Die gute Gestaltung mobiler und hybrider Arbeit ist eine Kernaufgabe der Sozialpartner


BDA AGENDA 9/23 | KOMMENTAR DER WOCHE | 04. Mail 2023

Dr. Thomas A. Lange, Vorsitzender des Vorstandes der National-Bank AG, Vorsitzender Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes (AGV Banken)

Die Annahme, nach zwei Jahren pandemiebedingter Mobilarbeit habe sich das „neue Normal“ in der Arbeitswelt bereits manifestiert, erweist sich als Trugschluss – zu stark haben sich allein im zurückliegenden Jahr die Anteile von Büro- und Mobilarbeit in Richtung einer ausgewogenen Mischung verschoben. Um die großen Vorteile dieser neuen hybriden Arbeitsformen nutzen zu können, müssen wir die Rahmenbedingungen dafür sorgsam und differenziert gestalten. Das kann niemand besser als die Sozialpartner.

Das Thema Mobilarbeit ist so aktuell wie nie, aber die Datenlage dazu war bislang überschaubar. Jetzt gibt es neueste Erkenntnisse zu allen relevanten Aspekten: Soeben hat der AGV Banken eine umfassende Studie zu mobiler und hybrider Arbeit > veröffentlicht, die auf Erhebungsdaten vom Februar 2023 basiert und erstmals die Auswirkungen der neuen hybriden Arbeitsformen nach dem Ende der Pandemie abbildet. Die Ergebnisse sind erfreulich: Mobile und hybride Arbeit mit ihrer Kombination aus räumlicher und zeitlicher Flexibilität führt weder zu erhöhter Arbeitszeit noch zu schlechterem Abschalten, sondern wirkt im Gegenteil auf die Beschäftigten ganz überwiegend positiv und entlastend – zum einen durch die höhere Autonomie, aber auch, weil Unternehmensleitungen, Führungskräfte und Belegschaften in den Pandemiejahren erheblich dazugelernt haben und überwiegend verantwortungsvoll mit den neuen Freiheiten umgehen. Inzwischen respektieren die meisten die Grenze zum Privaten und wissen, wo der „Aus“-Knopf ist.

Vor allem jedoch belegt die Untersuchung, was wir alle in den Betrieben wahrnehmen: Im ersten Jahr nach der Pandemie verändert sich Arbeitsorganisation noch einmal spürbar, die wissensbasierten Dienstleistungen sind mitten in der hybriden Arbeitswelt angekommen – mit einer Vielzahl neuer Kombinationen von mobiler und stationärer Büroarbeit. Damit setzt sich beschleunigt fort, was die fortschreitende Digitalisierung bereits vor der Pandemie in Gang gesetzt hatte: Die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen wird kleinteiliger. Und das „neue Normal“ wird sich weiter verändern, so wie sich der Umgang mit mobiler Arbeit bereits in den vergangenen drei Jahren gravierend verändert hat – von angeordneter Mobilarbeit in der ersten Pandemiephase über ein erstes Austarieren zwischen Mobil- und Büroarbeit in den zurückliegenden beiden Jahren bis zur aktuellen post-pandemischen Phase, in der sich das Beste aus beiden Arbeitswelten zu paaren scheint. Aber auch dieser Prozess ist noch längst nicht abgeschlossen.

Gefragt sind deshalb immer stärker differenzierte Lösungen, um die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten mit den Zielen ihrer Unternehmen und Organisationen in Einklang zu bringen. Deshalb brauchen wir unterschiedliche Gestaltungmöglichkeiten, je nach Situation in einzelnen Branchen, Unternehmen, Geschäftsmodellen, Tätigkeiten und – ja: auch Lebenslagen von Beschäftigten. Wenn wir uns also anschicken, die Rahmenbedingungen für ein gutes „neues Normal“ zu gestalten, sollten wir sehr genau hinsehen, was wir auf welcher Ebene regulieren wollen oder sollen. Es spricht vieles dafür, den Sozialpartnern mit ihrer Gestaltungskraft und ihrer hohen Expertise in diesem Prozess eine herausgehobene Stellung zuzuweisen. Gerade in Umbruchzeiten tun wir gut daran, uns auf die Kernaufgabe der Sozialpartnerschaft zu besinnen: die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen.

Grafikband zur Studie >