Bei Wirtschaftsweisen ist ordnungspolitischer Kurs Mindermeinung
BDA AGENDA 23/2024 | THEMA DER WOCHE | 21. November 2024
Der Sachverständigenrat (SVR) analysiert die Wachstumsschwäche der deutschen Volkswirtschaft klar und deutlich: Seit 5 Jahren gab es kein Wachstum mehr. Strukturelle Probleme, wie ein dauerhaft gesenktes Produktionspotenzial und leidende Wettbewerbsfähigkeit, sind die Folge.
Aufhellung der Konjunktur ist nicht in Sicht
Für das laufende Jahr ist erneut mit einem leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung zu rechnen. Auch für 2025 erscheint die pessimistischere Prognose des SVR von 0,4 % Wachstum realistischer als die der Bundesregierung, die im Oktober noch von 1,1 % ausgegangen ist. Die handelspolitischen Folgen der Trump-Wiederwahl und die durch das vorzeitige Ende der Ampel-Regierung entstehende politische Unsicherheit sind Risiken für die Wirtschaftsentwicklung. Vor diesem Hintergrund sind weitere Abwärtsrevisionen der Wachstumsprognosen wahrscheinlich.
Versäumnisse angehen, entschlossen modernisieren
So lautet der Titel des Gutachtens. Der Fokus liegt auf den lange aufgeschobenen öffentlichen Investitionen in den Bereichen Verteidigung, Bildung und Infrastruktur. Diese sollen durch verbindliche Investitionsmindestquoten oder Einrichtung von Sondervermögen und Infrastrukturfonds erhöht werden.
Prof. Dr. Grimm weist in ihrer Mindermeinung richtigerweise auf die Notwendigkeit von Strukturreformen hin, ohne die es keine finanziellen Spielräume für Sondervermögen oder Investitionsmindestquoten gibt. Insbesondere fordert sie einen Rückzug des Staates aus Bereichen, die nicht zu den Staatsaufgaben zählen und die Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen anstelle von Subventionen.
Die Vorschläge der Ratsmehrheit erweisen sich aber auch an anderer Stelle als wenig praktikabel. Es dürfte ein schwieriges Unterfangen werden, eine trennscharfe Definition zu finden, die festlegt, welche Ausgabe “zukunftsorientiert” ist und welche nicht. Darüber hinaus müssten die vorgeschlagenen Maßnahmen zumeist grundgesetzlich verankert werden, weil sie sonst durch eine Regierungsmehrheit jederzeit ausgesetzt werden könnten.
Der SVR erkennt zutreffend, dass die zu hohe Gegenwartspräferenz der Politik ein wesentliches Problem der Finanzpolitik ist. Eine überzeugende Strategie, um staatliche Investitionen zukunftsorientiert einzusetzen, hat der Rat noch nicht gefunden. Es wird deutlich, dass die Schuldenbremse unverzichtbar ist, um den übermäßig wachsenden Einsatz von Geldern im konsumtiven Bereich zu verhindern.
Zentral bleibt die Mobilisierung privater Investitionen
Die Mobilisierung privater Investitionen würde durch Vorschläge des SVR, wie Verbesserungen im Finanzsektor oder im Infrastrukturbereich, gestärkt. Die durch strukturelle Umbrüche erwachsene Wachstumsschwäche erfordert jedoch größere Hebel. Konkrete Maßnahmen zur Entbürokratisierung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch Steuererleichterungen kommen in diesem Jahresgutachten zu kurz, sollten für die kommende Bundesregierung aber im Vordergrund stehen.