Betriebsärztemangel – Handeln notwendig!
Es gibt immer noch zu wenig Betriebs- und Arbeitsmediziner für die Unternehmen und die betriebsärztliche Betreuung ihrer Beschäftigten. Damit dieser Mangel nicht noch wächst, muss gehandelt werden.
Steigender Bedarf an Betriebsärzten in den Betrieben
Der steigenden Nachfrage nach betriebsärztlicher Betreuung stehen nicht genügend Fachärzte für Arbeitsmedizin gegenüber. In einigen Regionen können die Betriebe trotz intensiver Bemühungen ihrer Verpflichtung zur Bestellung eines Betriebsarztes nicht oder nur sehr schwer nachkommen. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2014) zeigt, dass in zehn Jahren nur 50 % des Betreuungsbedarfs für die (nach der DGUV Vorschrift 2) vorgeschriebene betriebsärztliche Basisbetreuung abgedeckt ist. Ursache ist u.a., dass von den rund 12.400 Fachärzten für Arbeitsmedizin in Deutschland (Stand 31.12.2020) gut 64 % bereits 60 Jahre und älter ist.
Um dieses Problem zu beheben, müssen verschiedene Maßnahmen in Angriff genommen werden.
Lösungsmöglichkeiten für den Betriebsärztemangel
Es sollten Möglichkeiten des sog. Unternehmermodells ausgeweitet werden. Das Unternehmermodell ermöglicht Unternehmern, durch Schulungen in Fragen des Arbeitsschutzes auf die sonst erforderliche Betreuung durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte ganz oder teilweise verzichten zu können. Die Möglichkeit, an dem Unternehmermodell teilzunehmen, sollte bei möglichst allen Unfallversicherungsträgern auf 50 Beschäftigte ausgedehnt werden. Ferner muss geprüft werden, ob die Grenze von 50 Beschäftigten nicht bei einigen Unfallversicherungsträgern und den dort versicherten Branchen weiter angehoben werden kann. Das Unternehmermodell hat sich bewährt und trägt auch zukünftig dazu bei, notwendige flexible Betreuungsregelungen für die betriebliche Praxis anzubieten. Es ist richtig und wichtig, dass über eine Verankerung der Beteiligung weiterer Fachkompetenzen (z. B. Ergonomen, Arbeitshygieniker, Arbeitspsychologen, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Demografieberater, Sport- oder Gesundheitswissenschaftler) in der DGUV Vorschrift 2 endlich gesprochen wird.
Die branchenspezifischen Beratungsangebote der Unfallversicherungsträger für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollten ausgebaut werden. Dies kann z. B. durch Kompetenzzentren der Unfallversicherungsträger erfolgen, die einzelne Unfallversicherungsträger bereits erfolgreich eingerichtet haben.
Erforderlich sind schließlich Enthaftungsregelungen für Betriebe, die sich nachweislich erfolglos um arbeitsmedizinische Kapazitäten zur Erfüllung ihrer Pflichten nach dem Arbeitssicherheitsgesetz zur Bestellung eines Betriebsarztes bemüht haben. Es kann nicht sein, dass Unternehmen mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 € belegt werden, wenn objektiv feststeht, dass sie ihrer Verpflichtung zur Bestellung eines Betriebsarztes nicht nachkommen konnten oder ihnen dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht möglich war.
Wichtig ist, dass Betriebsärztinnen und Betriebsärzte den Fokus scharf gestellt haben auf die Beratung des Arbeitgebers im Arbeitsschutz. Das ist das Kerngeschäft der Betriebsärzte. Erst wenn diese Grundvoraussetzung in den Unternehmen erfüllt ist, können sich Betriebsärzte auch mit anderen Themen der Gesundheitsvorsorge (z. B. im Rahmen einer ganzheitlichen arbeitsmedizinischen Vorsorge) oder mit Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung oder anderen Leistungen nach dem Präventionsgesetz bzw. SGB V befassen.
Ferner müssen auch weitere Maßnahmen zur Sicherung des arbeitsmedizinischen Nachwuchses getroffen werden. Arbeitsmedizin muss für den Nachwuchs attraktiver werden. Auch muss es wieder eine ausreichende Anzahl an Lehrstühlen geben. Hier sind vor allem die Bundesärztekammer, die Landesärztekammern und die einschlägigen Fachverbände, der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) sowie die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) gefragt. Es ist ein gutes Zeichen, dass sich die Weiterbildungszahlen in der Arbeits- und Betriebsmedizin in den letzten Jahren positiv entwickeln. Dieser Schwung muss für die Zukunft mitgenommen werden, damit es ausreichend Betriebsärztinnen und Betriebsärzte gibt und die so wichtige betriebsärztliche Betreuung in den Unternehmen sichergestellt werden kann.
Weitere Forschung zu neuen, innovativen Möglichkeiten zum Ausbau des Angebots an betriebsärztlichen Versorgungsstrukturen kann dabei helfen, neue und praxistaugliche Wege der betriebsärztlichen Versorgung zu finden.