Kurzfristige Sparmaßnahmen sind richtig, ersetzen aber keine Strukturreformen
Stellungnahme zur Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege
30. Oktober 2025
Zusammenfassung
Das kurzfristige Sparpaket zur Stabilisierung des Zusatzbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung ist richtig und notwendig. Die richtige Begrenzung des Ausgabenanstiegs bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen, die Aussetzung der Meistbegünstigungsklausel sowie die Reduktion des Fördervolumens des Innovationsfonds reichen jedoch nicht aus. Sie lindern nur den akuten Handlungsdruck, lösen aber nicht die grundlegenden strukturellen Probleme. Damit die gesetzliche Krankenversicherung langfristig finanzierbar und leistungsfähig bleibt, braucht es tiefgreifende Strukturreformen, die die Ausgabenseite nachhaltig entlasten. Hierzu haben die Arbeitgeber Vorschläge für eine “Gesundheitsreform 2026”[1] vorgelegt. Zudem sind weitere kurzfristige Maßnahmen zur Beitragsstabilisierung erforderlich.
Im Einzelnen
Meistbegünstigungsklausel streichen und vollständige Tariflohnrefinanzierung zurücknehmen
Das Aussetzen der Meistbegünstigungsklausel, und damit die Begrenzung der Steigerung der Landesbasisfallwerte auf den Orientierungswert, wenn dieser unterhalb der Veränderungsrate liegt, ist richtig. Es ist jedoch nicht nachzuvollziehen, warum die Begrenzung nur für das Jahr 2026 erfolgen soll. Im Sinne einer nachhaltigen Stabilisierung der GKV-Finanzen sollte die Meistbegünstigungsklausel grundsätzlich ganz gestrichen werden. Darüber hinaus sollte auch die gesetzlich vorgegebene vollständige Tarifrefinanzierung ausgesetzt bzw. vollständig aufgehoben werden. Sie konterkariert den geplanten Einspareffekt. Aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen vollständigen Tarifrefinanzierung ist damit zu rechnen, dass nicht das im Entwurf erwartete Einsparpotential von 1,8 Mrd. € erzielt werden kann. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass es um bis zu 0,5 Mrd. € niedriger ausfallen könnte. Zudem setzt eine vollständige, umfassende und frühzeitige Tariflohnrefinanzierung aller Beschäftigtengruppen falsche Anreize und führt zu erheblichen zusätzlichen Kosten. Eine vollständige Tariflohnrefinanzierung für alle Beschäftigtengruppen führt dazu, dass Tarifsteigerungen in allen Beschäftigtengruppen zulasten Dritter ausgehandelt werden. Wenn keiner der Verhandlungspartner für die finanziellen Folgen der Verhandlungsergebnisse aufkommen muss, wird das Konzept der Lohnfindung durch Tarifverhandlungen ad absurdum geführt. Ein solcher Freibrief kann nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen. Zudem nimmt eine vollständige Refinanzierung nicht nur den Tarifvertragsparteien jeglichen Anreiz zu einem maßvollen Aushandeln von Lohnsteigerungen, sondern auch dem einzelnen Krankenhaus jeglichen Anreiz zum effizienten Personal- und Ressourceneinsatz. Mit der vollen Tariflohnrefinanzierung schafft der Gesetzgeber – aufgrund der zukünftigen Tarifentwicklungen noch gar nicht absehbare – Mehrbelastungen für die gesetzliche Krankenversicherungen, von denen die Versicherten nicht einmal einen unmittelbaren Nutzen haben.
Weitere notwendige kurzfristige Maßnahmen
Um die Zeit zu überbrücken bis echte Strukturreformen wirken, müssen zeitnah Maßnahmen ergriffen werden, um die Beitragssätze in der Krankenversicherung zu stabilisieren. Heute müssen die Beitragszahlenden in hohem Umfang für gesamtgesellschaftliche Aufgaben aufkommen, die ordnungspolitisch korrekt aus Steuermitteln zu finanzieren wären. Zur Sicherstellung einer sachgerechten Finanzierungsverantwortung im Gesundheitsbereich sollten folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
- Zahlung kostendeckender Beiträge für Bürgergeld-Beziehende durch den Bund: (zusätzlich ca. 10 Mrd. € pro Jahr), damit die Krankenkassen für die Übernahme der Versorgung von Hilfebedürftigen die Mittel erhalten, die sie dafür benötigen. Dadurch wäre eine Senkung um ca. 0,5 Beitragssatzpunkte möglich.
- Dynamisierung des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen: Allein damit der Bundeszuschuss wieder seinen ursprünglichen (2012) Anteil von 7 % der Beitragseinnahmen erreicht, muss er um zusätzlich ca. 8 Mrd. € pro Jahr erhöht werden, um einer schleichenden Entwertung des Bundeszuschusses entgegenzuwirken. Dadurch wäre eine Senkung um ca. 0,4 Beitragssatzpunkte möglich.
