Pflegezeit und Familienpflegezeit – Individuelle Lösungen fördern
Die demografische Entwicklung mit einer steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen und der gleichzeitige Fachkräftemangel stellen eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf immer mehr in den Fokus betrieblicher Personalpolitik rückt.
Die Herausforderungen, die die Pflege eines nahen Angehörigen stellt, sind vielfältig, häufig veränderlich und unterscheiden sich von Situation zu Situation erheblich voneinander. Aus diesem Grund gibt es die verschiedensten Lösungen in der Praxis, um die Vereinbarkeit von Pflege und Erwerbtätigkeit zu einem Gelingen zu bringen. Arbeitgeber und betroffene Mitarbeiter haben genauso wie Arbeitgeber und Betriebsräte oder Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zahlreiche Lösungen entwickelt, die unternehmensspezifischer Gegebenheiten einerseits und den Bedürfnissen pflegender Arbeitnehmer andererseits gerecht werden. Denn so unterschiedlich die Anforderungen der Pflege an die Arbeitnehmer sind, so unterschiedlich sind die Hilfestellungen, zu denen der jeweilige Arbeitgeber in der Lage ist. Trotz der seit 2015 geltenden gesetzlichen Regelungen werden daher die allermeisten Lösungen durch ein individuelles Miteinander vor Ort gefunden. Das sind gute Wege.
Familienpflegezeit
Seit 1. Januar 2015 besteht ein Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit für die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung. Familienpflegezeit kann für die Dauer von maximal 24 Monaten in Anspruch genommen werden. Während der Familienpflegezeit ist eine Teilzeittätigkeit von mindestens 15 Stunden in der Woche auszuüben. Der Anspruch auf Familienpflegezeit besteht nicht bei Arbeitgebern mit in der Regel 25 oder weniger Beschäftigten.
Pflegezeit
Daneben besteht ein Anspruch auf Pflegezeit. Beschäftigte können für die Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung eine Pflegezeit für die Dauer von bis zu sechs Monaten beanspruchen. Dabei können sie eine volle Freistellung verlangen oder eine teilweise Freistellung durch Reduzierung der Arbeitszeit. Wird eine Reduzierung der Arbeitszeit geltend gemacht, kann der Arbeitgeber der Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit dringende betriebliche Gründe entgegenhalten. Die Ankündigungsfrist beträgt regelmäßig nur zehn Arbeitstage; nur wenn Pflegezeit in unmittelbarem Anschluss an eine Familienpflegezeit genommen wird, beträgt die Ankündigungsfrist acht Wochen. Der Anspruch auf Pflegezeit besteht nicht bei Arbeitgebern mit 15 oder weniger Beschäftigten. Der Schwellenwert unterscheidet sich insofern von dem bei der Familienpflegezeit. Ab der zwölften Woche vor Beginn und während einer Familienpflegezeit oder einer Pflegezeit besteht ein Sonderkündigungsschutz für die Beschäftigten.
Sterbebegleitung
Es besteht außerdem ein Anspruch auf Freistellung zur Sterbebegleitung für Fälle, in denen der nahe Angehörige an einer unheilbaren Erkrankung leidet, die bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, bei der eine palliativmedizinische Behandlung notwendig ist und die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt. Sterbebegleitung kann für die Dauer von höchstens drei Monaten beansprucht werden.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Im Falle einer akuten Pflegesituation kann der Beschäftigte bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernbleiben, z. B. um eine notwendig gewordene Pflege zu organisieren.
Finanzierung
Flankiert werden die Freistellungansprüche von einem zinslosen Darlehen, dass der Beschäftigte über das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beziehen kann. Der Arbeitgeber hat hierfür eine Bescheinigung über den Arbeitsumfang sowie das Arbeitsentgelt vor der Freistellung zu erteilen. Im Falle einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung besteht ein Anspruch auf sog. Pflegeunterstützungsgeld gegenüber der Pflegekasse des zu Pflegenden. Der Anspruch besteht nur nachrangig, soweit kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber aus § 616 BGB besteht.
Pflegebeirat
Seit 2015 befasst sich der Pflegebeirat als nicht öffentliches Fachgremium mit allgemeinen und spezifischen Fragen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf (§ 14 FPfZG). Er begleitet die Umsetzung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen, wie Pflegezeitgesetz und Familienpflegezeitgesetz und berät das Bundesfamilienministerium über deren Auswirkungen. Die BDA ist im vertreten. Alle vier Jahre legt er dem Bundesfamilienministerium einen Bericht vor, erstmal 2019. Die BDA hatte ihre Position zu den im Beirat gefassten Beschlüssen in Form eines Minderheitenvotums im ersten Bericht deutlich gemacht.