Deutschland verliert den Anschluss -
Zeit für mutige Reformen

BDA AGENDA 20/25 | KOMMENTAR DER WOCHE | 02. Oktober 2025
Von Thomas Bürkle, Präsident der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW)
In den Unternehmen wächst die Sorge: Unser Land verliert Schritt für Schritt seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Es ist höchste Zeit für eine klare politische Kurskorrektur.
Globale Machtverschiebungen, wachsender Protektionismus, schwache Konjunktur und hausgemachte Versäumnisse belasten unseren Standort wie seit Jahrzehnten nicht. In den Unternehmen wächst die Sorge: Unser Land verliert Schritt für Schritt seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Es ist höchste Zeit für eine klare politische Kurskorrektur.
Wir haben uns zu lange auf vergangenen Erfolgen ausgeruht. Heute haben wir eine der höchsten Abgaben- und Steuerlasten weltweit, Sozialausgaben erreichen Rekordhöhen und die Bürokratie wächst schneller als sie abgebaut wird. Das hemmt Investitionen, bremst Innovationen und gefährdet Arbeitsplätze. Wer glaubt, dass unser Wohlstand ohne mutige Reformen gesichert werden kann, irrt gewaltig.
Deutschland braucht eine Politik, die Beschäftigung stärkt und Unternehmen entlastet. Bürokratieabbau darf nicht länger nur angekündigt werden, sondern muss konsequent umgesetzt werden. Wer Investitionen in neue Werke, Technologien oder Netze will, darf nicht zulassen, dass Projekte jahrelang in Aktenordnern verstauben. Gleichzeitig müssen Steuern und Abgaben spürbar sinken, um Unternehmen wieder Spielraum für Investitionen zu geben. Der Sozialstaat muss langfristig tragfähig werden und darf Arbeit nicht immer weiter verteuern. Dafür müssen wir ihn neu justieren.
Ein besonders drängendes Beispiel für überbordende Regulierung sind das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die EU-Lieferkettenrichtlinie. Sie bringen keine echten Mehrwerte, sondern vor allem Bürokratie, Kosten und Wettbewerbsnachteile. Deshalb braucht es ihre ersatzlose Streichung. Der Schutz von Menschenrechten und Umwelt bleibt selbstverständlich zentral – doch die Durchsetzung globaler Standards ist Aufgabe der Staaten, nicht einzelner Unternehmen.
Entscheidend sind auch die Weichenstellungen in der Energiepolitik: Versorgungssicherheit, Planbarkeit und wettbewerbsfähige Preise müssen wieder ins Zentrum rücken. Ohne bezahlbare Energie hat unsere Industrie keine Zukunft. Zudem müssen wir schneller werden bei der Fachkräftesicherung: Digitalisierung und Dekarbonisierung gelingen nur mit qualifizierten Arbeitskräften.
Angesichts des wachsenden Protektionismus erwarten wir von der EU-Kommission mehr Tempo beim Abschluss neuer Freihandelsabkommen. Nur durch den Abbau von Handelsschranken und den Ausbau internationaler Kooperationen können wir unseren Wohlstand sichern.
In zentralen Zukunftstechnologien – von Cloud-Infrastrukturen über Halbleiter bis hin zu Künstlicher Intelligenz – ist Europa stark von außereuropäischen Anbietern abhängig. Das birgt nicht nur wirtschaftliche Risiken, sondern auch strategische Verwundbarkeiten. Umso wichtiger ist es, eigene Cluster und Technologieökosysteme in Europa zu schlagkräftigen, agilen Einheiten auszubauen. Gerade der Mittelstand kann dabei als Impulsgeber und Partner entscheidend dazu beitragen, Innovationskraft zu bündeln und die technologische Souveränität Europas zu stärken.