Die MINT-Arbeitskräftelücke bleibt trotz konjunktureller Abkühlung auf einem der höchsten Werte für den Monat April. Die größten Engpässe bestehen in den Bereichen Energie/Elektro, Maschinen- und Fahrzeugtechnik und IT.
Berlin, 24. Mai 2023. Der „MINT-Frühjahrsreport“ zeigt, dass die Fachkräftelücke im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) trotz konjunktureller Abkühlung auf hohem Niveau bleibt. Die MINT-Fachkräftelücke erreicht im April 2023 mit insgesamt 308.400 einen der höchsten Werte für den Monat April. Differenziert man die MINT-Fachkräftelücke nach MINT-Bereichen, so zeigen sich die größten Engpässe in den Energie-/Elektroberufen mit 88.600, in den Berufen der Maschinen- und Fahrzeugtechnik mit 56.600 und in den IT-Berufen mit 50.600. An vierter Stelle folgen die Bauberufe mit 40.000. In den kommenden Jahren dürften die Engpässe an MINT-Kräften weiter steigen, denn die Unternehmen erwarten steigende Bedarfe an MINT-Kräften, um z. B. die Herausforderungen von Klimaschutz und Digitalisierung zu meistern. Zugleich führt der demografische Wandel zu steigenden Ersatzbedarfen, während die Studienanfängerzahlen und auch die Anzahl an MINT-Auszubildenen gesunken sind.
Prof. Dr. Axel Plünnecke, Leiter Themencluster Bildung, Innovation und Migration am Institut der deutschen Wirtschaft Köln: „Die MINT-Lücke wäre heute noch dramatisch höher, wenn in den letzten zehn Jahren nicht erste Erfolge zur MINT-Fachkräftesicherung bei Frauen, Älteren und Zuwanderern erreicht worden wären. Der Frauenanteil in MINT-Berufen hat von 13,8 Prozent Ende 2012 auf 16,0 Prozent im September 2022 zugenommen. Die MINT-Beschäftigung von Personen im Alter ab 63 Jahren ist in den letzten zehn Jahren stark gestiegen und hat damit einen hohen Anteil zur MINT-Fachkräftesicherung beigetragen. Unter ausländischen Arbeitskräften ist die Beschäftigungsdynamik besonders groß – ohne Erfolge bei der Zuwanderung würden rund 385.700 MINT-Fachkräfte zusätzlich fehlen.“
Indra Hadeler, Geschäftsführerin Bildung und Internationale Beziehungen des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall: „Den erneuten Anstieg der Fachkräftelücke in den Energie- und Elektroberufen um 6.100 Personen im Vergleich zum Vorjahr müssen wir als ein deutliches Alarmsignal verstehen. Um die Energiewende stemmen zu können, sind wir dringend auf mehr Fachkräfte aus diesem Bereich angewiesen. Das gilt für sämtliche Qualifikationsniveaus, vom Facharbeiter bis zum Spezialisten. Die Metall- und Elektroindustrie ist eine der Schlüsselindustrien in den Bereichen Zukunftstechnologie und Innovation. Für das Erreichen der großen Nachhaltigkeitsziele ist die M+E-Industrie mit zuletzt rund 100,7 Milliarden Investitionsaufwendungen also ein wichtiger Weichensteller für Deutschland. Um den Anschluss nicht zu verlieren, müssen die zukünftigen Fachkräfte jetzt für MINT-Fächer begeistert werden. Das bedeutet, dass wir insbesondere bei der MINT-Förderung jetzt nicht nachlassen dürfen, so dass die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der deutschen M+E-Industrie nicht gefährdet sind."
Christina Ramb, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA: „MINT-Berufe sind für unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit für den Wohlstand Deutschlands von zentraler Bedeutung. Um sie zu stärken, bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung und Kommunikation. Lehrkräfte, Eltern und Wirtschaft müssen klar machen: MINT-Berufe sind für Zukunftsfragen, wie z. B. die Transformation unserer Wirtschaft hin zur Klimaneutralität oder für eine nachhaltige Energieversorgung, essenziell. Wir brauchen möglichst viele MINT-Fachkräfte. Dafür gibt es verschiedene Hebel: Frauen für MINT begeistern, Auszubildende und Studierende in der anspruchsvollen MINT-Ausbildung begleiten, damit sie durchhalten, ältere Beschäftigte länger im Beruf halten und Zuwanderung bewerben und ermöglichen. Dazu brauchen wir vereinfachte Verfahren und eine ausgeprägte Willkommenskultur in Betrieben und Gesellschaft. Denn schon heute wäre die MINT-Fachkräftelücke ohne ausländische Beschäftigte deutlich höher.“
Prof. Dr. Christoph Meinel, Vorstandsvorsitzender von MINT Zukunft schaffen: „Die Attraktivität des MINT-Unterrichts an Schulen muss zwingend gesteigert werden, da diese eine entscheidende Rolle spielt, um sowohl den Anteil der Mädchen in MINT-Fächern zu erhöhen als auch die Anzahl MINT-affiner Schulabgänger zu steigern. Dies zeigt sich deutlich in der Praxis bei Schulen, die ein MINT-Siegel tragen. Ein verstärkter Fokus auf die MINT-Bildung sowie der konsequente Einsatz digitaler Technologien in Bildungseinrichtungen – sowohl im Unterricht als auch in der Organisation – bereitet Schülerinnen und Schüler bestmöglich auf zukünftige Herausforderungen vor und sichert so die Grundlage für Deutschlands Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit.“
Edith Wolf und Dr. Ekkehard Winter, Vorstände des Nationalen MINT Forums: „Die immens hohe MINT-Fachkräftelücke in Höhe von 308.400 Personen ist ein alarmierendes Signal. Sie zeigt deutlich: Die Bedeutung der MINT-Bildung muss in der Politik höhere Priorität erhalten. Dazu sollte die Förderung der MINT-Aktionspläne mit längerfristigen Perspektiven versehen und die Gelder für die stetige MINT-Förderung fest im Budget des Ministeriums für Bildung und Forschung verankert werden. Darüber hinaus braucht es nicht nur die vertikale Kooperation zwischen den einzelnen Akteuren der Bildungskette, sondern auch die horizontale Kooperation zwischen den einzelnen politischen Ressorts, da die MINT-Fachkräftelücke nicht allein über Maßnahmen der Bildungspolitik geschlossen werden kann.“
Den MINT-Frühjahrsreport 2023 finden Sie hier.
Über den MINT-Report
Der MINT-Report wird zweimal jährlich vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln erstellt. Die Studie entsteht im Auftrag folgender Mitglieder des Nationalen MINT Forums: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Arbeitgeberverband Gesamtmetall und MINT Zukunft schaffen.