Jetzt die Chance für ein modernes 

Arbeitszeitrecht nutzen

BDA AGENDA 15/25 | KOMMENTAR DER WOCHE | 24. Juli 2025

Von Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer GESAMTMETALL

Mit dem Start des Sozialpartnerdialogs zur Arbeitszeit beginnt eine Phase, in der nicht nur Meinungen ausgetauscht, sondern auch politische Weichen gestellt werden können. Für die Arbeitgeberseite ist klar: Die Reform des Arbeitszeitrechts darf nicht länger vertagt werden.

Der Koalitionsvertrag enthält eine eindeutige Zusage zur Einführung einer gesetzlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit – ein zentraler Baustein für mehr Flexibilität und Rechtssicherheit. Diese Zusage muss nun politisch eingelöst werden, und zwar durch eine unmittelbare gesetzliche Verankerung im Arbeitszeitgesetz. Eine bloße tarifliche Öffnungsklausel würde viele Betriebe ausschließen und dem praktischen Bedarf absolut nicht gerecht werden.

Eng damit verknüpft ist die Frage der Ruhezeiten. Die geltenden starren Vorgaben führen zu rechtlichen Unsicherheiten und Grauzonen. Die europäische Arbeitszeitrichtlinie erlaubt ausdrücklich tarifliche Abweichungen – ohne Einschränkung auf bestimmte Tätigkeiten. Diese Spielräume sollten genutzt werden. Der Koalitionsvertrag steht dem nicht entgegen, denn der dort formulierte Erhalt der Ruhezeiten beschränkt sich semantisch auf die Ausnahmeregelungen für Sonn- und Feiertagsbeschäftigung. Eine Flexibilisierung im Rahmen tariflicher Öffnungsklauseln ist also möglich – und notwendig.

Besonders zentral ist die Frage der Arbeitszeiterfassung. Der gefundene Kompromiss zur grundsätzlichen Pflicht ist nur akzeptabel, wenn bewährte Vertrauensarbeitszeitmodelle weiterhin möglich bleiben. Eine gesetzliche Ausnahme muss glasklar regeln, dass einvernehmlich vereinbarte Vertrauensarbeitszeit nicht der minutengenauen Erfassung im Büro oder im mobilen Arbeiten unterliegt. Andernfalls droht eine faktische Abschaffung flexibler Arbeitszeitmodelle, die für Millionen Beschäftigte und Unternehmen unverzichtbar sind. Studien zeigen: Bis zu 13 Millionen Beschäftigte wären betroffen. Ein möglicher Kompromiss liegt in der Vereinbarungslösung: Arbeitgeber und Beschäftigte sollen Vertrauensarbeitszeit im Arbeitsvertrag vereinbaren können – mit einem Rückkehrrecht zur Zeiterfassung. Dieses Modell schafft Rechtssicherheit und wahrt die Autonomie der Beschäftigten. Es ist europarechtskonform und praxistauglich.

Dass diese Flexibilität längst möglich ist, wenn man sie will, zeigt Blick in das Beamtenrecht. Beamte arbeiten auf Basis einer Wochenarbeitszeit, ohne generelle Pflicht zur minutengenauen Erfassung. Richter sind sogar komplett von Arbeitszeitregelungen ausgenommen – mit Verweis auf ihre Eigenverantwortung und die Unmessbarkeit ihrer kreativen Tätigkeit. Dass diese großzügige Auslegung europäischer Vorgaben für den öffentlichen Dienst gilt, aber der Privatwirtschaft verwehrt bleiben soll, ist nicht nur systematisch fragwürdig, sondern auch ein klarer Fall von Ungleichbehandlung. Wer Vertrauen und Eigenverantwortung ernst nimmt, muss sie allen Beschäftigten zugestehen – nicht nur Staatsdienern.

Der Sozialpartnerdialog bietet die Gelegenheit, diese Punkte konstruktiv zu verhandeln. Jetzt ist der Moment, für ein modernes, flexibles und rechtssicheres Arbeitszeitrecht einzutreten. Die Arbeitgeber sind bereit – und erwarten dasselbe von der Politik.