Arbeits- und Tarifrecht
Das deutsche Arbeits- und Tarifrecht ist in einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen geregelt. Das gilt besonders für das Individualarbeitsrecht, das die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmt. Das kollektive Arbeitsrecht gliedert sich in die Bereiche Unternehmensmitbestimmung, betriebliche Mitbestimmung und Tarifrecht. Nur durch die Rechtsprechung geregelt ist bisher das Tarifverhandlungsrecht (Arbeitskampfrecht).
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gewährleisten
Anders als vielleicht noch in den 50er, 60er und 70er Jahren kann man somit hinsichtlich des Arbeitsrechts nicht von einer weitgehend ungeregelten Rechtsmaterie sprechen. Vielmehr leidet das Arbeitsrecht in weiten Teilen an einer Überregulierung. Es gibt allein drei unterschiedliche Gesetze, die Teilzeitansprüche vorsehen – nämlich das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das Elterngeld- und Elternzeitgesetz und zwei Pflegezeitgesetze. Für denselben Bereich, nämlich der Pflege naher Angehöriger, gibt es nebeneinander ein Pflegezeitgesetz und ein Familienpflegezeitgesetz. Eine solche Vielzahl von gesetzlichen Regelungen zu vergleichbaren Lebenssachverhalten kann kaum mehr zu vorhersehbaren Ergebnissen führen.
Dennoch: Der Eindruck, dass das Arbeitsrecht stark durch die Rechtsprechung geprägt wird, ist richtig. Auch jenseits des Arbeitskampfrechts kommt die Rechtsprechung vielfach zu überraschenden, bei der Gesetzeslektüre nicht jederzeit sich aufdrängenden Ergebnissen. Die Unvorhersehbarkeit der Entscheidungen gilt dabei nicht nur für die Gestaltung der Arbeitsvertragsbeziehungen, sie gilt in weiten Teilen auch im kollektiven Arbeitsrecht. Das wurzelt in der kurzen – und daher in seiner Absolutheit falschen – Aussage: „Arbeitsrecht ist Arbeitnehmerschutzrecht.“ Richtig ist: Arbeitsrecht gestaltet die Arbeitsbeziehungen.
Die Rechtssetzung und Rechtsprechung auf europäischer Ebene gewinnt für das deutsche Arbeitsrecht zunehmend an Bedeutung. Die Zahl der Richtlinien oder Verordnungen zu arbeitsrechtlichen Fragen nimmt stetig zu, etwa die Arbeitszeitrichtlinie oder Zeitarbeitsrichtlinie, die Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat oder die Verordnung und Richtlinie über die Errichtung der Europäischen Aktiengesellschaft. Brüssel regiert in vieles hinein und der Europäische Gerichtshof in Luxemburg verstärkt diese Tendenz. Größeres Gewicht könnten darüber hinaus die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erlangen. Das hat das deutsche Arbeitsrecht in den letzten Jahren noch unübersichtlicher gemacht. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sind für Arbeitgeber und Arbeitnehmer vielfach auf der Strecke geblieben. Aufgabe des deutschen Gesetzgebers und der deutschen Regierung ist es, das Arbeitsrecht rechtssicher zu gestalten und dabei seine wichtigen beschäftigungspolitischen Effekte nicht außer Acht zu lassen. Sozial ist, was Arbeit schafft!
Das Arbeitsrecht steht vor großen Herausforderungen durch die Globalisierung, die hoch arbeitsteilige weltweite Vernetzung der Unternehmen und durch die Digitalisierung. Diese Herausforderungen bedeuten Chancen auf mehr Beschäftigung und noch bessere Arbeitsbedingungen. Sicher, es werden auch Tätigkeiten durch neue technische Möglichkeiten ganz oder weitgehend wegfallen. Wenn der Prozess der Digitalisierung aber klug durch gesetzliche Regelungen unterstützt wird, werden wir am Ende mehr neue Beschäftigung haben als dies z. Zt. der Fall ist.
