Betriebsärztemangel – Handeln notwendig!
Es gibt immer noch zu wenig Betriebs- und Arbeitsmediziner für die Unternehmen und die betriebsärztliche Betreuung ihrer Beschäftigten. Damit dieser Mangel nicht noch wächst, muss gehandelt werden.

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Steigender Bedarf an Betriebsärzten in den Betrieben
Der steigenden Nachfrage nach betriebsärztlicher Betreuung stehen nicht genügend Fachärzte für Arbeitsmedizin gegenüber. In einigen Regionen können die Betriebe trotz intensiver Bemühungen ihrer Verpflichtung zur Bestellung eines Betriebsarztes nicht oder nur sehr schwer nachkommen. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2014 (neuere Studien liegen dazu nicht vor) zeigt, dass in zehn Jahren, also heute, nur 50 % des Betreuungsbedarfs für die (nach der DGUV Vorschrift 2) vorgeschriebene betriebsärztliche Basisbetreuung abgedeckt ist. Ursache ist u. a., dass es nur rund 9.100 für die Versorgung zur Verfügung stehende Arbeits- und Betriebsmedizinerinnen und -mediziner gibt. Von den aktiven Fachärzten waren etwa ein Drittel 60 Jahre und älter. Zwischen 2009 und 2019 hat sich die Nachwuchssituation in der Arbeitsmedizin positiv entwickelt, stagniert allerdings die letzten Jahre wieder.
Um diese Probleme zu beheben, müssen verschiedene Maßnahmen in Angriff genommen werdenLösungsmöglichkeiten für den Betriebsärztemangel
Die DGUV Vorschrift 2 ist 2025 in aktualisierter Form in Kraft getreten. Es gab verschiedene Verbesserungen, die auch und insbesondere dazu dienen dem Betriebsärztemangel zu begegnen. Verbesserungen in dieser Hinsicht sind vor allem:
- die Einbeziehung weiterer Professionen in die Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherung und in die betriebsspezifische Betreuung,
- die Ausweitung der Kleinbetriebsmodelle auf bis zu 20 Beschäftigte,
- der Wegfall der 40 Prozent-Regel bei den Mindestanteilen von Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt oder Betriebsärztin sowie
- die Nutzung von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien in der betrieblichen Betreuung und der arbeitsmedizinischen Vorsorge.
Es sind jedoch weitere Verbesserungen der DGUV Vorschrift 2 erforderlich. Die Selbstverwaltung der Unfallversicherung steigt hierzu im Herbst 2025 in einen Diskussions- und Überarbeitungsprozess ein. Folgende Themen sind dabei von besonderer Bedeutung:
In der aktualisierten DGUV Vorschrift 2 wird erstmals die Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien behandelt. Hier ist der Fortschritt rasant und die Anwendungsfelder werden größer werden. Das müssen wir im Auge behalten und weiteren Fortschritt für die betriebliche Betreuung nutzen. Die Deckelung auf bis zu maximal 50 % der Gesamtleistungen ist vermutlich früher als später aufzuheben.
Die BDA unterstützt die Entwicklung arbeitsmedizinischer Regeln und Empfehlungen im Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed), die den Unternehmen für den Einsatz digitaler Angebote in der Arbeitsmedizin einen praktikablen Rahmen beschreiben.
Klein- und Kleinstbetriebe werden im Arbeitsschutz übermäßig bürokratisch belastet. Auch Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten müssen eine betriebsärztliche Betreuung sicherstellen, was oft am Fachkräftemangel oder unverhältnismäßigem Aufwand scheitert – besonders in ländlichen Regionen. Andere qualifizierte Gesundheitsfachkräfte, deren Ausbildung schneller und niedrigschwelliger ist als die arbeitsmedizinische, können Aufgaben übernehmen, die keine medizinische Qualifikation erfordern. So erhalten Kleinstbetriebe besseren Zugang zu Beratung zu Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit und erfüllen gleichzeitig ihre gesetzlichen Pflichten. Die Einführung von Betriebskrankenpflegern/-innen („occupational health nurses“) oder ähnlichen Fachkräften sollte ermöglicht werden. Eine realistischere Schwelle für den Einsatz von Betriebsärzten, etwa ab zehn Beschäftigten, würde Bürokratie abbauen und kleine Unternehmen entlasten.
Es sollten zudem die Möglichkeiten des sog. Unternehmermodells ausgeweitet werden. Das Unternehmermodell ermöglicht Unternehmern, durch Schulungen in Fragen des Arbeitsschutzes auf die sonst erforderliche Betreuung durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte ganz oder teilweise verzichten zu können. Die Möglichkeit, an dem Unternehmermodell teilzunehmen, sollte bei möglichst allen Unfallversicherungsträgern auf 50 Beschäftigte ausgedehnt werden. Ferner sollte das Unternehmermodell für größere Unternehmen geöffnet werden und die Grenze aufn 100 Beschäftigte möglichst bei allen Unfallversicherungsträgern und den dort versicherten Branchen angehoben werden Das Unternehmermodell hat sich bewährt und trägt auch zukünftig dazu bei, notwendige flexible Betreuungsregelungen für die betriebliche Praxis anzubieten.
Zudem ist zu prüfen, ob die mit der Überarbeitung 2011 abgeschaffte Degressionsregel für größere Betriebe wieder eingeführt wird. Auch könnten Anreizsysteme geschaffen werden, z.B. dass bei Vorhandensein eines Arbeitsschutzmanagementsystems die Betreuungszeit durch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit reduziert werden kann.
Erforderlich sind schließlich Enthaftungsregelungen für Betriebe, die sich nachweislich erfolglos um arbeitsmedizinische Kapazitäten zur Erfüllung ihrer Pflichten nach dem Arbeitssicherheitsgesetz zur Bestellung eines Betriebsarztes bemüht haben. Es kann nicht sein, dass Unternehmen mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 € belegt werden, wenn objektiv feststeht, dass sie ihrer Verpflichtung zur Bestellung eines Betriebsarztes nicht nachkommen konnten oder ihnen dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht möglich war. Dazu sollte eine Ausnahmeregelung für Unternehmen, die keinen Betriebsarzt / keine Betriebsärztin oder Fachkraft für Arbeitssicherheit finden, in die DGUV Vorschrift 2 aufgenommen werden. Es darf nicht sein, dass die Vorschrift von den Betrieben Maßnahmen verlangt, die sich nicht erfüllen können.Ferner müssen auch weitere Maßnahmen zur Sicherung des arbeitsmedizinischen Nachwuchses getroffen werden. Arbeitsmedizin muss für den Nachwuchs attraktiver werden. Auch muss es wieder eine ausreichende Anzahl an Lehrstühlen geben. Hier sind vor allem die Bundesärztekammer, die Landesärztekammern und die einschlägigen Fachverbände, der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) sowie die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) gefragt. Es ist ein gutes Zeichen, dass sich die Weiterbildungszahlen in der Arbeits- und Betriebsmedizin in den letzten Jahren positiv entwickeln, aber es darf keinen Stillstand geben und der Anteil jüngerer Ärztinnen und Ärzte mit arbeits- und betriebsmedizinischer Qualifikation sollte sich erhöhen.
Weitere Forschung zu neuen, innovativen Möglichkeiten zum Ausbau des Angebots an betriebsärztlichen Versorgungsstrukturen kann dabei helfen, neue und praxistaugliche Wege der betriebsärztlichen Versorgung zu finden. Mindestens aber sollte es ein systematisches Monitoring der zur Verfügung stehenden Ärztinnen und Ärzte mit arbeits- und betriebsmedizinischer Qualifikation geben