- Schließung der Investitionslücke in den Krankenhäusern durch die Länder, die derzeit von der GKV gedeckt wird: (ca. 4 Mrd. € pro Jahr). Die Länder kommen ihren Investitionsverpflichtungen für die Krankenhäuser derzeit nicht nach, was dazu führt, dass Investitionen sachfremd aus den DRGs, die zur Finanzierung der Betriebskosten gedacht sind, bezahlt werden müssen.
- Ausschließliche und vollständige Finanzierung des vorgesehenen Krankenhaustransformationsfonds von 50 Mrd. € aus Steuermitteln: Die Schaffung einer medizinischen Infrastruktur ist als Daseinsvorsorge Sache der Länder. Es widerspricht daher der deutschen Finanzverfassung und ist verfassungsrechtlich äußerst fragwürdig, die Hälfte der Kosten des Transformationsfonds den Beitragszahlenden aufzubürden. Auch ein aktuelles Gutachten von Prof. Dr. Dagmar Felix kommt zu dem Ergebnis, dass die Finanzierung der Transformation der Krankenhauslandschaft durch einen Zugriff auch auf Sozialversicherungsbeiträge rechtlich unzulässig ist, da es sich bei der Transformation der Krankenhausversorgung um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, die keinen hinreichend spezifischen Bezug zum Binnensystem der GKV aufweist. Die derzeit mit im Entwurf des Gesetzes zur Anpassung der Krankenhausreform (KHAG) vorgesehenen Korrekturen sollten daher schnellstmöglich verabschiedet werden und in Kraft treten.
- Mehrwertsteuer auf Arzneimittel und Hilfsmittel reduzieren: Zudem muss eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 % für alle Krankenversicherungsleistungen mit bislang vollem Mehrwertsteuersatz (ca. 4,7 Mrd. € Beitragsausgaben bei Arzneimitteln und ca. 0,6 Mrd. € bei Hilfsmitteln) erfolgen. Es ist weder nachzuvollziehen noch begründbar, warum (lebens-)notwendige Humanarzneimittel höher besteuert werden als z. B. Süßigkeiten, Katzenfutter oder Tierarzneimittel.
- Zuzahlungen an Preisentwicklung anpassen und dynamisieren: Die Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arznei- und Verbandmittel, Krankenhausbehandlung und Reha, Heil- und Hilfsmittel sowie Fahrtkosten) sollten an die Preisentwicklung angepasst und dynamisiert werden: Die derzeit geltenden Zuzahlungen bzw. deren Mindest- (5,00 €) und Höchstbeträge (10,00 €) sind seit dem 1. Januar 2004 konstant und wurden seither der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung nicht angepasst. Eine Anpassung und Dynamisierung ist notwendig, um die ursprüngliche Bedeutung dieser Zuzahlungen wieder herzustellen und auch künftig zu erhalten. Gemäß der Preissteigerung zwischen 2004 und 2025 ergäbe sich so eine Anhebung der Beträge auf 7,50 € bzw. 15,00 €.
- Ausgabenmoratorium einführen: Kurzfristig sollte sichergestellt werden, dass die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung strikt an die tatsächlich vorhandenen Einnahmen gebunden sind. Preis- und Honorarsteigerungen dürfen nur in dem Maße berücksichtigt werden, wie sie durch die aktuellen Beitragseinnahmen gedeckt sind, um eine Beitragsstabilität zu gewährleisten. Zudem muss auf weitere Leistungsausweitungen verzichtet werden (z. B. Verlängerung der Sonderregelung zum Kinderkrankengeld). Das Moratorium sollte so lange greifen, bis durch weitreichende Strukturreformen eine nachhaltige Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben hergestellt ist, um die finanzielle Tragfähigkeit der GKV dauerhaft zu sichern. Ein Ausgabenmoratorium allein ist aber aufgrund der demografischen Entwicklung nicht ausreichend, um einen weiteren Beitragsanstieg zu verhindern.
Fußnoten:
[1] https://arbeitgeber.de/wp-content/uploads/bda-arbeitgeber-positionspapier-vorschlaege_der_arbeitgeber_fuer_eine_gesundheitsreform-2025_10_20.pdf [Letzter Abruf: 30. Oktober 2025].
Die vollständige Stellungnahme steht Ihnen in der rechten Marginalie zum Download zur Verfügung.
Ansprechpartnerin:
BDA | DIE ARBEITGEBER
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Abteilung Soziale Sicherung
T +49 30 2033-1600
soziale.sicherung@arbeitgeber.de
Die BDA organisiert als Spitzenverband die sozial- und wirtschaftspolitischen Interessen der gesamten deutschen Wirtschaft. Wir bündeln die Interessen von einer Million Betrieben mit rund 30,5 Millionen Beschäftigten. Diese Betriebe sind der BDA durch freiwillige Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden verbunden.
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