Schon durch die erste, die zweite und die dritte industrielle Revolution sind Beschäftigungsmöglichkeiten weggefallen, am Ende gab es aber mehr Arbeit und damit mehr Wohlstand für alle. Niemand trauert heute z. B. den nur noch in Nischen tätigen Droschkenfahrern nach, wenn er ein modernes Taxi besteigt. Für diese Herausforderungen ist das deutsche Arbeitsrecht noch nicht genügend gerüstet. Es bedarf eines sinnvollen Umbaus, z. B. im Arbeitszeit- und Arbeitsschutzrecht, der eine zentrale Erkenntnis berücksichtigt: Flexibilität schafft Beschäftigungssicherheit.
Beschäftigungsbremsen lösen
Die Gestaltung der Arbeitsvertragsbeziehungen ist in erster Linie Aufgabe der Vertragsparteien. Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen am besten, wie sie ihre Vertragsbeziehungen gestalten. Das gilt für die Begründung, die Durchführung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Gesetzgeber muss dies – wie in fast allen anderen Bereichen des Zivilrechts – flankieren. Ein Beitrag dazu ist zum Beispiel das Kündigungsschutzgesetz. Ein Gesetz mit nur 23 Paragraphen füllt jedoch mittlerweile Basiskommentare von über 3000 Seiten. Dass dies ein Ungleichgewicht bedeutet – vergleicht man einmal Basiskommentare zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit dessen fast 2000 Paragraphen – liegt auf der Hand. Die Weiterentwicklung und Vertragsöffnung des Kündigungsschutzes ist daher ein Beispiel, dass mehr vertragliche Gestaltungsoptionen zu mehr Beschäftigung durch mehr Rechtssicherheit führen.
Keinesfalls darf es zu neuer Regulierung und neuer Bürokratie kommen. Insbesondere Befristung und Zeitarbeit haben sich als Beschäftigungsmotoren auf dem Arbeitsmarkt und Einstiegsbrücken in Arbeit erwiesen. Obwohl Werkverträge keine spezifische Beschäftigungsform sind und für die in ihnen beschäftigten Arbeitnehmer das gesamte Arbeits-und Tarifrecht in Deutschland gilt, werden diese häufig als „prekäre Beschäftigungstypen“ bezeichnet. Ein Werkvertrag ist kein Beschäftigungstyp, sondern eine Möglichkeit zwischen Privaten, zwischen Unternehmern und Verbrauchern und auch zwischen Unternehmen untereinander Vertragsbeziehungen zu gestalten.
Gerade Befristung und Zeitarbeit haben sich dabei in den zurückliegenden Jahren als Top-Beschäftigungsmotoren in der Privatwirtschaft bewährt. So sind in der Zeitarbeit fast zwei Drittel der Beschäftigten zuvor beschäftigungslos gewesen, annähernd ein Fünftel war langzeitarbeitslos oder hat noch nie gearbeitet. Von den in der Privatwirtschaft Beschäftigten mit einem befristeten Arbeitsvertrag haben mehr als drei Viertel im gleichen Betrieb eine Anschlussbeschäftigung erhalten, fast 45 % wurden sogar unmittelbar im Anschluss an die befristete Beschäftigung in eine unbefristete Tätigkeit übernommen. Diese Chancen, die das Befristungsrecht für Arbeitsuchende bietet, dürfen nicht zunichte gemacht werden.
Die Novelle des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) hat zum 1. April 2017 große Veränderungen im Recht der Arbeitnehmerüberlassung mit sich gebracht In § 1 Abs. 1b AUG wurde eine gesetzliche arbeitnehmerbezogene Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten eingeführt, von der durch Tarifverträge der Einsatzbranche abgewichen werden kann. Dadurch konnte die tarifvertragliche Gestaltungsmöglichkeit gewahrt werden Nach § 8 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 AUG ist eine längere Abweichung von Equal Pay als neun Monate dann zulässig, wenn nach spätestens 15 Monaten ab Überlassung an einen Einsatzbetrieb mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist. Teilzeitarbeit schafft gerade für Menschen, die den Widereinstieg nach längerer Beschäftigungspause suchen aber dem Arbeitsmarkt noch nicht in vollem Umfang zur Verfügung stehen können, gute Chancen, die Rückkehr in Arbeit zu organisieren.
