Plattformökonomie nicht durch bindende ILO-Regelung ausbremsen
Position zum Normensetzungsverfahren zur Verhandlung einer ILO-Regelung im Bereich der Plattformökonomie
27. Mai 2025
Zusammenfassung
Im Rahmen der bevorstehenden Verhandlungen zu einer ILO-Regelung im Bereich der Plattformökonomie müssen die folgenden Aspekte beachtet werden, um die Plattformökonomie nicht durch restriktive ILO-Regelungen auszubremsen:
- Die ILO sollte allenfalls eine Empfehlung verabschieden.
- Auf ein beschleunigtes und vereinfachtes Änderungsverfahren der künftigen ILO-Regelung muss verzichtet werden.
- Die neue ILO-Regelung muss die bestehenden arbeitsrechtlichen Regelungsrahmen der ILO-Mitgliedstaaten beachten.
- Die Definition der digitalen Arbeitsplattformen sollte eng gefasst werden.
- Eine Beschäftigungsvermutung auf internationaler Ebene ist nicht notwendig
- Der Einsatz von automatisierten Systemen darf nicht verhindert werden.
Im Einzelnen
Rechtsunverbindliche Empfehlung – die bestgeeignete Form der künftigen ILO-Regelung Die bestgeeignete Regelung auf internationaler Ebene im Bereich der Plattformökonomie ist eine rechtsunverbindliche Empfehlung. Die Plattformökonomie ist komplex, dynamisch und stark lokalisiert, so dass eine Empfehlung den ILO-Mitgliedstaaten die notwendige Flexibilität bietet.
Hintergrundinformationen
Das Normensetzungsverfahren für eine ILO-Regelung zur menschenwürdigen Arbeit in der Plattformökonomie wird anlässlich der Internationalen Arbeitskonferenzen 2025 und 2026 stattfinden. Im Rahmen der ersten Beratung im Juni 2025 werden zwischen Regierungen, Arbeitgebern und Gewerkschaften die Schlussfolgerungen des ILO-Amtes verhandelt, auf deren Grundlage nächstes Jahr eine Empfehlung, ein Übereinkommen oder ein Übereinkommen begleitet durch eine Empfehlung verabschiedet wird.
Was in einem Land das richtige ist, funktioniert in einem anderen Land möglicherweise nicht. Ein rechtsverbindliches Übereinkommen kann sich negativ auf KMU und lokale Innovationen auswirken oder das Wirtschaftswachstum in den Ländern, die es am meisten brauchen, verringern. Im Gegensatz dazu würde eine Empfehlung als ein rechtsunverbindliches internationales Instrument sicherstellen, dass die ILO-Mitgliedsländer weiterhin die passenden Maßnahmen ergreifen können, die ihren sozioökonomischen Gegebenheiten entsprechen. Sie kann so als Orientierung dienen und den unterschiedlichen Entwicklungsstand der einzelnen Länder sowie die verschiedenen nationalen Kontexte sinnvoll berücksichtigen.
Beschleunigtes und vereinfachtes Änderungsverfahren streichen
Der Vorschlag zur Einführung eines beschleunigtes Änderungsverfahrens führt dazu, dass die künftige ILO-Regelung im Bereich der Plattformökonomie alle zwei bis drei Jahre neu verhandelt werden muss. Folglich bewirkt dies, dass schwierige Verhandlungen immer wieder eröffnet werden und neue ILO-Regelungen implementiert und umgesetzt werden müssen. Dies ist mit erheblicher Rechtsunsicherheit für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Regierungen gleichermaßen verbunden. Ein solches Verfahren ist zudem teuer, kompliziert und sehr bürokratisch und sollte nicht eingeführt werden.
Bestehende arbeitsrechtliche Regelungsrahmen der Mitgliedstaaten beachten
Digitale Plattformen haben sich auf der Grundlage etablierter rechtlicher Rahmenbedingungen entfaltet. Daher muss die ILO-Regelung die unterschiedlichen arbeitsrechtliche Regelungsrahmen und Traditionen der Mitgliedsstaaten respektieren.
