Christian Lindner MdB, Bundesminister der Finanzen:
Jetzt ist die Zeit für Angebotspolitik


BDA AGENDA 9/22 | KOMMENTAR DER WOCHE | 13. Mai 2022

Jetzt ist die Zeit für Angebotspolitik

Unsere Volkswirtschaft befindet sich in einer kritischen Phase. Wachstumsprognosen werden sukzessive nach unten gestuft, die Inflation bleibt dagegen ungebrochen hoch. Die Warnsignale vor einer Stagflation sind unübersehbar. Ich nehme die Gefahr ernst. Oberste Priorität meiner Finanzpolitik ist in der aktuellen Situation, neues Wachstum zu generieren und weiteren Preissteigerungen entgegenzuwirken. Stagflationsrisiken werde ich mich entschieden entgegenstellen.

Der Angriffskrieg Putins hat zu Angebotsschocks geführt. Deswegen müssen wir mit klassischer Angebotspolitik reagieren. Um aus der Krise herauszuwachsen, brauchen wir Produktivitätssteigerungen. Wir erreichen sie, indem wir die Bedingungen für private Investitionen verbessern. Dafür werden wir Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Aus meinem Haus werden zusätzlich Hebel kommen, die privates Kapital entfesseln.

Außerdem müssen wir auf neue Belastungen jeglicher Art verzichten. Es steht jedem frei, Steuererhöhungen zu fordern. Mit den Freien Demokraten in Regierungsverantwortung wird es sie aber nicht geben. Das ist auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Deutschland ist bereits ein Höchststeuerland. Noch höhere Steuern würden Wachstum abwürgen, denn sie schwächen unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit und gefährden dringend benötigte private Investitionen. Sie würden auch weitere Inflationssignale senden, weil neue Belastungen für die Mitte der Gesellschaft den Druck auf Lohnerhöhungen befeuern. Deswegen ist es richtig, dass wir stattdessen auf Entlastungsimpulse setzen.

Um auf geldpolitische Reaktionen der EZB vorbereitet zu sein, müssen wir weiter die Stabilität der deutschen Staatsfinanzen sicherstellen. Deswegen ist die schnellstmögliche Rückkehr zur Schuldenbremse nicht nur ein Auftrag von Verfassungsrang, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit. Nach derzeitigem Stand werden wir sie 2023 einhalten.

Diese ökomische Notwendigkeit steht vor der Klammer aktueller Krisenmaßnahmen. Wir brauchen Wirtschaftshilfen und Entlastungen, um gesamtwirtschaftliche Verwerfungen zu verhindern. Doch anders als bei Corona geht es nicht um eine Brücke zur Erhaltung des Status Quo. Es geht darum, Strukturbrüche bei massiv beschleunigten – aber ohnehin anstehenden – Transformationen zu verhindern. Gleichzeitig dürfen staatliche Unterstützungsmaßnahmen nicht die Preise treiben. Daher bleiben die Hilfen gezielt, befristet und zukunftsgewandt. Aus gutem Grund setzen wir auf Stoßdämpfer, nicht auf die Bazooka.

Die geopolitische Lage stellt unser Land vor die Herausforderung, Quellen des Wachstums neu zu organisieren. Lieferketten setzen sich neu zusammen, Strukturen verändern sich, neue Geschäftsmodelle werden notwendig. Diesen Wandel erreichen wir nicht durch Subventionen und Umverteilung. Wir erreichen ihn, indem wir Innovationskraft, Ideenwettbewerb und Unternehmertum Raum geben. Beste Bedingungen für die Marktwirtschaft sind die richtigen Antworten auf wirtschaftliche Unsicherheiten.