Drittes Krisenjahr belastet weiter die Industrie

BDA AGENDA 14/25 | KOMMENTAR DER WOCHE | 11. Juli 2025
Von Folkmar Ukena, NORDMETALL-Präsident, Gesellschafter LEDA-Werk GmbH & Co. KG aus Leer in Ostfriesland
Sie sind so etwas, wie ein zweimal jährlich durchgeführter Checkup an Leib und Seele – die Konjunkturumfragen der norddeutschen Arbeitgeberverbände, allen voran Nordmetall, im Frühjahr und im Herbst. Die gerade veröffentlichten Zahlen vom Ende des II. Quartals belegen: Auch in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, dem nordwestlichen Niedersachsen und Schleswig-Holstein perpetuiert sich die nach wie vor kritische Lage vieler Unternehmen im dritten Krisenjahr.
Immer noch beurteilt jeder dritte Betrieb die Geschäftslage als schlecht oder unbefriedigend, der Anteil der Zufriedeneren ist kaum gestiegen. Nur im Luft- und Raumfahrzeugbau bewerten fast zwei Drittel der Firmen die Lage mit „gut“, bei Metallerzeugern, Gießereien und dem Straßenfahrzeugbau aber mehr als der Hälfte als „unbefriedigend“ oder „schlecht“.
Auch der Optimismus ist rar gesät: Für die kommenden sechs Monate erwarten 57 Prozent der Firmen im Norden Stagnation. Die Auftragsbestände werden nur im Luft- und Raumfahrzeugbau mit 91 Prozent als hoch oder ausreichend eingeordnet. In allen anderen Branchen beklagen zwischen 31 Prozent (Elektrotechnik) und 50 Prozent (Straßenfahrzeugbau) das Ausbleiben von Bestellungen.
Dass die nationalen politischen Rahmenbedingungen jetzt rasch Besserung bringen, glauben nur wenige Betriebe: Knapp die Hälfte erwarten sich keine Vorteile aus dem 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität, sogar 59 Prozent keine besseren Geschäfte durch gesteigerte Verteidigungsausgaben. Immerhin: Starke Befürchtungen angesichts der drohenden Zollerhöhungen durch die USA hegen nur 16 Prozent der Unternehmen.
Und es gibt noch einen Lichtblick: Glaubten seit Jahren rund zwei Drittel der norddeutschen Industrieunternehmen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland an Attraktivität verliert, sind es jetzt nur noch 49 Prozent. In diese Bewertung fließt offenbar etwas Vertrauensvorschuss für die neue Bundesregierung mit ein. Die internationale Politik macht gleichwohl fast zwei Dritteln der Firmen große Sorgen – wesentlich mehr als noch vor sechs Monaten.
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen sagen wir im Norden: Gut, dass der Bundeskanzler intensiv internationale Krisendiplomatie betreibt. Aber wir brauchen auch rasch bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Land. Gerade weil sich die globalen und geopolitischen Rahmenbedingungen – auch wegen eines erratisch agierenden US-Präsidenten – beinahe täglich ändern, muss die Bundesregierung alles tun, was in ihrer eigenen Macht liegt, um die hierzulande geltenden Rahmenbedingungen zu verbessern. Neben international wettbewerbsfähigen Energiepreisen und Steuerlasten gehört dazu eine Rückführung der Sozialabgaben-Quote in Richtung 40 Prozent. Und wir warten weiter auf die konkrete Paragrafen-Liste, mit der wie versprochen mindestens ein Fünftel der Verwaltungsvorschriften des Bundes gestrichen und zahlreiche Berichtspflichten ausgesetzt werden, die unseren Betriebe seit Jahren Nerven und Geld kosten. Wenn der nächste Leib- und Seele-Checkup der norddeutschen Industrie besser aussehen soll, muss die Bundesregierung jetzt liefern.
NORDMETALL ist der Arbeitgeberverband für mehr als 290 Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und im nordwestlichen Niedersachsen. Dazu gehören Maschinen- und Schiffbauer, Luftfahrt- und Automobilindustrie, Stahlproduzenten oder Spezialisten aus Medizin- und Elektrotechnik. NORDMETALL spricht für eine Schlüsselindustrie des Nordens mit rund 140.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.