Lieferketten in der Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit


BDA AGENDA 14/23 | KOMMENTAR DER WOCHE | 29. Juni 2023

Wolfram Hatz,
Präsident der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., Vizepräsident der BDA sowie Vorsitzender des Beirats und Gesellschafter der Motorenfabrik Hatz GmbH & Co. KG 

„Die Wirtschaft in Deutschland ist Vorreiter in der Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit. Für uns als Unternehmen ist klar: Wir müssen für die Transformation unserer Wirtschaft auch die Wertschöpfungsketten anpassen und sie resilienter machen. Das Thema Sorgfaltspflichten in den Lieferketten stellt hier eine große Hürde dar. Aus unseren Erfahrungen kann ich sagen: Schon die Umsetzung der Vorgaben aus dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist alles andere als trivial für Unternehmen und damit auch nicht trivial für das Thema Transformation. Zudem ist es mitnichten so, dass das Gesetz nur Großunternehmen trifft. Viele KMUs spüren die Auswirkungen ebenso, in ihrer Funktion als Zulieferer. Seit dem Inkrafttreten am 01. Januar 2023 sind laut einer aktuellen Umfrage der bayerischen Metall- und Elektro- Arbeitgeberverbände bayme vbm mehr als 22 Prozent der M+E-Betriebe in Bayern vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz direkt betroffen. Für weitere gut 46 Prozent gilt das indirekt über ihre Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Für einen typischen mittelständischen Betrieb mit 250 Beschäftigten verursacht das Gesetz jährliche Kosten von rund 30.000 Euro, obwohl diese Unternehmen gar nicht im direkten Anwendungsbereich des Gesetzes liegen.

Unternehmen, die direkt betroffen sind, sehen sich mit wesentlich höheren Kosten konfrontiert und müssen entsprechende Personalkapazitäten für die Anwendung des Gesetzes schaffen.

Außerdem zeigt sich, dass die Kostenbelastung in der Praxis – wie erwartet – deutlich höher ausfällt als vom Gesetzgeber angenommen. Um die Anforderungen des Gesetzes zu erfüllen, haben die Unternehmen vor allem ihre Bedingungen für Lieferanten und Kunden angepasst. Dazu gehören Schulungen für ihre Mitarbeiter sowie der Ausbau des Risikomanagementsystems und des Compliance-Bereichs. 17 Prozent der Unternehmen haben zusätzliches Personal eingestellt. Im Schnitt musste ein betroffenes Unternehmen 2,3 Mitarbeiter neu einstellen, um die bürokratischen Anforderungen zu erfüllen. 18 Prozent der Unternehmen mussten die Produktpreise erhöhen, um die Mehrkosten zu kompensieren. Fast jeder zehnte Betrieb hat den Einkauf bei bestimmten Lieferanten einstellen müssen oder plant dies zu tun. Wir brauchen aber im Gegenteil stärker diversifizierte Lieferketten, um die Störanfälligkeit zu reduzieren und die Resilienz zu steigern.

Die Partner BDA und vbw setzen sich deshalb für praxistaugliche Regelungen ein, um die Transformation aktiv mitzugestalten. Dabei geht es nicht nur darum, unsere Unternehmen vor Überlastung zu schützen. Wir müssen auch verhindern, dass eine überzogene Lieferkettenregulierung kontraproduktiv wirkt. Wenn die Unternehmen eine Kontrolle ihrer Lieferkette nicht garantieren können – und das ist bei den verästelten Lieferkettenbeziehungen realistisch betrachtet der Fall – werden sie sich aus besonders risikoreichen Regionen zurückziehen. Damit ist entwicklungspolitisch nichts gewonnen. Darüber muss sich auch die EU mit ihrer neuen Wertschöpfungsketten-Richtlinie im Klaren sein.“