Betriebsverfassung „weiterentwickeln“ – in die richtige Richtung!

BDA AGENDA 13/25 | KOMMENTAR DER WOCHE | 26. Juni 2025
Prof. Dr. Felix Hartmann, Fachbereich Rechtswissenschaft, Freie Universität Berlin
Deutsche Unternehmen stehen unter massivem globalem Wettbewerbsdruck. Dass sich die hiesige Wirtschaft zunehmend schwer damit tut, beim Innovationstempo Schritt zu halten, hat sicherlich mehrere Ursachen. Im Gespräch mit Unternehmensvertretern fällt aber meist recht schnell das Stichwort Betriebsverfassung. Mitbestimmung kostet Zeit und Geld, und sie ist deshalb fraglos ein wichtiger Faktor im globalen Wettbewerb. Afuera! – so lautet der Schlachtruf der Deregulierung. Muss die Betriebsverfassung womöglich mit der Kettensäge bearbeitet werden?
Sicherlich nicht, denn der Grundgedanke der betrieblichen Mitbestimmung ist nach wie vor überzeugend: Die Belegschaftsmitglieder räumen dem Arbeitgeber vertraglich die Befugnis ein, die Tätigkeit mittels Weisungen zu steuern. Nur so ist er in der Lage, die unternehmerische Verantwortung für den Personaleinsatz und die damit einhergehenden Risiken zu tragen. Dieses Direktionsrecht wird nun begrenzt durch die betriebliche Mitbestimmung, und zwar aus gutem Grund: Zum Schutz individueller und kollektiver Arbeitnehmerinteressen wird die einseitige Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers an die Mitwirkung des Betriebsrats gebunden.
Das geltende Betriebsverfassungsgesetz stammt aus dem Jahr 1972, und auch die letzte größere Änderung liegt schon ein Vierteljahrhundert zurück. Gesetze altern nicht anders als Menschen, und so ist ein Modernisierungsbedarf an sich nicht überraschend. Bei der Betriebsverfassung kommt allerdings noch Entscheidendes hinzu: Viele Ergänzungen haben sich von dem geschilderten Grundgedanken entfernt, und auch die Rechtsprechung hat einen wesentlichen Teil zu dieser Entwicklung beigetragen. Wenn sich der Betriebsrat etwa um allgemeinpolitische Belange wie den Umweltschutz kümmern soll, wird er in Zielkonflikte gestürzt und institutionell überfordert. Führt das Mitbestimmungsrecht bei technischen Einrichtungen dazu, dass sich die Betriebsparteien ständig mit bloßen Software-Updates beschäftigen müssen, ist niemandem gedient – dem Arbeitgeber und seiner unternehmerischen Freiheit nicht, aber auch der Belegschaft nicht, für die es vielleicht viel wichtigere Themen gäbe.
Eine Reform der Betriebsverfassung, die ihren Namen verdient, müsste zugleich die Beteiligungsverfahren straffen. Wer heute KI-Tools einführen will, kann rasch die Schwelle einer Betriebsänderung erreichen. Das hierfür vorgesehene Beteiligungsverfahren lädt einen unwilligen Betriebsrat geradezu ein, erst einmal auf Zeit zu spielen. Die Sorgen der Belegschaftsvertretung mögen berechtigt sein, aber derartige Fragen müssen sich innerhalb überschaubarer Fristen klären lassen. Bei alledem hilft es, wenn die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen noch flexibler als bisher an die vielgestaltigen Unternehmensorganisationen angepasst werden können.
Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung heißt es, man wolle die Mitbestimmung „weiterentwickeln“ – eine Formulierung von wohlkalkulierter Vagheit. Dennoch sollte die Richtung klar sein: Die Betriebsverfassung muss auf ihren eigentlichen Kern fokussiert werden, und sie muss schlanker, effizienter und flexibler werden. Und dies besser morgen als übermorgen, denn die Welt wartet nicht auf Deutschland.