Die globale Plattformökonomie umfasst sowohl abhängig Beschäftigte als auch Selbstständige. Selbständig Tätige schätzen die eigenständige Kontrolle über ihre Arbeit. Sie können selbst entscheiden ob, wann, wo und wie sie arbeiten wollen. Aus dieser Erkenntnis haben sich unterschiedliche Rechtssystemen der Mitgliedstaaten entwickelt, die diese Unterschiede zwischen Selbstständigen und abhängig Beschäftigten anerkennen. Restriktive Anforderungen an digitale Plattformen missachten diese Unterschiede und die daraus entwickelten differenzierten Regelungen. Damit belasten und beschränken sie diejenigen, die sich bewusst für die flexible und autonome Beschäftigung in der Selbständigkeit entschieden haben.
Vorschriften bezüglich des Mindestlohns und der Arbeitszeit sind z. B. nur für abhängig Beschäftigte relevant und können nicht auf Selbständige erstreckt werden. Entsprechend verhält es sich auch mit der Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen: Während die Vereinigungsfreiheit, die Beseitigung aller Formen von Zwangsarbeit, die Beseitigung der Diskriminierung und der Kinderarbeit für alle Beschäftigten – selbständig oder nicht – gelten, ist die Situation im Falle des
Rechts auf Kollektivverhandlungen und des Arbeitsschutzes anders. Wenn kein Arbeitsvertrag besteht, dann kann sich auch nicht die Frage der Kollektivverhandlungen oder des Arbeitsschutzes stellen.
Auch das ILO-Übereinkommen 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen sieht ausdrücklich vor, dass Vertragspartner eines Tarifvertrages zur Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen ein Arbeitgeber oder eine Organisation von Arbeitgebern und Organisationen von Arbeitnehmern sind (Art. 4 des ILO-Übereinkommens 98). Diese Unterscheidung muss weiterhin beachtet werden.
Definition der digitalen Arbeitsplattformen eng fassen
Die Definition der digitalen Plattform („digital labour platform“) muss eng gefasst werden. Eine weit gefasste Definition führt dazu, dass jedes Unternehmen, das Dienstleistungen mithilfe einer Webseite oder einer mobilen Anwendung ermöglicht, unter diese Definition fallen kann. Mit einer engeren Definition fallen z. B. Unternehmen, die digitale Technologien in ihren Geschäftsbeziehungen nutzen oder mit Handelsvertretern arbeiten, nicht unter diese Definition und damit nicht unter die ILO-Regelung.
Keine Beschäftigungsvermutung auf internationaler Ebene einführen
Die Klassifizierung als Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer oder als Selbstständige und Selbstständiger muss weiterhin in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten bleiben. Das deutsche Arbeitsrecht verfügt bereits über einen transparenten und verlässlichen Rechtsrahmen, um Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, korrekt einzustufen. Dieser Rechtsrahmen fügt sich ins gesamte deutsche Arbeitsrechtsregime ein. Eine Neujustierung würde hingegen zu erheblichen Verschiebungen dieses Regimes führen. Daher ist die Einführung einer widerlegbaren Beschäftigungsvermutung auf internationaler Ebene nicht notwendig und sollte aufgegeben werden.
Einsatz von automatisierten Systemen sinnvoll gestalten
Als Schlüsseltechnologie für eine Vielzahl von Geschäftsmodellen, Industrieanwendungen und kundenorientierten Lösungen gewinnt die Nutzung von KI in sämtlichen Wirtschaftsbereichen in einer vernetzten und digitalisierten Welt immer mehr an Bedeutung. Die Einführung und Nutzung von KI am Arbeitsplatz darf nicht durch einschränkende arbeitsrechtliche Regulierung, insbesondere im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung und bei Beschäftigtendaten, erschwert werden.
Einer besonderen Regelung bedürfen zwar sehr einschneidende Entscheidungen unter Einsatz algorithmischer Systeme im Bereich der Beschäftigung, z. B. wenn diese zu einer Kündigung oder Deaktivierung des Kontos des Plattformbeschäftigten führen. Sie sollten, wie bereits durch die europäische KI-Verordnung vorgesehen, eine so genannte menschliche Aufsicht („human review“) voraussetzen. Dies reicht als Regulierung aber aus. Der Einsatz von automatisierten Systemen darf nicht durch restriktive Regulierung auf internationaler Ebene verhindert werden.
Das vollständige Positionspapier steht Ihnen in der rechten Marginalie zum Download zur Verfügung.
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