindestmaß gesenkt, die Netzentgelte reduziert werden. Nur so bleibt die Produktion bezahlbar, und Betriebe können wettbewerbsfähig bleiben.
Ein wahrer Wachstumsbremser ist die überbordende Bürokratie. Die kaum mehr zu überblickenden Dokumentations- und Nachweispflichten rauben Zeit, kosten Geld und ersticken Innovationen. Die Betriebe brauchen einen echten Befreiungsschlag: weniger Vorschriften, weniger Formalitäten: Das schafft Raum für unternehmerisches Handeln.
Eines ist klar: Deutschland wird um strukturelle Reformen nicht herumkommen, sollen die Standortbedingungen nachhaltig besser werden. Einfach mehr Geld bereitzustellen und anzunehmen, dann wendet sich schon alles zum Guten, das verkennt die Ursachen für die derzeitige Investitionszurückhaltung. Denn es fehlen nicht die Mittel, sondern Unsicherheit, politische Unzuverlässigkeit und Standortdefizite halten vom Investieren ab. Wettbewerbsfähigkeit lässt sich jedoch nicht herbeisubventionieren, sie muss erarbeitet werden.
Es geht darum, das Land wieder zukunftsfähig zu machen: Das Handwerk wie die deutsche Wirtschaft insgesamt brauchen eine Politik, die den Standort stärkt und Belastungen verringert. Nur mit einem echten Standortbooster kann die Wirtschaft wieder wachsen, Innovation gedeihen und die Zukunft zuversichtlich angepackt werden.