Zur heutigen Mindestlohnanhörung erklärt BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter:
Staatslohnsetzung bedroht Tarifautonomie
Berlin, 16. Mai 2022. Der Gesetzentwurf zum Mindestlohn ist der grundlegendste Angriff auf die Tarifvertragsautonomie in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Grundgesetz überlässt es den Tarifvertragsparteien, Löhne und Arbeitsbedingungen zu gestalten. Das bisherige Verfahren zur Anpassung des Mindestlohns respektiert diese Rolle der Tarifvertragsparteien. Das soll nun um der Koalitionsdisziplin willen beendet werden. Der Gesetzentwurf beschreitet den Weg, anstelle der Tariflohnsetzung eine Staatslohnsetzung einzuführen.
Bundestagswahlkämpfe und parteipolitische Überlegungen drohen zukünftig das Tarifgeschehen in einem noch nie da gewesenen Ausmaß zu prägen. Da wirken die Sonntagsreden mit den Bekenntnissen zur Tarifvertragsautonomie wie aus einer anderen Welt. Und die Ankündigung, das sei wirklich das letzte Mal, wirkt ebenso glaubwürdig wie die Ankündigung von Schnee in der Sahara.
Ebenso schal wirken die Lobeshymnen der Bundesregierung auf die Mindestlohnkommission. Die Kommission hat in ihren Entscheidungen über die vergangenen sechs Jahre die Tarifentwicklung nachgezeichnet und damit die Tarifautonomie geschützt. Dabei hat sie den Mindestlohn von 8,50 Euro auf im Juli 10,45 Euro angehoben – einmütig und die unterschiedlichen Interessen befriedend. Jetzt soll der Mindestlohn in einem Schritt um 15 Prozent angehoben werden. Man muss sich ernsthaft fragen, welchen Sinn eine Kommission macht, wenn die Politik sich einseitig auf eine Seite stellt und die langjährige Arbeit der Kommission regelrecht mit Füßen tritt.
Zwei Gutachten haben überzeugend dargelegt, dass es erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an dem Vorgehen der Politik gibt. Zum einem wird das Vertrauen in die Bereitschaft der Arbeitgeber massiv verletzt, sich an der Arbeit der Kommission zu beteiligen. Zum anderen wird übermäßig in Tarifautonomie und Berufsfreiheit eingegriffen.
Im Schlepptau der Änderungen gibt es Anpassungen zu Mini- und Midijobs. Die Anhebung der Grenze bei der geringfügigen Beschäftigung auf 520,00 Euro begrüßen wir, sie ist vor dem Hintergrund der Mindestlohnanhebung unverzichtbar. Die im Gesetzentwurf angelegten zusätzlichen Belastungen bei den Sozialabgaben durch die Beschäftigung in der sogenannten Gleitzone lehnen wir ab.
Ich fordere die Bundesregierung eindringlich auf: