Bürokratieabbau muss in den Unternehmen ankommen
Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung sind wichtige Standortfaktoren und essenziell für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Die digitale Abwicklung von Verwaltungsleistungen sowie eine Rechtsetzung, die Unternehmen von unnötigen Dokumentationspflichten befreit, wirkt wie ein Konjunkturpaket und fördert das Wirtschaftswachstum.
Wie wird Bürokratieabbau gemessen?
Die Belastungen, die ein Gesetz für die Wirtschaft verursacht, ergibt sich vor allem durch den laufenden (jährlich) Erfüllungsaufwand und den einmaligen Erfüllungsaufwand. Die Reduzierung des Erfüllungsaufwandes muss für einen wirksamen Bürokratieabbau oberste Priorität haben.
Der einmalige Erfüllungsaufwand belastet die Unternehmen besonders, da sie die hierfür erforderlichen Mittel sofort aufbringen müssen, ohne dass diesen Investitionen von Beginn an entsprechende Erlöse gegenüberstehen. Laut Jahresbericht 2023 des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) war der einmalige Erfüllungsaufwand in den Jahren 2022 und 2023 mit insgesamt rund 23,7 Mrd. € so hoch wie noch nie. Diese einmaligen Kosten dürfen nicht länger unberücksichtigt bleiben. Bürokratieabbau muss zeitnah und unmittelbar bei den Unternehmen ankommen.
Dem Anspruch, Erfüllungsaufwand nachdrücklich zu reduzieren, sind die Bürokratieentlastungsgesetze I, II und III nicht gerecht geworden. Das dritte Bürokratieentlastungsgesetz hat zwar in den Jahren 2019 und 2020 den laufenden Erfüllungsaufwand um 1,168 Milliarden € reduziert, im gleichen Zeitraum ist aber ein einmaliger Erfüllungsaufwand von 2,583 Milliarden € angefallen. Somit verfehlte es sein Ziel, spürbare Entlastungen für die Unternehmen zu erreichen.
Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) möchte die Bundesregierung nun spürbare Entlastungen für die Wirtschaft schaffen. Das ist angesichts des immer weiter steigenden laufenden Erfüllungsaufwandes dringend notwendig. Denn dieser ist laut NKR im Zeitraum 2022/23 um weitere 9,3 Mrd. € auf rund 26,8 Mrd. € angestiegen.
Spürbare Entlastungen sollen im BEG IV vor allem durch Verkürzungen von Aufbewahrungsfristen, durch den Verzicht bzw. durch umfangreiche Absenkungen der Formerfordernissen im Zivilrecht sowie dem Wegfall der Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige geschaffen werden. Ein großer Erfolg ist die Etablierung der Textform im Nachweisgesetz. Demnach können Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen die wesentlichen Arbeitsbedingungen und Änderungen zu diesen künftig auch in Textform festhalten, statt auf die analoge Schriftform zurückzugreifen.
Trotz der vorgesehenen Verbesserungen bleibt der Entwurf zum vierten Bürokratieentlastungsgesetz, auch aufgrund der geringen Entlastungssumme von 944,2 Mio. €, noch weit hinter dem dringend Notwendigen zurück. Die BDA appelliert deshalb an die Bundesregierung, die weiteren Vorschläge aus der Wirtschaft, wie z.B. die Reduzierung von Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten oder eine Digitalisierung der Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung, umzusetzen, um den Bürokratieabbau entschlossener und ambitionierter voranzutreiben.
Verhinderung neuer Bürokratie
Der beste Beitrag zu einem nachhaltigen Bürokratieabbau ist ein Belastungsmoratorium. Neue Belastungen wie Beschränkungen des Vergaberechts durch einen als Tariftreue deklarierten tarifzwang oder die Einführung einer Haftung für Unternehmen durch eine übermäßige Umsetzung der Europäischen Richtlinien, z. B. zur Wertschöpfungskette oder zur Entgelttransparenz, müssen unterbleiben. Stattdessen sollte das Arbeitsecht flexibler gestaltet werden. Ebenfalls muss das Onlinezugangsgesetz umgesetzt und das Unternehmenskonto zur digitalen Abwicklung von Verwaltungsleistungen eingeführt werden. Der Verzicht auf neue belastende Regelungen für Unternehmen ist vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie unabdingbar.
Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) etablierten Praxischecks können einen Beitrag leisten, bestehende bürokratische Hürden zu beseitigen. Gemeinsam mit relevanten Stakeholdern werden einzelne Praxisfälle durchgespielt. So kann zielgerichtet analysiert werden, welche Anforderungen zu bürokratisch sind und Prozess verlangsamen. Die BDA fordert die Bundesregierung auf, dieses Instrument zusätzlich zum Belastungsmoratorium in allen Ministerien anzuwenden, damit Gesetze praktikabler, einfacher und weniger bürokratisch gestaltet werden können.
„One in, one out"-Grundsatz konsequent und umfassend umsetzen
Das Bekenntnis von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat zum Grundsatz „One in, one out" legt einen Grundstein für den Bürokratieabbau. Demnach muss für jede neu eingeführte Belastung eine bisher bestehende Belastung reduziert oder abgebaut werden. Die Einhaltung dieses Grundsatzes wird vom Staatssekretärsausschuss für Bürokratieabbau und vom Nationalen Normenkontrollrat (NKR) kontrolliert. Es wäre folgerichtig gewesen, dass der NKR auch die Gesetzentwürfe vom Bundestag und Bundesrat auf Bürokratiezuwachs initiativ prüfen kann.
Der „One in, one out“-Beschluss muss konsequent umgesetzt werden. Die stringente Durchsetzung dieses Grundsatzes braucht klare Definitionen. Ein Verzicht auf Durchsetzung zugunsten „politisch gewollter Maßnahmen" ist darunter nicht zu verstehen. Notwendig ist es dazu, auch die Belastungen, die durch die Umsetzung von EU-Recht entstehen, in seinen Anwendungsbereich einzubeziehen. Für Arbeitgeber und Unternehmer macht es keinen Unterschied, ob bürokratische Belastungen ihren Ursprung in EU- oder nationaler Regulierung haben. Letztlich muss der Erfüllungsaufwand durch eine neue Rechtsverordnung ebenfalls im Sinne des „One in, one out"-Grundsatzes kompensiert werden.
Digitalisierung vorantreiben und das „Once-Only“-Prinzip endlich einführen
Unerlässlich für einen erfolgreichen Bürokratieabbau ist die grundlegende Digitalisierung von Verwaltungsabläufen und Prozessen. Dazu kann das „Once-Only“-Prinzip einen Beitrag leisten, denn es vereinfacht die Kommunikation von Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern mit Behörden und Verwaltung. Das Prinzip, auf dessen Einführung sich die EU-Mitgliedsstaaten bereits 2009 geeignet haben, sieht vor, dass bestimmte Daten und Standardinformationen nur noch einmal mitgeteilt werden müssen. Diese vorhandenen Daten können dann nach Einwilligung der Betroffenen von Behörden und Verwaltung auch bei weiteren Verfahren genutzt werden, ohne sie erneut anfragen zu müssen. Das „Once-Only“-Prinzip wäre bspw. bei der Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland hilfreich. Denn durch die umfangreichen Dokumentations- und Antragspflichten bei verschiedenen Behörden sind diese Verfahren oft kompliziert und langwierig