Zuletzt gab es für neun ausdrücklich benannte Branchen die Möglichkeit einer RVO nach dem AEntG. Mit der jüngsten Gesetzesänderung steht der Verordnungsweg des AEntG allen Branchen offen. Anders als bisher können die auf diesem Wege erstreckbaren bundesweiten Tarifverträge eine Vielzahl weiterer Arbeitsbedingungen regeln. Ein umsichtiger und vernünftiger Umgang bei der Erstreckung von Tarifverträgen ist daher unbedingt erforderlich.
Aufnahme in das AEntG hat weitreichende Konsequenzen
2014 bedenkliche Ausweitung des AEntG
Nach der bisherigen Rechtslage konnte ein Tarifvertrag der im AEntG genannten Branchen durch eine RVO erstreckt werden, wenn der bundesweite Tarifvertrag sich auf Regelungen über Mindestentgeltsätze, bezahlten Mindestjahresurlaub oder gemeinsame Einrichtungen der Tarifpartner (sog. Sozialkassen) im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen beschränkte, beide Tarifvertragsparteien einen gemeinsamen Antrag stellten und die Erstreckung im „öffentlichen Interesse“ geboten erschien.
Nach den Rechtsänderungen im Jahr 2014 kann ein Tarifvertrag nunmehr einen breiten Katalog an Arbeitsbedingungen erfassen, für die aber häufig bereits ein ausreichender gesetzlicher Schutz existiert. Dies betrifft z. B. Regelungen zu Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten, Bedingungen für die Überlassung von Arbeitnehmern, Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz, Schutzmaßnahmen von u. a. Schwangeren oder die Gleichbehandlung von Männern und Frauen.
Diese Ausweitung des AEntG ist vor allem auch deshalb bedenklich, weil anders als bei dem Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Tarifvertragsgesetz ein notwendiges Korrektiv im AEntG fehlt. Die Entscheidung des Tarifausschusses auf Bundesebene (Tarifausschuss beim Bundesarbeitsministerium) hat keine die Erstreckung des Tarifvertrags hindernde Wirkung. Denn für den Erlass einer RVO ist kein Einvernehmen mit dem Tarifausschuss erforderlich. Eine RVO kann bereits dann erlassen werden, wenn nur zwei oder drei der insgesamt sechs Tarifausschussmitglieder dafür stimmen. Zudem wird der Tarifausschuss auf Bundesebene nicht bei jedem Antrag beteiligt.
2018 erneut Verschärfungen im Bereich des AEntG beschlossen
Der Europäische Rat für Beschäftigung und Sozialpolitik hat im Sommer 2018 die Revision der Entsenderichtlinie beschlossen. Wichtige Veränderungen sind u. a, dass der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ab dem ersten Tag der Entsendung gelten soll und die Beschränkung auf Mindestlöhne entfällt. Für entsandte Arbeitnehmer können daher nach der neuen Entsendrichtlinie zukünftig sämtliche Löhne allgemeinverbindlich erklärter Tarifverträge verbindlich sein. Die Folge werden mehr Rechtsunsicherheiten und mehr Bürokratie für Arbeitgeber mit mehr grenzüberschreitenden Aktivitäten sein. Die BDA wird sich für eine möglichst verträgliche Umsetzung der neuen Vorgaben der Richtlinie einsetzen.