Eigenverantwortung bei der Pflegeversicherung stärken
BDA AGENDA 14/2025 | THEMA DER WOCHE | 11. Juli 2025
Nimmt der Reformzug in Deutschland endlich Tempo auf? Selten wurden so viele gordische Knoten der deutschen Politik gleichzeitig in Angriff genommen wie jetzt. Verteidigung, Investitionen und Sozialpolitik werden neu justiert. Die Bundesregierung muss die Gelegenheit für grundlegende Strukturreformen in der Sozialpolitik nutzen – allen voran im demografieanfälligsten Zweig der sozialen Sicherung: der Pflege.
Zu lange wurden die Bürgerinnen und Bürger in der Sozialpolitik mit kaum erfüllbaren Versprechen ruhiggestellt. Die Leistungsausgaben in der Sozialen Pflegeversicherung steigen binnen zehn Jahren von 24 auf 63 Milliarden Euro. Weniger populäre Vorhaben blieben oft auf der Strecke. Das mag im Wahlkampf geschickt sein, nachhaltig ist es jedoch nicht. Nach aktuellen Studien ist bereits in den nächsten zehn Jahren ein Anstieg des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung auf 4,5 % im Jahr 2035 wahrscheinlich. Zusammen mit der ebenfalls steigenden Beitragsbelastung in den anderen Sozialversicherungszweigen droht dann ein Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz von knapp 49 %. Damit ist die Soziale Pflegeversicherung alles andere als „enkelfit“. Höhere Lohnzusatzkosten schwächen die Wettbewerbschancen von Arbeitgebern in Deutschland und gefährden damit Investitionen, Wachstumschancen und Arbeitsplätze.
Die BDA hat diese Woche zum Auftakt der Bund-Länder-Arbeitsgruppe für eine Pflegereform klare Vorschläge geliefert, wie die Soziale Pflegeversicherung auf Dauer leistungsfähig und finanzierbar bleiben kann.
Aufgaben, die nicht der Absicherung des Pflegerisikos dienen, wie die rentenrechtliche Sicherung pflegender Angehöriger, Ausbildungskosten oder pandemiebedingte Sonderausgaben, müssen vollständig aus Steuermitteln finanziert werden. Wie in der gesetzlichen Rentenversicherung sollte auch in der Sozialen Pflegeversicherung ein „Nachhaltigkeitsfaktor“ eingeführt werden, um die demografischen Lasten fair auf die Generationen aufzuteilen.
Zudem sollte sich die Soziale Pflegeversicherung auf jene Pflegefälle zu konzentrieren, die aufgrund einer langen Pflegebedürftigkeit sehr hohe Kosten tragen müssen. Das geht, indem zu Beginn der Pflegebedürftigkeit gestaffelt nach Pflegegraden noch kein Leistungsanspruch aus der Pflegeversicherung besteht (Karenzzeit). Gleichzeitig muss die Eigenverantwortung der Versicherten ausgebaut werden – sowohl in Bezug auf Verhinderung bzw. Verminderung von Pflegebedürftigkeit als auch in Bezug auf die finanzielle Vorsorge. Auch die Verwaltungsprozesse bieten noch reichlich Spielraum für Entbürokratisierung und Digitalisierung.
Bestimmt werden die Ideen nicht allen gefallen und kontrovers diskutiert werden. Doch während die Landesverteidigung unmöglich von einem Menschen allein gestemmt werden kann, bietet die Pflege viel Raum für Eigenverantwortung. Die Vollkaskomentalität der vergangenen Jahre führt die Pflege jedoch in immer größere Probleme und gehört endgültig in die Mottenkiste der Politik.