Gesetzliche Krankenversicherung strukturell reformieren und langfristig finanzierbar machen

Damit die Kranken­versicherung – gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung und den medizinisch-technischen Fortschritt auch in Zukunft leistungsfähig und finanzier­bar bleibt, brauchen wir durch­greifende und nach­haltige Struktur­reformen, die sowohl auf der Finanzie­rungs- als auch auf der Leistungs­seite ansetzen. Die in den letzten Jahren beschlos­senen gesetz­lichen Änderungen in der gesetz­lichen Kranken­versicherung haben sich regelmäßig auf Einzel­bereiche beschränkt und die ohnehin steigende Kosten­belastung zum Teil sogar noch verschärft. Statt lang­fristiger Struktur­reformen hat vor allem Kurz­frist­denken die Gesund­heits­politik geprägt. Dieses Stückwerk darf nicht weiter fort­gesetzt werden.

Kurzfristige Maßnahmen zur Überbrückung notwendig
Um die Zeit zu überbrücken, bis echte Strukturreformen im Gesundheitswesen wirken, müssen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite zeitnah Maßnahmen ergriffen werden, damit die Beitragssätze konstant gehalten werden können. Die ohnehin international extrem hohe Abgabenbelastung auf Löhne und Gehälter in Deutschland darf nicht noch weiter nach oben getrieben werden. Gerade in der aktuellen Phase der wirtschaftlichen Unsicherheit, in der Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger massiv unter Preissteigerungen leiden, darf es keine zusätzlichen Belastungen durch höhere Sozialbeiträge geben.
 
Folgende Maßnahmen können bereits kurzfristig zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung beitragen, ohne dass die Versorgung für die Patientinnen und Patienten beeinträchtigt würde:
 
Einnahmenseite
  • Zahlung kostendeckender Beiträge für Bürgergeld-Beziehende durch den Bund
  • Dynamisierung des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen
  • Einführung einer Beitragspflicht für mitversicherte Ehegatten
  • Ausbau der Eigenbeteiligung, z. B. Eigenbeteiligung beim Arztbesuch und Dynamisierung der bisherigen Zuzahlungssätze

Kein sinnvoller Weg zur Verbesserung der Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung wäre dagegen, die Beitragsbemessungsgrenze außerordentlich anzuheben. Hierdurch würde die ohnehin schon hohe Beitragslast noch weiter erhöht und das Solidarprinzip in der Krankenversicherung überstrapaziert. Ebenso wenig sinnvoll wäre, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung – über die Abdeckung nicht beitragsgedeckter Leistungen hinaus – durch Bundeszuschüsse zu finanzieren. Hierdurch würde die Notwendigkeit von nachhaltigen Strukturreformen der gesetzlichen Krankversicherung nur verschleiert.

Ausgabenseite

  • Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 % für alle Krankenversicherungsleistungen
  • Abschaffung der Überprüfungsbegrenzungen (Prüfquote) für Krankenhausabrechnungen
  • Schließung der Investitionslücke in den Krankenhäusern durch Bund und Länder, damit dies nicht weiter über die Betriebsmittelfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeglichen wird
Strukturreformen in der gesetzlichen Krankenversicherung lange überfällig

Die aktuellen Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung sind hausgemacht: Anstatt dringend notwendige Strukturreformen anzugehen, hat die Politik für teure Kostensteigerungen gesorgt. Deutschland hat das teuerste Gesundheitssystem der EU, ohne dafür auch eine Spitzengesundheitsversorgung zu haben.

Dabei besteht bezüglich der notwendigen Maßnahmen kein Erkenntnisproblem. Wissenschaftler und der Sachverständigenrat Gesundheit machen seit Jahrzehnten Vorschläge für mehr Wettbewerb in der Versorgung, für eine Krankenhausreform, für die Überwindung der Sektorengrenzen sowie für die Digitalisierung im Gesundheitswesen, um so die Versorgung zu verbessern und die Effizienz im Gesundheitswesen zu steigern. Deshalb ist jetzt das Bundesgesundheitsministerium gefordert, nachhaltige und kostensenkende Strukturreformen auf den Weg zu bringen, um die vorhandenen Einsparpotenziale auszuschöpfen.

Neben Sozialbeiträgen ist die Entgeltfortzahlung ein gewaltiger Kostenpunkt für die Arbeitgeber

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist nach wie vor die mit weitem Abstand teuerste ausschließlich vom Arbeitgeber finanzierte Sozialleistung. Nach dem aktuellen Sozialbudget beliefen sich die Entgeltfortzahlungskosten 2022 auf 58,4 Mrd. €. Hinzu kommen insbesondere noch die hierauf fälligen Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Hieraus resultieren zusätzliche Kosten von etwa 12,7 Mrd. €. Allein die Kosten für die Entgeltfortzahlung von insgesamt 71,2 Mrd. € entsprächen 4,5 Beitragssatzpunkten in der Krankenversicherung. Daneben finanzieren die Betriebe die Krankengeldzahlungen der Krankenkassen anteilig mit.