Mitbestimmung modernisieren | Tarifautonomie sichern
Die Besonderheit des deutschen Arbeitsrechts macht die Gesamtheit seiner kollektiven Bestandteile aus. Das Verhältnis Tarifrecht auf der einen Seite zum Recht der Mitbestimmung und der Betriebsverfassung auf der anderen Seite ist in dieser Form in Europa und möglicherweise weltweit einzigartig. Kein Land der Welt kennt so weitgehende Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer, kein anderer Partnerstaat der Europäischen Union hat sich bisher daran gemacht, das deutsche Mitbestimmungsrecht zu kopieren. Mitbestimmung im Betrieb und Unternehmen kann Beschäftigung stabilisieren und sichern. Dazu bedarf es allerdings ihrer Einpassung in das europäische Gesellschafts- und Mitbestimmungsrecht. Darüber hinaus darf Mitbestimmung nicht durch überlange Fristen betrieblich notwendige Umstrukturierungen behindern.
Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie sind Teil der Erfolgsgeschichte des deutschen Arbeitsmarkts. Das Tarifrecht gehört zu den unverzichtbaren Bestandteilen unserer Wirtschaftsordnung. Die Ordnung und Befriedung der Arbeitsbeziehungen ist seine wichtigste Aufgabe. In dieser Ordnung und Befriedung gründet die Akzeptanz des deutschen Tarifvertragssystems, das ganz wesentlich durch das Institut der Flächentarifverträge geprägt ist. Die Tarifverträge sind in den letzten Jahren durch vielfältige Öffnungsklauseln in vielen Branchen modernisiert und weiterentwickelt worden. Sie bieten eine verlässliche Grundlage für die Tarifvertragsparteien sowie durch Öffnungsklauseln für die Betriebspartner. Diese verlässliche Grundlage muss erhalten werden. Eine wesentliche Voraussetzung dafür wurde mit der gesetzlichen Wiederherstellung der Tarifeinheit im Tarifvertragsgesetz gesichert. Damit konnte ein erheblicher Beitrag zur Stärkung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie geleistet werden. Nach der Billigung der Tarifeinheit durch das Bundesverfassungsgericht sind jetzt Regierung und Gesetzgeber gefordert, die notwendigen Konkretisierungen durchzuführen. Die Konkretisierungen, die das Bundesverfassungsgericht für notwendig erachtet, verändern den Charakter der Tarifeinheit als stabilisierendes Element der Arbeitsbeziehungen nicht. Bereits die Achtung vor dem Bundesverfassungsgericht gebietet die zeitnahe Umsetzung der notwendigen Klarstellungen.
Die BDA steht für eine hohe Tarifbindung. Tarifbindung ist wie Tarifautonomie immer Ausdruck der Koalitionsfreiheit. Hierzu gehört die Möglichkeit, sich für einen Tarifvertrag zu entscheiden ebenso wie die Möglichkeit, dem Tarifvertrag fernzubleiben. Eine hohe Tarifbindung erreicht man – das zeigen die Branchen mit hoher Tarifbindung – nicht durch den gesetzlichen Zwang, Tarifverträge anzuwenden, sondern durch die freie Entscheidung für Tarifbindung aufgrund von attraktiven und überschaubaren tariflichen Regelungen.
Auch das Arbeitskampfrecht in Deutschland bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Diese besteht bis zum heutigen Zeitpunkt nicht. Das ist – besonders vor dem Hintergrund der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den letzten Jahrzehnten – nicht akzeptabel. Der Arbeitskampf muss auf seine Grundfunktionen zurückgeführt werden. Vor allem müssen klare Leitplanken aufgestellt werden, nach denen der Arbeitskampf immer streng tarifbezogen sein muss, nur das letzte Mittel der Auseinandersetzung darstellen darf und politische und wilde Streiks ausgeschlossen sind. Das gilt auch für sogenannte Flashmobs, bei denen es sich nicht um ein Mittel des Arbeitskampfs, sondern um ein Politikum handelt.
Die BDA steht für:
- Entbürokratisierung und Modernisierung bestehender gesetzlicher Bestimmungen.
- Vertragliche Gestaltungsoptionen und Handlungsoptionen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
- Innovative Arbeitsformen, insbesondere flexible Arbeitszeitregelungen.
- Eine moderne Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung.
- Die Sicherung einer funktionsfähigen Tarifautonomie.